Interview mit CDU-Vize Silvia Breher - Nach der Wahl: „So macht man den Laden kaputt“

Silvia Breher, Vizevorsitzende der CDU, fordert eine ehrliche Diskussion über die Gründe der Wahlniederlage – attackiert aber führende CDU-Politiker, die in Präsidiumssitzungen per Handy Journalisten mithören lassen.

CDU-Vize Silvia Breher im September bei der Präsentation von Armin Laschets Zukunftsteam / dpa
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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Silvia Breher vertritt seit 2017 den Wahlkreis Vechta-Cloppenburg im Bundestag, nun wurde sie mit 49 Prozent der Erststimmen wiedergewählt. Seit 2019 ist Breher stellvertretende CDU-Vorsitzende.

Frau Breher, zunächst Gratulation zum bundesweit besten Erststimmen-Ergebnis bei der Union. Das sah allerdings nicht überall so aus. Wie ist denn bei der Basis die Stimmung?

Ich freue mich über das Direktmandat mit einem tollen Ergebnis. Aber die Verluste in der Zweitstimme sind dramatisch. Die Basis sagt sehr deutlich: Wir haben diese Wahl verloren, wir haben keinen Regierungsauftrag. Wir stehen natürlich bereit für Gespräche mit den demokratischen Parteien der Mitte. Aber wir müssen diese Niederlage in erster Linie aufarbeiten und Schlüsse daraus ziehen.

Was bedeutet denn dieses „Aufarbeiten“?

CDU-Vizevorsitzende Silvia Breher

Als Partei haben wir sehr unter Corona gelitten: Wir haben auf dem letzten Präsenzparteitag im November 2019 eine Struktur- und Satzungskommission eingesetzt, mit der wir viele Dinge auf den Weg bringen wollten, die die Partei verändern sollen. Die Vorschläge konnten wir bislang aber nicht verabschieden. Erst kam der Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer, dann haben wir ein Jahr gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen. Die Frage um die Kanzlerkandidatur hat dann nochmal viel Porzellan zerschlagen. Deshalb ist es für uns wichtig, das Wahlergebnis genau anzuschauen. Das heißt, nicht nur in einer Vorstandssitzung einmal drüber zu fliegen und es zur Kenntnis zu nehmen. Wir müssen das wirklich mit unseren Mitgliedern diskutieren. Dazu gehört auch ganz klar das Thema Kanzlerkandidatur.

Das heißt, der Prozess der Findung eines Unions-Kanzlerkandidaten muss sich ändern?

Es gibt keinen festgelegten Prozess innerhalb der Union, weil sie ja aus zwei Parteien besteht. Wir müssen aber zu Strukturen kommen – diesen Auftrag haben die Generalsekretäre von CDU und CSU.

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Dieser Punkt steht in der Partei ganz oben auf der Tagesordnung?

Wir müssen die Vorschläge aus der Struktur- und Satzungskommission umsetzen. Das Thema gehört dazu. Wir haben sehr turbulente Jahre hinter uns, und die Auseinandersetzungen haben einfach Spuren hinterlassen.

In Präsidium und Bundesvorstand, so Armin Laschet, soll es eine einstimmige Unterstützung für Sondierungen zu einer Regierungsbildung gegeben haben. War das so?

Wir haben diese Wahl verloren, und aus diesem Wahlergebnis leitet sich kein Regierungsauftrag ab. Gleichzeitig bieten sich aber verschiedene Konstellationen, und selbstverständlich stehen wir für Gespräche bereit.

Ralph Brinkhaus soll heute Abend als Vorsitzender der Unionsfraktion wiedergewählt werden. Norbert Röttgen sagt, man solle diese Wahl verschieben. Was wird da heute Abend passieren?

Das wird sich heute Abend zeigen.

Was wäre denn Ihrer Meinung nach die richtig Entscheidung?

Die Gespräche dazu laufen noch, und ich hoffe, dass es zu einem abgestimmten Vorschlag kommt.

Wäre denn nicht ein personeller Neuanfang an der Fraktionsspitze ein gutes Signal nach außen?

Die Entscheidung wird in der Fraktion getroffen.

Was ist denn für Sie die „Erneuerung“, von der viele sprechen?

Zu einer Erneuerung gehören Strukturen, Inhalte und auch Personen. Nach 16 Jahren Angela Merkel muss sich die Union neu finden.

Der CSU-Abgeordnete Andreas Lenz hat gestern gesagt, die Union sei „in Teilen hirntot“. Teilen Sie diese Auffassung?

Nein, wir sind quicklebendig. Wir müssen zeigen, wer wir als Union sind und wofür wir stehen.

Peter Altmaier hat gestern gesagt, man müsse „zügig über die inhaltliche und personelle Aufstellung der CDU für die Zukunft sprechen“. Seine „eigenen Befürchtungen“ bezüglich der Kanzlerkandidatur von Armin Laschet seien „von der Realität noch übertroffen“ worden. Wie viel Unterstützung hat Laschet eigentlich noch als CDU-Vorsitzender?

Natürlich ist die Enttäuschung über das Wahlergebnis groß, und darüber werden wir vor allem intern eine ehrliche Debatte führen.

Andererseits ist die Frustration bei vielen an der Basis groß: In den vergangenen Jahren hat sich bestätigt, dass in der Union nicht die Meinung der Basis zählt, sondern die der Gremien. Stichwort Kanzlerkandidat – Söder war der Favorit der Basis, aber die Gremien wählten Laschet.

Darüber haben wir ja gesprochen: Das ist auch ein Grund, warum wir eine intensive Aufarbeitung und Veränderungen, wie zum Beispiel geregelte Verfahren, brauchen.

Nach Ruhe sieht es allerdings auch jetzt nicht aus. Gestern wurde praktisch live von der Bild-Zeitung aus der Präsidiumssitzung berichtet …

Wir haben interne Gremien, in denen gestritten werden kann, dazu gehört auch das Präsidium. Es ist ein No-Go, dass da jemand das Mikrofon mitlaufen lässt. Wenn ich einen Laden kaputtmachen will, dann genau so. Warum tut das jemand? Da geht es doch nur um die eigene Profilierung, um einen persönlichen Vorteil bei den Medien. Und man will den anderen schaden, um selber besser dazustehen. Ich verstehe das nicht. Das ist purer Egoismus. Jedem sollte klar sein: Ohne die Partei CDU kann niemand, auch niemand mit einem noch so großen Ego, erfolgreich sein.

Es mangelt an Teamgeist in der CDU?

Nein, es geht um Einzelpersonen, die damit am Ende allen anderen schaden, die als Team erfolgreich sein wollen.

Das Gespräch führte Moritz Gathmann.

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