Absurde Bilderstürmerei - Ausgerechnet Washington

Die Washington and Lee University soll umbenannt werden, weil ihre Namensgeber Rassisten waren. So hat es ein Gastautor der „Washington Post“ in einem Beitrag gefordert. Ist das Satire oder Wahnsinn?

Die „Washington Post“ fordert Umbenennung der Washington and Lee University / dpa
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Rixa Fürsen macht einen Master in Internationalen Beziehungen an der Hertie School in Berlin. Derzeit hospitiert sie in der Redaktion von CICERO.

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In einem Gastbeitrag für die Washington Post fordert Brandon Hasbrouck eine Umbenennung der Washington and Lee University in Virginia, Vereinigte Staaten. Hasbrouck ist Assistenzprofessor für Jura an der Washington and Lee University. Die Namensgeber, „sowohl George Washington als auch Lee waren Täter von Rassenterror, und beide Namen sollten entfernt werden“, schreibt er.

Weiter heißt es in seinem Beitrag: „Die Verehrung der beiden Männer durch unsere Universität signalisiert implizit eine anhaltende Unterstützung für rassistische Unterordnung und Gewalt.“ Hasbroucks Kritik erscheint angemessen. Schließlich, so schreibt er, „war Washington der erste Präsident des Landes, nachdem er die Kontinentalarmee im Revolutionskrieg angeführt hatte. Aber Washington versklavte mehr als 300 Schwarze.“

Ein zynischer Zufall? 

Dass dieser Bericht ausgerechnet in der Washington Post erscheint, entbehrt allerdings nicht der Ironie. Schließlich ist die Namensgebung der Washington Post auf Amerikas Hauptstadt Washington, D.C. zurückzuführen. Washington bezieht sich ebenfalls auf Amerikas ersten Präsidenten, George Washington. D.C. steht für District of Columbia und leitet sich von Amerikas Entdecker, Christoph Kolumbus, ab. Auch Kolumbus gilt heute als Rassist. Washington, D.C. trägt somit sogar zwei Rassisten im Namen, die die Washington Post in ihrem Namen aufgreift. 

Nochmal zum Mitschreiben: Die Washington Post berichtet darüber, dass George Washington ein Rassist gewesen ist und die Washington and Lee University deswegen ihren Namen ändern sollte? Ist denn niemandem von der Washington Post dieser fast schon zynische Zusammenhang aufgefallen? Oder war das etwa Absicht? 

„You’re literally called the Washington Post

Twitter liefert dazu den passenden Schlagabtausch: „You’re literally called the Washington Post“, heißt es in einem Kommentar dazu. Genug Aufmerksamkeit hat die Washington Post nun zumindest. Kein Beitrag der Zeitung wurde so oft geteilt und kommentiert wie dieser. Ziel erreicht? Doch die Twitter-Gemeinde scheint sich einig: Was zu viel ist, ist zu viel. Diese Ironie ist pietätlos.

„Das laufende nationale Gespräch über Rassismus hat das Potenzial, dauerhafte Veränderungen zu bewirken“, schreibt Hasbrouck in seinem Beitrag. Die „Black Lives Matter“-Bewegung hat den Stein bereits vor Wochen ins Rollen gebracht. Das Hinterfragen von historischen Figuren nach ihren rassistischen Taten ist eine längst losgelöste Debatte. Nachrichten wie diese sind also keine Neuheit mehr. 

Eine niemals fertigwerdende Sisyphusarbeit 

Wie hochkomplex die Rassismus-Debatte ist, wird durch den ausversehen-beabsichtigen Fauxpas der Washington Post deutlich: Wo anfangen und wo aufhören? Wenn nun Straßen und Universitäten ihre Namenspatronen verlieren, Denkmäler abgerissen und Wörter gestrichen werden sollen, dann müssen auch Zeitungen, Städte und vielleicht sogar ganze Länder unbenannt werden. 

Den Stein, den diese Debatte losgelöst hat, ist womöglich viel größer und schwerer, als wir uns vorgestellt haben. Wenn wir uns wirklich von den glorifizierten Bildern historischer Figuren verabschieden wollen, müssen wir es richtig tun. Doch wie es aussieht, wird dies zu einer Sisyphusarbeit werden: niemals fertig. 

Lesen Sie hier den vollständigen Gastbeitrag von Brandon Hasbrouck. 

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