Wahlkampf in den USA - Ein Frontalangriff auf die Eliten

Eineinhalb Jahre erbitterter US-Wahlkampf gehen morgen zu Ende. Sachlichkeit, Respekt, Wahrhaftigkeit und Intellektualität suchte man vergeblich. Ähnliches könnte uns auch hierzulande blühen

Gewalt und Hass sind im US-Wahlkampf schon lange kein Tabu mehr / picture alliance
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Markus Ziener ist Professor für Journalismus in Berlin. Zuvor berichtete er als Korrespondent aus Washington, Moskau und dem Mittleren Osten.

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Nichts wird wirklich vorbei sein am Morgen des 9. November. Und zwar auch dann nicht, wenn Hillary Clinton gewonnen und Donald Trump seine Niederlage eingeräumt hat, ohne danach den Bürgerkrieg auszurufen. Dieser albtraumhafte Wahlkampf der letzten eineinhalb Jahre wirkt nach. Er macht vor allem deshalb so betroffen, weil es seine Phänomene auch hierzulande gibt. Die USA sind nur einen Schritt weiter als Europa, als Deutschland. Viel mehr aber nicht.

Mit Betroffenheit schaut man auf die lange Opferliste, die dieser Wahlkampf zu beklagen hat: Sachlichkeit, Respekt, Wahrhaftigkeit, Intellektualität wurden vermisst – um nur einige zu nennen. Natürlich: Wahlkämpfe werden von jeher mit harten Bandagen geführt. Doch diese Kampagne war anders. Leitplanken gab es nicht oder sie wurden im Sog von Donald Trump unverzüglich eingerissen. Barrieren des Anstands und der Moral besaßen keine Gültigkeit mehr. Vor Monaten schon dachte man, dass es in diesem Wahlkampf schlimmer nicht kommen könnte. Doch es ging immer weiter, das Schlimme wurde von dem noch Schlimmeren getoppt. Das Karussell drehte sich so schnell, dass man sich an die schier endlose Abwärtsspirale schon gewöhnte. Auch das wird bleiben: Das abgestumpfte Empfinden.

Schande für die konservative geistige Elite

Was bestürzt, ist, dass sich dieser Prozess innerhalb einer altehrwürdigen Partei wie den Republikanern abspielen konnte. Dass neue, populistische Parteien – wie in Deutschland die AfD – diese Welle reiten, mag noch einigermaßen nachzuvollziehen sein. Der kalkulierte Tabubruch ist deren „selling point”. Dass sich aber die Grand Old Party (GOP) der USA, die Partei Abraham Lincolns, überrollen lässt von der Trivialität eines Donald Trump – das ist neu. Zwar hatten die amerikanischen Konservativen selbst den Boden dafür bereitet, in dem sie schon vor Jahren dem rechtslibertären Teaparty-Flügel freien Lauf ließen und mit ihr der inhaltlichen Niveaulosigkeit. Der Erfolg von Donald Trump stellt dennoch einen ungeahnten Tiefpunkt dar.

Dabei ist es eben weniger der Aufstieg des Immobilienmilliardärs an sich, als die Unfähigkeit der republikanischen Partei, Trump zu stoppen. Die GOP verfügte weder über den Mut noch über die intellektuelle Kraft, Trump etwas Gleichwertiges entgegen zu setzen. Das hat auch mit der Uneinigkeit der konservativen geistigen Elite zu tun. Wenige von ihnen zeigten die erforderliche Courage, haben rechtzeitig öffentlich widersprochen oder gewarnt. Viele warteten opportunistisch ab, weil sie sich um Pfründe und Sitze im Kongress sorgten. Wieder andere schürften in Trumps Wortkaskaden nach intellektuellem Gold, auf das sie ihre Hoffnungen setzen konnten. Fanden sie dort mal ein Nugget, dann hielten sie es wie eine Trophäe in die Höhe. Trump sei vielleicht etwas roh im Stil, aber er sage doch durchaus Vernünftiges, hieß es dann. Und: Im Amt werde er sicher präsidialer werden, ruhiger.

Wir da unten gegen die da oben

Was viele indes nicht verstanden: Trumps Erfolg ist nichts weniger als der Frontalangriff auf die intellektuelle Elite. Einmal im Amt wird er sich nicht scheren um das, was die republikanischen Vordenker glauben und für richtig halten. Trump verachtet sie. Genauso wie sie von seinen Gefolgsleuten verachtet werden. Der Kasinobesitzer aus New York hat das Wort „Eliten” zum Schimpfwort erklärt. Er benutzt es regelmäßig, um seine Kontrahentin herabzuwürdigen. Und er wird es auch in der eigenen Partei in Stellung bringen.

Trump folgt damit einem alten populistischen Muster: Zunächst teilt man die Gesellschaft auf in „us and them”, in „die da oben” und „wir da unten”. Dann macht man sich zum Sprecher der angeblich Entrechteten. Und auf deren Schultern lässt man sich ins Amt tragen. Dass Trump selbst zu „denen da oben” gehörte und gehört – geschenkt. Dass Trump selbst sich bis heute gerne mit der Elite zeigt – vergessen. Als Präsident wird der wandelbare Trump „denen da unten” kaum gefallen. Weil er viele seiner Versprechen gar nicht einlösen kann, gar nicht einlösen will. Aber das interessiert den Wähler nicht im – ich bitte mir das inzwischen etwas abgegriffene Wort nachzusehen – postfaktischen Internetzeitalter. Es geht um Emotionen, um ein „Denen-zeigen-wir-es-jetzt-mal”-Gefühl, um wenigstens ein bisschen Vergeltung.

Politische Langeweile hat auch ihr Gutes

Rechtspopulisten in Deutschland und anderen europäischen Staaten benutzen die gleiche Blaupause: Keile in die Gesellschaft treiben, Emotionen schüren, Ängste generieren, Tatsachen wegwischen und die Lust am Abstrafen „der da oben” befördern. Nur: Aus dieser negativen Roadmap kann nichts Gutes erwachsen, es kann nichts entstehen, was die Gesellschaft zusammenhält. Dieses Modell gründet auf Neid und Missgunst, auf persönlichem Frust und dem Gefühl der Revanche für alle Unbilden dieser Welt. Und darauf soll also nun das Regieren beruhen?

Lange galten die Nachkriegsdeutschen als langweilig. Die Kanzler regierten Ewigkeiten, die Parteien bildeten Dauerkoalitionen, die Verwirrten blieben am Rand. In Deutschland regierten kluge Köpfe in grauen Anzügen – und, ja, nennen wir sie ruhig so: Eliten. Sie waren vielleicht alle etwas rheinisch-bieder, aber zumeist doch fachlich kompetent, vernünftig und verlässlich. Das Land ist gut gefahren mit ihnen.

Welch hohes Gut dies ist, diese elitäre Langeweile, zeigt der Blick auf das Amerika des Jahres 2016. Was dort passiert ist eine Warnung. Es muss hierzulande verhindert werden.

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