Vergiftung von Alexej Nawalny - Sie sollten Nawalny töten

Ein Rechercheverbund hat acht Geheimdienstler identifiziert, die an der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny beteiligt waren. Hat das Konsequenzen für den Kreml?

Schema der Rechercheplattform Bellingcat, das die Bilder der FSB-Agenten zeigt, die an der Vergiftung von Nawalny beteiligt waren / bellingcat
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Drei Monate ist der Mordversuch an Alexej Nawalny her, nun ist sich der führende russische Oppositionelle sicher: Hinter der Operation steht der Kreml und persönlich Präsident Wladimir Putin. Das erklärt Nawalny in einem Video, das er heute in den sozialen Netzwerken veröffentlicht hat. Die Operation sei nichts Geringeres als "Staatsterrorismus". Als Grund für seine Tötung vermutet Nawalny seine Ankündigung von Dezember 2016, an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen zu wollen.

Bestätigt in seinen Vermutungen haben ihn die Ergebnisse eines Rechercheverbunds, bestehend aus Bellingcat, The Insider, Spiegel und CNN, die heute veröffentlicht wurden: Sie haben die Identität von acht Mitarbeitern des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB ermittelt, die Nawalny seit mehreren Jahren auf seinen Reisen begleiteten.

Geheimdienstler begleiteten Nawalny auf Schritt und Tritt

Mithilfe von (in Russland illegal aber relativ leicht zu erwerbenden) Passagierlisten und Mobiltelefondatenbanken rekonstruierten sie, dass seit Januar 2017 Nawalny von meistens fünf Männers des FSB begleitet wurde. Mehrere dieser FSB-Mitarbeiter sind Mediziner und Spezialisten im Bereich chemischer und biologischer Kampfstoffe. Die Rekonstruktion beschreibt minutiös, wie mehrere dieser Männer im August in die sibirische Stadt Tomsk reisten, in der Nawalny vergiftet wurde.

Der Anschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny spielte sich am 20. August ab: Unter Einsatz des Kampfstoffs Nowitschok wurde der heute 44-Jährige während eines Aufenthalts in der Stadt Tomsk vergiftet und brach während des Rückflugs nach Moskau zusammen. Wenig später wurde der ins Koma versetzte Nawalny nach Deutschland ausgeflogen, dank der Ärzte der Berliner Charité überlebte er den Anschlag.

Gab es frühere Mordversuche?

Möglicherweise gab es sogar schon früher Versuche dieses Geheimdienstkommandos, Nawalny und seine Frau zu vergiften. So beschreibt Nawalny Erlebnisse seiner Frau in diesem Jahr, sowie ein eigenes Erlebnis im letzten Jahr, bei denen sie ähnliche Symptome zeigten wie bei der Nowitschok-Vergiftung im August.

Zwar fehlt auch nach dieser Untersuchung weiterhin die “smoking gun”, also der von Präsident Wladimir Putin unterschriebene Marschbefehl. Aber die nun veröffentlichten Recherchen lassen kaum noch andere Deutungen zu: Eine derart groß angelegte Operation gegen den wichtigsten Oppositionellen Russlands ist kaum denkbar ohne Zustimmung von Wladimir Putin, der selbst dem Geheimdienst entstammt, und der diesen leitete, bevor er zum Präsidenten gewählt wurde.

Dass die russischen Ermittlungen vor diesem Hintergrund außer Nebelkerzen irgendwelche weiterführenden Erkenntnisse zutage fördern werden, ist zu bezweifeln. Möglich ist dagegen, dass die Europäische Union oder die USA unter der Führung von Präsident Joe Biden wegen des Einsatzes des verboteten Kampfstoffs Nowitschok und der weitgehend erwiesenen Verwicklung höchster staatlicher Stellen weitergehende Sanktionen erlassen werden.

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