US-Wahlkampf - Muss man Donald Trump hassen?

Kisslers Konter: An der Person und am Programm des Präsidentschaftskandidaten gäbe es viel auszusetzen. Die Abscheu aber hat das Argument besiegt, die Abneigung die Auseinandersetzung. Eine fatale Entwicklung, gerade in Deutschland

Die Abneigung gegen Donald Trump ist äußerst selbstgerecht / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Am 8. November entscheidet sich, ob der nächste amerikanische Präsident Hillary Clinton oder Donald Trump heißen wird. Es ist also höchste Zeit, an einige offenbar unbekannte Selbstverständlichkeiten zu erinnern: Wahlberechtigt sind ausschließlich US-Bürger. Kein deutscher Leitartikler hat eine Stimme, kein EU-Politiker darf mitwählen, nordrhein-westfälische Landesvorsitzende müssen draußen bleiben. Das mag schmerzen, ist aber so. Gewinnen wird, wer die meisten Stimmen der Wahlleute auf sich vereint, nicht, wer jenseits des Atlantiks die größte Fangemeinschaft bilden konnte. Und drittens ist Hass auch hässlich, wenn es der Hass der Mehrheit ist – dann vielleicht sogar besonders.

Zumindest das Letztere sollte sich von selbst verstehen. Deutschland 2016 steht im Zeichen einer boomenden, üppig alimentierten Bewusstseinsindustrie, die den Kampf gegen den Hass und die „zunehmende Verrohung der Debatte“ (Heiko Maas) auf ihre Fahnen schrieb. Ein nicht nur lohnens-, ein auch lobenswertes Unterfangen, hielte es, was es verspricht. Wäre es wirklich der energische Kampf gegen strafbare Handlungen von links wie rechts, gegen Verleumdung, Beleidigung, Volksverhetzung, Rassismus, Gewalt. Stattdessen ist es auch – und zu einem nicht vernachlässigbaren Teil – der Drang nach Deutungshoheit im Meinungskampf, nach Marktführerschaft unter den politischen Sinnanbietern, nach dem moralischen Sieg der Guten über die Schlimmen. Der Fall Donald Trump zeigt, wie schnell Hass gesellschaftsfähig werden kann, praktizieren ihn die Richtigen.

Sieg der Ranküne

Dass eine extrem linke Zeitung Trump einen „unfähigen Idioten“ nennt, mag man als Klientelismus der schlichten Art zu den Akten legen. Wenn aber bei dem Online-Ableger der Wochenzeitung Die Zeit Donald Trump „eine Schande“ genannt wird, weil er „in einer eigenen Liga von Inkompetenz, Niveaulosigkeit und Feindseligkeit“ spiele, lässt das aufhorchen. Entfernt vom politischen Journalismus ist das Raunen des US-Korrespondenten von Spiegel Online, es gäbe für die Konservativen „keinen unblutigen Weg“, Trump „noch loszuwerden“. Soll man ihn über den Haufen schießen?

Das ist mehr als rhetorische Zuspitzung. Das ist der Sieg der Ranküne über das Argument, der Ablehnung über die Auseinandersetzung. Donald Trump wird gehasst, und dieser Hass tritt sehr stolz auf, sehr selbstgerecht, er gefällt sich ungemein. Es ist der narzisstische Hass der vielen auf den einen und insofern ein menschlich eher abstoßender Zug. Ganz ohne Frage gibt es sehr, sehr viel am Programm und erst recht an der Person Donald Trump auszusetzen. Doch sich damit ernsthaft, kühl, abwägend auseinanderzusetzen, erachten die meisten Kommentatoren als unter ihrer Würde.

Man sehe gleich, um welch einen miesen Typen es sich da handle, sagen sie, um was für ein ordinäres, reaktionäres, chauvinistisches Großmaul. Mag sein: Doch darf das uns Beobachter von der anderen Seite des großen Teichs – mehr als das sind wir nicht – dazu verleiten, ein mindestens ebenso hässliches Gesicht zu zeigen? Gibt das Phänomen Donald Trump uns das Recht, uns turmhoch überlegen zu fühlen über angeblich so tumbe Amerikaner und von der hohen moralische Warte herab Verdammungsurteile zu sprechen? Nein. Gerade unter diesen heiklen Bedingungen ist Hass die denkbar dümmste Reaktion. Die bequemste freilich auch. Sie schweißt zusammen ohne die Mühe des Nachdenkens.

Fataler Eindruck einer verordneten Meinung

Man stelle sich für einen Augenblick vor, über Trumps Konkurrentin, die offenbar vertrauliche Dienstmails nicht als solche erkannte, für sechsstellige Summen postfaktische Reden hielt und gegen stattliche Zuwendungen die Türöffnerin zum damaligen Präsidenten und Ehemann gab, würde in ähnlichen Kategorien geurteilt. Man male sich aus, die abgründigen Folgen von Hillary Clintons Nahostpolitik würden ohne weitere Begründungszusammenhänge einem sardonischen Lachen überantwortet, vielleicht mit Verweis auf ihr Äußeres: die Blamage derer, die so redeten, wäre sofort ersichtlich. Insofern ist der Hass auf Trump betrüblich für alle Beteiligten. Er zeigt die Defizite in der Elitenrekrutierung der Vereinigten Staaten ebenso drastisch wie die gedankliche Faulheit und moralische Überheblichkeit in Europa, namentlich in Deutschland.

Zudem wird wie stets bei einstimmigen Chören der fatale Eindruck einer verordneten Meinung vermittelt. Gerade weil Trumps Programm für Amerika sachliche Kritik geradezu herausfordert, ist es doppelt betrüblich, dass auf diese weitgehend verzichtet wird. So entsteht der Eindruck, da wolle die Deutungselite nur wieder ihr Mütchen kühlen. Die Debatte werde geschlossen, weil es so verfügt worden sei von den Türwächtern des Diskurses. In Ansehung des Falles Trump braucht sich niemand zu wundern, wenn Meinungseinfalt verdrießlich stimmt und Zyniker macht.

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