US-Wahlkampf - Geht es noch absurder?

Beim zweiten Fernsehduell zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten ging es ans Eingemachte. Donald Trump drohte damit, Hillary Clinton im Falle eines Wahlsiegs ins Gefängnis zu stecken. Sein Rückhalt unter den Republikanern schwindet derweil

Der Wahlkampf in den USA wird immer mehr zur Seifenoper / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Kann das amerikanische Präsidentschaftsrennen noch schriller, noch absurder werden? Schwer vorzustellen, aber durchaus wahrscheinlich, denn alle anderen Wetten haben die politischen Kommentatoren ja bisher auch verloren. Die gestrige Debatte zwischen Donald Trump und Hillary Clinton in St. Louis, die zweite von insgesamt dreien, ragte durchaus heraus. Niemals zuvor hat beispielsweise ein Herausforderer seiner Gegenkandidatin gedroht, sie im Fall eines Wahlsiegs ins Gefängnis zu stecken. Jedenfalls nicht im Amerika der vergangenen hundert Jahre.

Und warum? Weil Clinton als Außenministerin ihre Emails über einen privaten Server hat laufen lassen. Trump schob nach, dass die demokratische Kandidatin „Hass im Herzen“ trage. Er tigerte während der Debatte auf der Bühne hin und her und baute sich dabei immer wieder hinter Clinton auf wie der Golem in einem Gruselfilm. Dem nicht genug: Im Publikum saßen auf Einladung von Trump vier Frauen, die mit den Clintons über Kreuz liegen. Eine von ihnen, Kathy Shelton, war als Zwölfjährige vergewaltigt worden; Clinton war dem Täter als Pflichtverteidigerin zur Seite gestanden. Die anderen drei Frauen, Kathleen Willey, Paula Jones und Juanita Broaddrick, hatten Bill Clinton beschuldigt, sie sexuell belästigt zu haben. Sie verklagten Clinton, verloren die Prozesse aber.

Jetzt geht es um weiße Frauen

Aber von vorne: Nur Tage vor der angesetzten Debatte war eine Videoband von 2005 aufgetaucht, auf dem Trump mit Billy Bush spricht, dem Moderator der NBC-Sendung Access Hollywood und Cousin von George W. Bush. Das Band war zunächst den NBC-Nachrichten zugespielt worden, denen aber war es zu heiß. Und so landete es bei der Washington Post. Der damals 59-jährige Trump prahlt darauf, er grabsche Frauen gerne an den Intimbereich und er könne sich das erlauben, weil er ein Star sei. Überhaupt könne er sich jeder Frau aufdrängen, von der er sich angezogen fühle. Trump war damals gerade frisch mit seiner dritten Frau Melania verheiratet.

Es war nicht das erste Mal, dass Trump ausfällig wurde. Doch dieses Mal ging es nicht um Mexikaner oder Muslime, sondern um weiße Frauen. Damit war für viele seiner Parteikollegen das Ende der Fahnenstange erreicht. Fraktionssprecher Paul Ryan sagte einen Wahlkampftermin mit Trump ab. Und prominente Republikaner, darunter John McCain, Condoleezza Rice, Arnold Schwarzenegger und Jon Huntsman, riefen dazu auf, ihn nicht zu wählen. Trumps Vize Mike Pence tauchte ab. Selbst Fernsehpfarrer der Evangelikalen zogen die Notbremse. Trump, ungewöhnlich für den Egomanen, entschuldigte sich mehrfach, bei seiner Frau und seinen Wählerinnen, fügte aber gleich hinzu, Bill Clinton habe auf dem Golfplatz viel schlimmere Dinge zu ihm gesagt. Clinton und Trump sind alte Golfkumpel.

Berater: Basis hält weiterhin zu Trump

Zu den Republikanern, die sich gegen Trump stellen, zählt auch Max Boot vom einflussreichen Council on Foreign Relations. Trump, so sagte Boot auf einer Veranstaltung der Zeitschrift New Yorker am Samstag, sei moralisch nicht geeignet, irgendetwas Verantwortungsvolles zu leiten, geschweige denn die USA. Trump sei ein Rassist, der einem anti-amerikanischen Diktator wie Wladimir Putin auf den Leim gehe, der den Freihandel und die Nato zerstöre und die Alliierten im Stich lassen werde. Trump wolle in den USA so etwas wie den Front National in Frankreich aufbauen, er sei eine fremde Macht, die sich an die Republikaner angedockt habe.

Der altgediente Trump-Berater Roger Stone trat Boot entgegen. Stone ist ein Anwalt, der schon für Richard Nixon gearbeitet hat (er soll ein Tattoo von Nixon auf seinem Rücken haben) und der auf schmutzige Tricks spezialisiert ist. Ja, sagte Stone gegenüber Cicero Online, Trump habe die Elite der republikanischen Partei gegen sich, nicht aber die Basis. Nun würden die Trump-Wähler beschimpft, die sich doch nur Sorgen um Jobs und um die steigende Kriminalität machten und das mit Recht. Die Republikaner seien heute die Partei der Lobbyisten. Und Clinton sei viel schlimmer, als das Publikum ahne. Bald werde Wikileaks Dokumente über ihre Geldwäschegeschäfte und ihre Verbindungen in die Ukraine veröffentlichen.

Reißt Trump seine Partei mit runter?

Noch ist das nicht passiert. Und so lange versucht es das Trump-Camp mit psychologischer Kriegsführung: Am Sonntag erfuhr AP, dass Roger Stone die Fahrtkosten der drei Frauen Shelton, Willey und Broaddrick übernommen und ihnen auch Geld für die Auftritte bezahlt hat, aus einem Wahlkampffond, den er eigens für solche Zwecke gegründet hat. Weiteres ist zu erwarten.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Wahlkampf um Trumps gestörtes Verhältnis zu Frauen dreht: Nach der zuvorigen Debatte hatte der Republikaner nachts um drei einen Tweet über eine übergewichtige Schönheitskönigin gesendet und seine Wähler aufgefordert, ihr Sextape zu sichten“. Zum Schluss der gestrigen Debatte wurden beide Kandidaten gefragt, ob sie auch etwas Nettes über ihren Konkurrenten sagen könnten. Clinton erwähnte Trumps Kinder, Trump sagte, Clinton sei eine zähe Kämpferin, sie gebe nicht auf. Am Ende war eine Mehrheit der Amerikaner, vor allem Frauen, der Ansicht, Clinton habe gewonnen.

Ist nun der Höhepunkt der Seifenoper erreicht, zu der der amerikanische Wahlkampf geworden ist? Wahrscheinlich nicht. Es soll ein Videoband zirkulieren, auf dem Trump von Niggern spricht. Stone wiederum hat angeblich Material über die Clintons und ihre Stiftung im Ärmel. Trump wirkt dabei, als ob er nicht mehr so richtig Lust auf den Wahlkampf hat. Das Wochenende verbrachte er eingebunkert im Trump Tower, bei der Debatte wirkte er alt und müde. Die wichtigste Frage ist nun: Wenn er untergeht, nimmt er die Republikaner mit, oder werden die sich retten können?

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