USA - Fakt oder Fiktion: Trump, der Rassist?

Schnell betiteln Medien und Journalisten den US-Präsidenten Donald Trump als Rassisten. Doch sollte man unterscheiden zwischen dem, was sich medial abspielt und dem, was tatsächlich geschieht

Rassist oder kein Rassist? / picture alliance
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Autoreninfo

Andreas Backhaus studierte Volkswirtschaftslehre in Deutschland, Polen und Frankreich. 2018 wurde er an der LMU München promoviert. Er arbeitet in der europäischen Politikberatung

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Um in den aufregenden und aufgeregten Zeiten des Präsidenten Donald J. Trump einen halbwegs klaren Kopf zu bewahren, ist es immens hilfreich, gelegentlich einen Schritt zurückzutreten und zwischen dem zu unterscheiden, was tatsächlich politisch passiert – und was sich dagegen hauptsächlich nur medial abspielt.

Tatsächlich ist politisch gerade Sommerpause, das heißt, es herrscht ein Mangel an echten politischen Zuspitzungen und Konfrontationen. Der Anschlag im texanischen El Paso – weniger der gleichzeitig stattfindende Amoklauf in Dayton, Ohio – gab daher Anlass, ein für die Präsidentschaftswahlen 2020 potentiell entscheidendes Narrativ medial zu testen und voranzubringen: Trump sei ein Rassistm beziehungsweise ein „white supremacist“, ein Anhänger einer rassistischen weißen Überlegenheitsideologie.

Bemerkenswert ist dabei, dass Trump zuvor des Rassismus eher noch verdächtigt wurde und dass diese Verdächtigungen und Spekulationen tendenziell von deutlich links positionierten Medien und Politikern erhoben worden sind. Mittlerweile jedoch ist die Bezeichnung Trumps als Rassist ein „talking point“ der demokratischen Präsidentschaftsbewerber geworden, geradezu ein Bekenntnis, das mehrere der Letztgenannten reihum abgelegt haben.

Kampf um die Meinungshoheit

Wer aus dem Anti-Trump-Lager dabei, wenn auch nur aus Versehen, nicht mitmacht, der wird schnell wieder auf Linie gebracht, wie kürzlich die ehrwürdige New York Times erfahren musste. Die Zeitung, die sich gern als das amerikanische Sturmgeschütz der Demokratie versteht, hatte es gewagt, nach Trumps Statement zu den Anschlägen in El Paso und Dayton in ihrer gedruckten Ausgabe zu titeln: „Trump mahnt zu Einheit statt zu Hass“ („Trump urges unity vs hate“) – was eine faktisch nicht zu beanstandende Titelzeile war, denn genau dies hatte Trump in seiner Ansprache getan, unabhängig davon, ob man es ihm abkaufen möchte oder nicht. Doch der Statistiker und Ex-Times-Mitarbeiter Nate Silver machte mit einer aufgebrachten Twitter-Menge hinter sich seinem ehemaligen Arbeitgeber schnell klar, dass dies nicht das angemessene Framing für die Worte des Präsidenten darstellte. Unter dem Druck von tausenden empörten Demokraten und Abonnenten änderte die Times ihre Titelzeile daraufhin in „Hass, aber nicht Waffen kritisierend“ („Assailing hate but not guns“) – was keine faktische Titelzeile ist, sondern eine, die ausdrückt, was Trump laut Ansicht der Times und ihrer Leserschaft hätte sagen oder tun sollen.

Der Fernsehsender CNN stellte sich dabei geschickter an und berichtete, dass Trump zwar Rassenhass und „white supremacy“ verurteilt, die Bedeutung seiner eigenen Rhetorik für den auf Mexikaner abzielenden Anschlag von El Paso aber nicht eingestanden habe. Auch dies ist offensichtlich eine Wertung, die es als Tatsache darstellt, dass Trumps Rhetorik den Anschlag motiviert habe – was Trump und nicht wenige seiner Anhänger offensichtlich anders beurteilen. 

Masse statt Klasse

Nun ist es gewiss so, dass Trump mit gut jedem zweiten seiner Tweets und Statements die Grenzen der politischen Korrektheit nicht nur austestet, sondern glatt missachtet. Aus diesem reichhaltigen Angebot an Vorlagen haben seine Gegner inzwischen eine ganze Kollektion an augenscheinlich wasserdichten Belegen für Trumps Rassismus zusammengestellt. Sie setzen hierbei jedoch auf das Prinzip „Masse statt Klasse“, denn isoliert betrachtet kann jeder Beleg nur mit einer mäßigen Überzeugungskraft aufwarten.

Am bekanntesten, da am effektivsten, ist die Behauptung, Trump habe nach der tödlichen Amokfahrt eines Rechtsradikalen im Rahmen der Proteste in der Stadt Charlottesville im Jahr 2017 die rechtsradikale Gewalt relativiert und zudem unter den rechtsextremen Demonstranten auch „feine Leute“ („very fine people“) gesehen. Jedoch ist diese Behauptung so nicht richtig: Trump hatte auf der betreffenden Pressekonferenz klar gesagt, dass er sich nicht auf die Neo-Nazis und weißen Nationalisten beziehe, welche seiner Meinung nach vollumfassend verurteilt werden sollten. Er rede stattdessen von den Bürgern, die sich für und gegen die Entfernung von Statuen südstaatlicher Politiker und Generäle einsetzten – und auf beiden Seiten dieser Streitfrage sehe er „sehr feine Leute“. Der Vater einer zum Judentum konvertierten Tochter, zu dessen Familie mehrere jüdische Enkelkinder zählen und der sich in Israel außerordentlicher Beliebtheit erfreut, hat vor der Weltöffentlichkeit die Rassisten und Neo-Nazis in Charlottesville nicht als „fine people“ bezeichnet.

Wie steht es um die Twitter-Attacke gegen den schwarzen Kongressabgeordneten Elijah Cummings, dem Trump vorwarf, die von ihm repräsentierte Stadt Baltimore sei „ein ratten- und nagetierverseuchtes Drecksloch“? Eben dieser angegriffene Kongressabgeordnete hatte Baltimore vor 20 Jahren als „drogenverseucht“ bezeichnet. Sogar in der Lifestyle-Sparte der Washington Post wurde von Baltimore als einer „nagetierverseuchten Stadt“ gesprochen. Zumindest in der Wahrnehmung der Medien ist ein rassistischer Unterton dieser Wortwahl jedoch nur dann vorhanden, wenn Trump sich ihrer bedient.

„Invasion der Mexikaner“

Zuletzt wurde eine Verbindung von Trumps Äußerungen gegenüber Einwanderern und dem fremdenfeindlichen, auf Mexikaner abzielenden Anschlag in El Paso hergestellt. Ein USA-Korrespondent der ARD hatte in diesem Zusammenhang behauptet, Trump und der Attentäter hätten beide von einer „Invasion der Mexikaner“ gesprochen. Doch auf meine Nachfrage auf Twitter reagierte die ARD nicht.

Nichtsdestotrotz werden die Leser der New York Times und die Zuschauer von MSNBC nach wie vor unzählige hieb- und stichfeste Beweise für Trumps offenkundigen Rassismus vor sich ausgebreitet sehen, während die Konsumenten von Fox News und Breitbart weiterhin einen Präsidenten sehen werden, der gnadenlos gegen seine Gegner austeilt, daneben aber auf für sie unterhaltsame Weise relativ gewohnte republikanische Politik betreibt. 

Wie sehr Medien immer noch in der Lage sind, derartige für Realität gehaltene Fiktionen zu erschaffen und zu nähren, klang vor kurzem auf einer internen, aber aufgezeichneten Mitarbeiterversammlung der New York Times an. Dort gab der Chefredakteur Dean Baquet recht unumwunden zu, dass die Times auf dem falschen Fuß erwischt worden sei, als Robert Mueller keine Beweise für geheime Absprachen zwischen der Trump-Regierung und Russland vorlegte, nachdem die Zeitung zwei Jahre lang auf diese „Story“ gesetzt habe. Daher sei nun Anlass für Veränderung gegeben, da man sich für die kommenden zwei Jahre überlegen müsse: „Wie berichten wir über einen Typen, der diese Art von Äußerungen macht? […] Wie schreiben wir wohlüberlegt über das Thema Rasse?“ Dies kann man so interpretieren, dass die Berichterstattung sich weniger an den unstrittigen Fakten und umso mehr am gewünschten „Spin“ des rassistischen Präsidenten orientieren wird.

Angenommen, die gegen Trump eingestellten Medien werden bis zum November 2020 tatsächlich alle seine Äußerungen aus den Blickwinkeln Rasse, Ethnizität und Hautfarbe bewerten und dabei ähnliche Urteilskraft walten lassen wie in den Fällen Charlottesville und Baltimore. Eine beunruhigende Frage lautet dann: Ab welchem Punkt tragen die Medien mehr zur Aufladung und Spaltung der US-Amerikaner entlang dieser Kategorisierungen bei als der Präsident, den sie eigentlich des Rassismus überführen wollen? Eine farbenblinde amerikanische Gesellschaft, die lange das Ideal der Bürgerrechtsbewegung war, kann ihnen derzeit kaum zweckdienlich erscheinen.
 

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