Corona und Wahlkampf in den USA - Trumps Woche der Maskerade 

Eine turbulente amerikanische Woche geht zu Ende, in der Präsident Trump seine Meinung zu Masken änderte und noch eine weitere überraschende Entscheidung bekannt gab. Die Demokraten machen ihm derweil seltsame Vorwürfe.

Er hat eine Maske und er weiß, wie man sie benutzt: Donald Trump / dpa
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Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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An dieser Stelle berichtet von nun an wöchentlich unser Korrespondent Daniel C. Schmidt aus Washington D.C. über den US-amerikanischen Wahlkampf. Er ist Autor des beim Aufbau-Verlag erschienenen Buches „This is America” und arbeitet als freier Reporter. 

Die Woche in Washington war politisch derart vollgepackt, dass man am besten mit einer Weisheit beginnt, die dem Footballspieler Walter Payton zugeschrieben wird und die uns helfen soll, die nachfolgenden Geschehnisse ein bisschen besser einzuordnen. 

„Wenn du gut in irgendeiner Sache bist, dann sagst du es jedem”, gab Payton einmal in einem Interview zu Protokoll. „Wenn du großartig in irgendeiner Sache bist, dann sagt es dir jeder.”

Die Einschaltquoten sind gut

Ob Donald Trump diesen Satz kennt, ist nicht verbrieft. Ganz abgesehen davon hat er diese Woche die erste Pressekonferenz zur Corona-Pandemie seit April abgehalten. Noch Ende Juni sagte er in einem Interview, dass er davon ausgehe, dass das Virus verschwinde.

Dass er sich jetzt doch wieder regelmäßig vor die Kameras stellt, weil es anscheinend Redebedarf in Sachen Covid-19 gibt, hat auch damit zu tun, dass die Einschaltquoten gut waren, und weniger, weil ihm jemand bescheinigt hatte, die Krise bislang großartig gemeistert zu haben. Seit ein paar Tagen gibt es vier Millionen Corona-Fälle in den USA, mehr als 140.000 Menschen sind gestorben.  

Steiler Fallanstieg

Trump las von einem Manuskript ab, als er am Dienstag nach Monaten wieder in dem kleinen Presseraum des Weißen Hauses am Pult stand. In Interviews hatte er vorher noch davon gesprochen, dass der steile Fallanstieg in den vergangenen Wochen auf vermehrte Testaktivitäten zurückzuführen sein – ganz so, als ob ein Test einen positiven Fall kreiert statt ihn aufzudecken. Jetzt sprach er von einem „besorgniserregenden Anstieg” an Fällen im Süden der USA. Die Situation werde wohl noch schlimmer werden, sagte er, bevor sie sich verbessern könne.  

Einen Tag vor dem Auftritt im Weißen Haus hatte Trump auf Twitter einen so verspäteten wie vorsichtigen Unterstützungsvermerk hinterlassen: Viele Menschen sagten, dass es patriotisch sei, eine Maske zu tragen, wenn es nicht möglich sei, Mindestabstand zu halten, schrieb der Präsident, der es über Monate hinweg vermieden hatte, öffentlich Maske zu tragen. Im Gegenteil, er hatte sich genau deswegen über Joe Biden lustig gemacht. „Ob man Masken mag oder nicht, sie haben eine Wirkung”, sagte Trump anschließend am Dienstag vor der Presse. „Ich gewöhne mich grad an meine.” 

Dritthöchste Sterberate weltweit

Bevor man den Eindruck bekommen konnte, man müsse sich an einen neuen Präsidenten gewöhnen, demütig und der Wissenschaft folgend, streute Trump noch ein paar Trump'sche irreführende Aussagen ein. Seine Behauptung, die Sterberate sei „niedriger als die der Europäer und fast überall auf der Welt”: schlicht falsch. Hochgerechnet auf 100.000 Einwohner hat Amerika laut Johns Hopkins University die dritthöchste Sterberate weltweit.  

Wenn die Fallzahlen dieser Tage nach oben schnellen, verhalten sich die Umfragewerte des Präsidenten vielerorts gegenteilig. In wichtigen Bundesstaaten liegt Trumps demokratischer Gegenkandidaten Biden zurzeit vorn. Und da sollten die TV-Bilder von den Pressekonferenzen präsidial wirken, Vertrauen im Volk erzeugen, dass das Weiße Haus sich kümmert, und Trump wieder etwas mehr Sympathie einbringen. 

Die gegen uns

Ob das klappt, ist noch zu früh zu sagen. Zumindest scheint man im Weißen Haus Trump allmählich klargemacht zu haben, dass 2020 nicht 2016 und er Amtsinhaber und nicht Herausforderer ist. Einen Wahlkampf wie vor vier Jahren zu führen, ergibt unter diesen Umständen wenig Sinn. Da Trump sich nicht mehr auf die guten Wirtschaftsdaten als Wiederwahlargument verlassen kann, scheint er sich auf einen Kulturkampf zu versteifen. 

Die gegen uns – Biden und seine vermeintlich sozialistische Agenda gegen das wahre Amerika, das Freiheit liebt und alte Helden verehrt. Allerdings wirken der Ton und die Bilder dieses Trump-Narrativs immer etwas am Ziel vorbei. Die Werbespots seiner Kampagne mit brennenden Straßen und Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Einsatzkräften sind eben keine Szene aus der Zukunft unter einem Präsident Joe Biden, sondern aus der Gegenwart, in der nunmal Präsident Donald Trump die Verantwortung trägt. 

Das „Trump-Virus”

Aber auch die Demokraten fanden nicht immer die passenden Worte in dieser Woche. Nancy Pelosi nannte am Dienstag das Coronavirus auf CNN „das Trump-Virus”, denn: „Wenn er vor Monaten gesagt hätte: tragt Masken und haltet Abstand zueinander”, so die ranghöchste Demokratin im Kongress im einem Fernsehinterview, „hätten sich noch mehr Menschen daran gehalten.”  

Sicher richtig, wer sich im Sommer 2020 jedoch noch darauf verlässt, von Trump wissenschaftlichen Rat zu empfangen, hat womöglich die vergangenen vier Jahre komplett verpasst. Vielleicht muss man sich fragen, ob ab einer bestimmten Opferzahl fernab von Trumps verzögerter Reaktion nicht auch ein gewisser Unwille in der Bevölkerung besteht, gesunden Menschenverstand anzuwenden, um durch persönliche Einschränkung Mitmenschen zu schützen.

Bidens seltsame Aussage

Die zweite seltsame Aussage auf demokratischer Seite kam von Joe Biden, der Trump am Mittwoch als Amerikas ersten „rassistischen Präsidenten” bezeichnete. Dabei ist bekannt, dass mindestens zwölf US-Präsidenten Sklavenbesitzer waren, was die Aussage dann doch wieder etwas relativiert. 

Zu allem Überfluss knirschte es noch einmal im Gebälk der Republikaner, als Donald Trump wenige Stunden später verkündete, den Parteitag im August abzusagen. Ursprünglich hatte er in Charlotte im Bundesstaat North Carolina stattfinden sollen. Weil der demokratische Gouverneur dort jedoch Bedenken gegen eine derartige Massenversammlung anmeldete, wollte Trump nach Jacksonville in Florida umziehen.

Politisches Theater in Mehrzweckhallen

Gestern kam der Rückzieher: „Der Zeitpunkt für diese Veranstaltung ist nicht richtig bei all dem, was jüngst passiert ist”, sagte Trump in Hinblick auf die explodierenden Fallzahlen im Süden. „Das Aufflammen in Florida ist nicht der richtige Augenblick, dort eine große Versammlung abzuhalten.” 

Die Nominierungsparteitage werden gern für Einschwörungsrituale benutzt, um die Delegierten und vielen freiwilligen Helfer für den Tür-zu-Tür-Wahlkampf anzuheizen. Motivationsgehabe, lange Reden, politisches Theater in Mehrzweckhallen.

Ein weiterer abrupter Kurswechsel

Nur wird die Pandemie auch in drei Wochen nicht verschwunden sein. Da Trump keinen Gegenkandidaten befürchten muss und es bei ihm inhaltlich selten um Feinheiten geht, kann man sich das Spektakel aus gesundheitspolitischen Gründen also auch gut sparen.

Statt Applaus gab es in den Kommentarspalten für diese Entscheidung viel Kopfschütteln, weil die Verlegung nach Florida Millionen verschlungen und zu nichts geführt hat, und zugleich wieder einen weiteren abrupten Kurswechsel im Weißen Haus darstellt. 

Person, woman, man, camera, TV

Wirklich verlassen konnte Donald Trump sich diese Woche wohl nur auf sich selbst. Auf sich und sein Genie. In einem Interview erklärte der Präsident am Mittwoch noch einmal, wie tough der Gedächtnistest war, den er sich vor einigen Tagen unterzogen hatte und den Joe Biden seiner Meinung nach auch machen sollte. 

Fünf Wörter habe er sich merken müssen, sagte Trump, „person, woman, man, camera, TV”, die dann zwischen einer Reihe von anderen Fragen immer wieder abgefragt wurden: „Können Sie die Wörter noch einmal aufsagen?”

Das konnte er, kein Problem: Person, woman, man, camera, TV. 

Das Internet lachte, wahrscheinlich zu Recht. Tief drinnen dürfte auch Trump gewusst haben: gute, aber keine großartige Leistung. 
 

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