USA - Das kommt 2020 aus Amerika

Impeachment, Präsidentschaftswahlen, Migration, Iran, Russland und China – vieles haben wir von den USA im kommenden Jahr 2020 zu erwarten. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts wird sich auch entscheiden, als was für ein Präsident Donald Trump in die Geschichte eingehen wird

Wird 2020 das letzte politische Jahr von Angela Merkel und Donald Trump / picture alliance
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Autoreninfo

Andreas Backhaus studierte Volkswirtschaftslehre in Deutschland, Polen und Frankreich. 2018 wurde er an der LMU München promoviert. Er arbeitet in der europäischen Politikberatung

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Impeachment:

Zum Ende des Jahres 2019 lag die größte innenpolitische Aufmerksamkeit in den USA klar auf dem eingeleiteten Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump. Die Demokraten haben es dabei geschafft, ihre Fraktion im Repräsentantenhaus hinter dem Amtsenthebungsverfahren zu vereinen, von sehr wenigen Abweichlern abgesehen. Allerdings ist es den Demokraten nicht gelungen, die Front der Republikaner aufzubrechen: Sowohl für die Abstimmungen im Justizausschuss über die beiden Anklagepunkte als auch für die Abstimmung im Repräsentantenhaus über das Amtsenthebungsverfahren konnten die Demokraten nicht eine einzige republikanische Ja-Stimme gewinnen. Dieses geschlossene Abstimmungsverhalten der Republikaner unterscheidet sich vom Amtsenthebungsverfahren gegen Nixon, wo sich bereits im Justizausschuss zahlreiche republikanische Abweichler fanden.

Die recht eindeutige Erwartung für 2020 lautet daher, dass sich diese scharfe Trennung entlang der Parteilinien im Senat fortsetzen wird, wo das Verfahren gegen den Präsidenten stattfinden und dank republikanischer Mehrheit wahrscheinlich zum Freispruch führen wird. Unter Führung von Mitch McConnell ziehen die Republikaner sogar in Betracht, in der Senatsverhandlung keine weiteren Zeugen vorzuladen, sondern schnellstmöglich zur Abstimmung überzugehen, um ihre Geringschätzung des gesamten Verfahrens auszudrücken. Dieses Vorhaben wird momentan noch von Nancy Pelosi blockiert, die die Resolution des Repräsentantenhauses zur Amtsenthebung bisher nicht offiziell an den Senat weitergeleitet und damit das Verfahren noch nicht aus der Hand gegeben hat. Bis zum finalen Akt der Inszenierung ist daher noch mit einigen dramaturgischen Einlagen der Hauptdarsteller zu rechnen.

Dass das Impeachment überhaupt zu Stande gekommen ist, ist ein Erfolg für die Demokraten – denn obwohl das Verfahren letztendlich wohl scheitern wird, trägt Trumps Präsidentschaft nun unumkehrbar den „stain“ (zu deutsch: „Makel“) der Amtsenthebung. Die unverhohlene Freude der demokratischen Abgeordneten über die erfolgreiche Abstimmung im Repräsentantenhaus drückte somit vorwiegend die Freunde über das Verfahren denn dessen finale Erfolgsaussichten aus. Allerdings stellt sich im selben Zug die für die Demokraten unvorteilhafte Frage: Wenn ein zum Scheitern verurteiltes Impeachment-Verfahren alles ist, was Trumps Gegner gegen ihn ausrichten können – deutet dies nicht an, wie wenig sie auf dem Feld konkreter Politik und vielversprechender Kandidaten gegen den Präsidenten aufbieten können? Auch wenn das Impeachment die Basis der Demokraten anspornen mag, sollte die Partei nicht darauf vertrauen, dass jeder unabhängige Wähler von diesem Aufwand der Zeit und der Mittel der Legislative ebenso begeistert reagieren wird.

Präsidentschaftswahlen 2020:

Am 3. Februar 2020 wird der US-Bundesstaat Iowa die tatsächlichen Vorwahlen der Demokratischen Partei einläuten, welche exakt einen Monat später im so genannten „Super Tuesday“, den gleichzeitigen Abstimmungen in 14 Bundesstaaten, kulminieren werden. Diese heiße Phase des Vorwahlkampfs wird gewissermaßen schon sehnlichst erwartet, da die letzten Fernsehduelle einerseits vom Impeachment überlagert worden sind und andererseits zu keinen echten Verschiebungen im Kandidatenfeld geführt haben.

Dies spiegelt sich auch in den Meinungsumfragen wider – denn der von der Website „Real Clear Politics“ berechnete Durchschnitt aller nationalen Wahlumfragen ist gegenwärtig praktisch identisch mit dem Stand von vor einem Jahr. In diesem Durchschnitt führt der ehemalige Vize-Präsident Joe Biden neuerlich mit bequemem Abstand das Feld der Kandidaten an. Auf dem zweiten Platz liegt getragen von seiner loyalen Anhängerschaft der Senator Bernie Sanders, der trotz seines Herzinfarkts im Oktober noch keine Anstalten macht, sich den Rest des Rennens entgehen zu lassen.

Elizabeth Warren erlebte zwischen September und Oktober ihren Goldenen Herbst, ist mittlerweile aber wieder hinter Sanders zurückgefallen und setzt aktuell keine neuen Akzente. Die kalifornische Senatorin Kamala Harris hat nach einer desaströs geführten Kampagne bereits ihr Ausscheiden aus dem Rennen erklärt. Ihr Name wird allerdings noch als mögliche Kandidatin für den Posten der Vize-Präsidentin neben einem möglichen Präsidentschaftskandidaten Biden genannt. Der „Mayor Pete“ genannte Bürgermeister Pete Buttigieg erreichte im Dezember erstmals zweistellige Umfragewerte und wäre unter mehreren Gesichtspunkten ein vielversprechender Kandidat, er sieht sich allerdings dem unverhohlenen Hass der „progressiven“ Demokraten ausgesetzt.

Die bisherigen Fernsehduelle und das sie umgebene Geplänkel haben also ihren Zweck erfüllt, die politischen Programme einiger Kandidaten zu testen und andere bereits wegen fehlender Fernsehtauglichkeit aus dem Rennen zu nehmen. Allerdings haben sie der demokratischen Parteiführung auch signalisiert, dass die beiden beliebtesten Bewerber um die Kandidatur gleichsam weiß, männlich und noch älter als der zur Wiederwahl stehende Präsident sind. Das ist ein Problem für eine Partei, die sich durch ihre ethnische und geschlechtliche Diversität explizit als moderner Gegenentwurf zu Trumps Agenda und Personal versteht. Zwar erzielen alle beliebten Kandidaten in den umkämpften Bundesstaaten zumindest Hoffnung machende Umfrageergebnisse gegen Trump. Jedoch ist Sanders körperliche Gesundheit angeschlagen, während immer wieder Zweifel aufkommen, ob Biden den Strapazen eines Präsidentschaftswahlkampfs geistig noch vollkommen gewachsen wäre. In jedem Fall werden sowohl die Kandidatenkür als auch die eigentliche Wahl 2020 große Herausforderungen an die Geschlossenheit der Demokraten stellen.

Es kann vorkommen, dass eine Partei aus ideologischen oder demographischen Gründen schlicht keinen herausragenden Kandidaten für eine anstehende Wahl zur Verfügung hat. Sollte sich ex post zeigen, dass dieser Fall für die Demokraten 2020 eingetreten ist, so wäre es eine kluge Entscheidung, einen Kandidaten aufzustellen, der wie Biden oder Sanders dem Ende seiner politischen Laufbahn entgegenblickt, anstatt ein junges, aber noch nicht reifes Nachwuchstalent zu vergeuden.

Einwanderung:

Die illegale Einwanderung in die USA über die amerikanisch-mexikanische Grenze war ein entscheidendes Thema im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Ihre Bekämpfung gilt deshalb unter republikanischen Wählern als wichtiger Maßstab für den Erfolg von Trumps erster Amtszeit. Die Versinnbildlichung dieser Bekämpfung ist die von Trump angekündigte Grenzmauer zu Mexiko. Für den Bau dieser Mauer und die Finanzierung dieses kostspieligen Vorhabens hat die Trump-Regierung eine Reihe von wichtigen Erfolgen vor dem Obersten Gerichtshof errungen, welche die Zuweisung von Bundesmitteln an das Grenzmauerprojekt gestatten. Der Vorgang, mit dem die Regierung in ihrem Vorhaben ausgebremst werden soll, verläuft meist gleich:

Ein eher liberales Gericht auf einer untergeordneten judikativen Ebene blockiert den Mauerbau, der Fall wandert hoch bis zum nun mehrheitlich konservativen Obersten Gerichtshof und dort bekommt die Regierung Recht. Als Erfolg dieser Verzögerungstaktik kann gewertet werden, dass die Arbeiten an der Grenzmauer bisher kaum über Erneuerungen und Aufrüstungen an bereits existierenden Grenzzäunen hinausgekommen sind.

Nichtsdestotrotz zeigen die Daten der US-Grenzschutzbehörde eine interessante Entwicklung: So ist die Zahl der an der Südgrenze aufgegriffenen illegalen Einwanderer im Vergleich zu ihrem Höchststand im Mai 2019 bis jetzt um 70 Prozent gefallen. Ein möglicher Grund dafür könnten die Abkommen sein, die die Trump-Regierung unter Zuhilfenahme wirtschaftlichen Drucks mit Mexiko und anderen mittelamerikanischen Staaten ausgehandelt hat, um die Durchreise von Migranten zur US-Grenze zu verhindern. 2020 wird Aufschluss über die Nachhaltigkeit dieser Abkommen liefern – und darüber, wie eine faktisch geringere illegale Einwanderung ohne Grenzmauer im Wahlkampf jeweils als Niederlage und als Erfolg Trumps vermarktet werden wird.

Außenpolitik:

Unter Trump wird die US-Außenpolitik 2020 ihren Gleichklang mit der Wirtschafts- und Handelspolitik der Nation beibehalten. Dies liegt zum einen daran, dass Trump die Auffassung vertritt, die Außenpolitik der USA solle im Dienst der wirtschaftlichen Interessen des Landes stehen. Zum anderen sucht Trump militärisches Engagement der USA zu vermeiden, wobei ihm entgegenkommt, dass ein Handelskrieg günstiger, weniger blutig und fast so effektiv wie ein echter Krieg ist, um einem gegnerischen Land zu schaden.

Mit Blick auf den Iran und China ist der Schaden jedenfalls angerichtet worden, da Währung und Wirtschaft des Iran nah am Kollaps stehen und das chinesische Wirtschaftswachstum auf die geringste Rate der letzten 27 Jahre gefallen ist. Tonfall und Aggressivität der US-Außenpolitik in 2020 werden deshalb davon abhängen, ob die US-Wirtschaft auf einem Wachstumspfad verweilen kann, während Iran und China weiter unter Druck stehen werden. Das massenhafte Erscheinen der US-amerikanischen Flagge inmitten der Hongkong-Proteste zeigt zumindest, dass die USA aller europäischer Unkenrufe zum Trotz immer noch als Hoffnungsträger für demokratische Bewegungen wahrgenommen werden. Gleichzeitig müssen sich die stets um hohe moralische Standards bemühten Europäer die Frage gefallen lassen, ob der US-Präsident angesichts von Berichten über 1500 Tote im Iran in Folge der Proteste gegen das Regime und Hunderttausender Gefangener in chinesischen Lagern mit seiner harten Linie gegenüber den Regierungen dieser Länder wirklich so irrlichtet wie sie es gern glauben.

Außerdem müssen sich die Europäer endlich darauf einstellen, dass das Engagement der USA im Nahen Osten auch 2020 nicht an europäischen Interessen ausgerichtet sein wird. Damit ist gemeint, dass die USA nicht gewillt sein werden, durch ihre Präsenz Problemen vorzubeugen, deren Folgen vorwiegend oder ausschließlich die Europäer zu tragen hätten. Zu diesen Problemen zählt der Migrationsdruck über die Türkei, der gerade durch Militäraktionen Russlands und des Assad-Regimes neuen Zulauf aus Syrien erfährt, sowie die über Libyen verlaufenden Migrationsströme, die durch das angekündigte Engagement der Türkei in 2020 unter völlig neuen Vorzeichen stehen könnten. Man mag die Annahme, dass aus europäischen Problemen mittelfristig nicht auch amerikanische Probleme erwachsen werden, durchaus zurecht für kurzsichtig halten, aber davon werden die Europäer Trump im neuen Jahr erst noch überzeugen müssen.

Politische Kultur:

Unstrittig ist, dass 2019 in neue Dimensionen der Empörungskultur auf allen Seiten des politischen Spektrums vorgestoßen ist. Es entsteht sogar oft der Eindruck, dass übertrieben absurde oder radikale Meinungen und Forderungen nur deshalb medial mit großer Reichweite verbreitet werden, um auf der angegriffenen Gegenseite einen Schwall aus Empörung, Entsetzen und anderen negativen Emotionen zu provozieren. Die US-basierten Medien und „Influencer“ sind Vorreiter dieser Entwicklung gewesen und werden es zumindest bis zur Präsidentschaftswahl im November 2020 auch bleiben. Da werden alte Fotos genutzt, um zur Weihnachtszeit die Empörung über Trumps Einwanderungspolitik neu anzufachen, während der Präsident nicht davor zurückschreckt, seine gegenwärtige Hauptwidersacherin in jeder Twitter-Botschaft als „verrückt“ zu bezeichnen. Die Vorstellung, es ginge in der politischen Öffentlichkeit um die sachliche Präsentation und rationale Abwägung unterschiedlicher Ideen und Konzepte, hat daher ausgedient.

Stattdessen wäre es eine wünschenswerte und hilfreiche Entwicklung für 2020, wenn mehr politisch interessierte Mitmenschen realisieren würden, dass es nun darum geht, zu beeinflussen, wie sie sich mit Bezug auf Politik fühlen. Die Tricks und Kniffe, die eingesetzt werden, um die Emotionen der Massen zu manipulieren, sind immer noch relativ simpel. Neu sind allerdings die Penetranz und Intensität dieser Botschaften, welche die Adressaten an jedem Ort zu jeder Zeit durch ihr Smartphone erreichen.

Nicht ohne Grund berichten internetaffine Mitmenschen von Ermüdungserscheinungen dieser emotionalen Achterbahnfahrten und müssen „Social-Media-Pausen“ einlegen. Zur Behandlung der Symptome ist dies ein guter Schritt. Einen neuen Reiz für die Beobachtung des politischen Geschehens schafft jedoch erst die Kultivierung eines Bewusstseins dafür, wie wir durch die Rezeption und Interaktion mit Nachrichten, Tweets und dergleichen auf emotionaler Ebene beeinflusst werden – ein gesunder politischer Vorsatz für 2020 sowohl in den USA als auch in unserem Land.

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