Joe Biden und Donald Trump - Ohne Pennsylvania kein Weißes Haus

Diese Woche zog der US-Wahlkampftross an einen Ort, der im November mitentscheidend sein könnte: In Pennsylvania ließ sich erst Donald Trump bei einem Bürgerforum ausfragen, dann war Joe Biden dran. Was macht den Bundesstaat im Rennen um das Weiße Haus so besonders?

Joe Biden in Harrisburg, Pennsylvania, USA / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

So erreichen Sie Daniel C. Schmidt:

Anzeige

Eigentlich schwer zu glauben, dass es in Amerika noch Bürger geben soll, die unentschlossen sind, wenn es um den Präsidenten geht. Wer, bitte, hat sich nach dreieinhalb Jahren im Amt und fünf Jahre nach Bekanntgabe seiner Kandidatur noch keine endgültige Meinung zu Donald Trump gebildet?

Der Nachrichtensender ABC News hatte jedenfalls nach eigenen Angaben am Dienstagabend in Pennsylvania Wähler zu einem Bürgerforum versammelt, die noch nicht wissen, wen sie am 3. November wählen sollen. Um ihnen ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, war neben diesen Unentschlossenen auch ein gewisser Donald Trump eingeladen. 

Pandemie als Entscheidungshelfer

„Ich hatte das Gefühl, dass Sie einen guten Job mit der Antwort auf die Pandemie machen, ungefähr bis zum 1. Mai, dann haben Sie den Fuß vom Gaspedal genommen“, sagte Paul Tubiana, der Trump 2016 seine Stimme gab und an diesem Abend die erste Frage an den Präsidenten stellen durfte. Tubiana hat Diabetes, wie er erzählte. „Warum haben Sie Risikopatienten wie mich im Stich gelassen seitdem?“

„Das haben wir nicht wirklich, Paul. Wir haben sehr hart gearbeitet, die Pandemie einzudämmen“, sagte Trump. 

Warum er nicht öfter Maske trage, wollte eine Zuschauerin wissen, und wieso er die Pandemie weiterhin herunterspiele, fragte ein anderer Zuschauer. 

Keine zufriedenstellende Ausrede

Wenn man den Abend als vorsichtigen Maßstab nimmt, dürfte klar sein, dass die Antwort der Regierung auf das Coronavirus weiter von größter Bedeutung für die Wähler und Wählerinnen ist – und dass Trump hier immer noch Probleme hat, eine Erzählung anzubieten, die zufriedenstellend wirkt.

Nach sechs Monaten und fast 200.000 Todesopfern wird es für ihn langsam Zeit, hier ein passendes Narrativ zu finden, wenn er einen Bundesstaat wie Pennsylvania für sich gewinnen will, der den Umfragen nach momentan eher in Richtung Joe Biden tendiert. Trumps Demokratischer Kontrahent liegt hier irgendwo zwischen drei und neun Prozentpunkten vorn. 

Trump konnte den Rostgürtel 2016 überzeugen

Weil die Präsidentschaftswahl in den USA kein auch immer ein Rechenspiel ist, führt auf dem Weg ins Weiße Haus praktisch kein Weg an Pennsylvania vorbei. Unter den umkämpften Staaten im sogenannten „rust belt“ der USA, der industriellen Wiege des Landes, gibt es hier die meisten Wahlmännerstimmen zu holen: 20 in Pennsylvania, 18 in Ohio, 16 in Michigan, 10 in Wisconsin. 

Wer von den beiden Kandidaten am Ende auf mindestens 270 Stimmen kommt, ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit der nächste Präsident der USA. 

In diesen Staaten hat Donald Trump 2016 seine Wahlkampfstrategie voll ausfahren können: Er musste niemanden etwas beweisen, keine Resultate vorlegen, bloß mit dem Finger auf die vermeintlichen Missstände zeigen – das nordamerikanische Freihandelsabkommen und billige Importe aus Übersee statt amerikanischer Produktion; unnötige Regeln und Vorschriften, die Unternehmen (im Namen der Umwelt) bremsen; Arbeiter, deren Sorgen und Nöte man vergessen hatte. 

Trump malte damals das Bild von einem kleinen, verunsicherten Amerika, das weit hinter seinen Möglichkeiten operierte. In diesem Teil des Landes waren die USA einst das stolze Zuhause von großen Unternehmen und Herstellern: Kohle, Stahl, Autos, all das befeuerte die Industrialisierung. Über weite Teile des 20. Jahrhunderts war die Region dann auch Demokratisch geprägt, dank des starken Einflusses der Gewerkschaften. Weiße Arbeiter gehörten zum Stammklientel. Nach 1988 konnte kein Republikanischer Kandidat mehr in Michigan, Wisconsin oder Pennsylvania gewinnen – bis Donald Trump aufkreuzte und alle drei Staaten für sich entschied. Wenn auch nur hauchdünn. 

Bidens Heimvorteil?

In Pennsylvania hatte er 0,7 Prozent Vorsprung vor Hillary Clinton. Jetzt liegt er in Umfragen hinter Joe Biden, der dort geboren wurde. Er hat sein Wahlkampfhauptquartier hierhin verlegt – wohlwissend, wie wichtig der Bundesstaat für ihn werden wird. 

Am Donnerstagabend, zwei Tage nach Trump, verließ er mal wieder sein Kellerstudio in seinem Haus in Delaware und stellte sich ebenfalls Fragen von potentiellen Wählern. In Moosic, unweit von seinem Geburtsort Scranton, wurde er zu allen möglichen Themen befragt, von Polizeigewalt über Rassismus bis hin zur Gesundheitspolitik. Auf geschickte Art und Weise lenkte er dabei nicht allzu selten den Fokus auf Trump. 

„Ihr habt Eure Freiheiten aufgeben müssen, weil er nichts unternommen hat“, sagte Biden vor dem Publikum, das sich auf einem Parkplatz wie im Autokino versammelt hatte und in den PKWs über das Radio zuhörte. „Ich bin nicht Präsident. Das hier ist Donald Trumps Amerika. Fühlt Ihr Euch sicherer in Donald Trumps Amerika?“

Erbe vs. Arbeiterkind

In Umfragen wird Trump im Vergleich zu Biden immer noch eine höhere Wirtschaftskompetenz ausgestellt. Wenn Biden eine Chance hatte, sich an die Leute heranzuschmeißen, dann hier. Und so wies er wieder und wieder auf seine einfach Arbeiterklassen-Herkunft hin, betonte mehrmals, keinen Abschluss von einer Ivy-League-Universität zu besitzen. 

„Wir sind nicht besser oder schlechter als jeder andere“, sagte Biden. „Typen wie Trump, die alles geerbt haben und das, was sie geerbt haben, verprasst haben, das sind die Leute, mit denen ich schon immer ein Problem hatte, nicht mit denen, die sich den Rücken krumm machen.“

Noch sie es aus, als ob eine kleine Mehrheit der Bürger in Pennsylvania daran glaubt, dass sich dieses Mal Biden eher für sie verbiegt als Trump. 

Immernoch (nur) Wahrscheinlichkeitsrechnung

Die Wahrscheinlichkeitsanalysten des Umfrage-Blogs FiveThirtyEight haben kürzlich ein Wahlmodell erstellt, wonach Trump eine 84-prozentige Chance hat, wiedergewählt zu werden, sollte er Pennsylvania für sich entscheiden. Gewinnt allerdings Biden dort, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Herausforderer ins Weiße Haus einzieht, auf 96 Prozent. 

Natürlich haben die prozentualen Wahrscheinlichkeitsvorhersagen uns alle schon mal (will sagen: vor vier Jahren) übel mitgespielt. Noch ist alles drin, scheinbar. Obwohl die Zeit davonrennt, vor allem Trump: In weniger als 50 Tagen wird gewählt. 

Am Freitagabend hat der Präsident den nächsten Wahlkampftermin. In Pennsylvania.
 

Anzeige