Wer sind die Menschen, die das Kapitol stürmten? - Schuld ist immer die Antifa

Der typische Hardcore-Trump-Fan ist männlich, weiß und wütend – und er hängt rechten Verschwörungsmythen an. In den sozialen Medien aber kursiert das Gerücht, die Antifa hätte den Sturm aufs Kapitol angezettelt. Fakt oder Fake?

Männlich, wütend, weiß: Trump-Anhänger machen mobil vor dem Kapitol / dpa
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Wer sind die Menschen, die am Mittwoch ins Kapitol in Washington eingedrungen sind, um Kongressabgeordnete daran zu hindern, die Wahl Joes Bidens zum neuen US-Präsidenten formell zu bestätigen? Diese Frage beschäftigt die Medien, seit die ultra-konservative Washington Times auf Facebook das Gerücht gestreut hat, zwei Antifa-Aktivisten hätten den Sturm aufs Parlament angezettelt. 

Der ARD-Faktenfinder Patrick Gensing hat die zitierten Quellen und Fotos gecheckt. Ergebnis: Die beiden beschuldigten Männer können nicht identifiziert werden, weil es mehrere vermeintliche Belege gibt, die immer vollkommen unterschiedliche Personen zeigen, oder weil es sich um Fotos oder Videos von anderen Ereignissen handelt. „Vor dem Kapitol waren stattdessen Personen mit neonazistischen Parolen („Camp Auschwitz“) und Trump-Fahnen zu sehen. Nichts deutet darauf hin, dass es sich nicht um radikale Trump-Anhänger handelte. Reporter vor Ort beschrieben die Menge als Trump-Anhänger, viele trugen Zeichen der „QAnon“-Bewegung.“  

Rechte Ablenkungsmanöver 

Falsche Fotos, unbelegte Behauptungen. Es ist nicht das erste Mal, dass die Antifa als Zielscheibe für ein Ablenkungsmanöver herhalten muss. Angebliche Bekennerschreiben, Fake-Fotos und gefälschte Konten in sozialen Netzwerken gehören schon zum Standard-Repertoire rechter Desinformationskampagnen – auch in Deutschland. 

Auch nach dem „Sturm“ auf die Treppen vor dem Berliner Reichstagsgebäude und bei den Protesten in Chemnitz im August 2018 wurde im Nachhinein behauptet, die Antifa hätte die Proteste angefeuert, um rechtsextreme Demonstranten zu diskreditieren. Ein Video der Antifa „Zeckenbiss“, das eine Verfolgung junger Migranten durch Skinheads dokumentierte („Hase Du bleibst hier!“), kostete den damaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen das Amt. 

Ironie des Schicksals: In Chemnitz wurde neben mehreren Neonazis tatsächlich auch ein 33-jähriger Sympathisant der Antifa zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er den Hitlergruß gezeigt hatte – allerdings nur zur Bewährung. Die Richterin wertete es als mildernden Umstand, dass der Mann am Tatabend zwei Promille Alkohol im Blut hatte. 

Twitter und Facebook haben schon reagiert 

In den USA förderte US-Präsident Trump die Verleumdung der Antifa durch unbelegte Beschuldigungen und die Ankündigung, nach den Black-Lives-Matter-Protesten, die „Antifa“ als Terroristische Vereinigung einzustufen – was rechtlich gar nicht möglich ist, da die extreme Linke anders als in Deutschland nicht einheitlich organisiert ist. 

Das Muster dieser Ablenkungskampagnen ist also nicht neu. Es ist der Versuch, sich der Verantwortung zu entziehen, wenn rechtsextreme Aktionen von der Öffentlichkeit verurteilt werden. Dass der Hashtag #Antifa in den USA nicht noch stärker trendete, führt der Faktenfinder auf die Sanktionen der Netzbetreiber zurück. Sowohl Facebook als auch Twitter sperrten schon im Juli 350 Konten der „Proudboys“, einer Organisation männlicher Rechtsextremer, die bedingungslos hinter US-Präsident Donald Trump stehen und der Verschwörungstheorie anhängen, dass weiße Männer in der der westlichen Kultur von der Auslöschung bedroht sind.

Die Hardcore-Trumpisten sind jetzt auf alternative Plattformen wie Telegram oder Parler ausgewichen. Dort könnten sie sich künftig vielleicht auch mit ihrem Idol vernetzen. Wegen Verstößen gegen die Richtlinien haben sowohl Twitter als auch Facebook Trumps Konten vorübergehend gesperrt. 

Den vollständigen Bericht des Faktenfinders lesen Sie hier. 

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