Trump gegen Clinton - „Jetzt hat er seinen letzten Wähler verprellt“

Das erste Fernsehduell zwischen den Präsidentschaftskandidaten in den USA konnte Hillary Clinton für sich entscheiden. Ihr Kontrahent Donald Trump verstrickte sich in Widersprüche und haltlose Spekulationen. Eva C. Schweitzer hat den Abend in New York miterlebt

Hillary Clinton zeigte sich bei dem TV-Duell angriffslustiger als sonst / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Was ist Donald Trumps größte Stärke? „Mein Temperament.“ Und warum ist er so schlau? „Weil ich keine Steuern bezahle.“ Hat er als Geschäftsmann Auftragnehmer übers Ohr gehauen? „Wahrscheinlich haben die schlechte Arbeit abgeliefert.“ Dann verteidigt seine Sprüche zur Immobilienkrise von 2008. „Geschäft ist eben Geschäft.“ Er wird immer bizarrer.

Donald Trump und Hillary Clinton, die Debatte aus der Hofstra University, kommt über Amerika wie eine Mischung aus römischem Zirkus und Superbowl. Auf allen Sendeanstalten wird sie live übertragen. Dabei blieb uns das trashigste erspart: Ursprünglich wollte Trump Gennifer Flowers in der ersten Reihe platzieren, die Ex-Geliebte von Bill Clinton. Das klappte irgendwie nicht. Doch es bremste die Welle von Publicity im Vorfeld keineswegs, die zum Gutteil Meta ist: Sollen Journalisten die Argumente der Kandidaten einem Faktencheck unterziehen? Oder ist das der Job des Kontrahenten? Schließlich erklärt Bloomberg, der Wirtschaftsender, man werde während der Debatte live factchecken. Nun zieht die New York Times nach, und die Twittersphere explodiert sowieso.

Das ultimative Fernseherlebnis

In den Stunden vor dem Duell scheint ganz New York nervös. Immerhin, beide Kandidaten sind New Yorker. Das gab es schon lange nicht mehr. Auf dem Times Square schimmern ihre riesigen Gesichter über die Menge. Im Hofbräuhaus an der Third Avenue läuft CNN, die Moderatoren beplaudern leere Stuhlreihen in gespannter Erwartung. Hier sind Trump-Fans, die aber nicht darüber reden wollen. Bei Rudy‘s, einer traditionellen Säuferkneipe im Viertel Hell‘s Kitchen, wird das Baseballspiel abgeschaltet, als die Kandidaten auftreten. Das eher linke Publikum buht Trumps Sprüche aus und beklatscht Clintons elegante Konter. Den ersten Kneipenbeifall bekommt sie, als sie sagt, „Donald, du lebst in deiner eigenen Realität“. Er nennt sie Secretary, nach ihrer letzten Position als Außenministerin, sie nennt ihn Donald. Sie lächelt, und ihre Stimme ist in der richtigen Tonlage. Nie schrill, nie aufgeregt. Er versucht immer wieder, sie zu unterbrechen, aber sie plaudert lächelnd darüber hinweg.

Natürlich guckt nicht nur New York, sondern ganz Amerika. Kalifornien. Texas. Und die Welt. Freunde bestätigen sich gegenseitig auf Facebook, wie gut Clinton sich hält. Einer postet aus Australien, eine andere aus Hanoi. Ein paar späte Deutsche schlagen sich auf die Seite der Demokratin. Es ist das ultimative Fernseherlebnis.

„Wir können nicht der Weltpolizist sein“

Clinton bleibt die Stärkere. Am Anfang sammelt Trump noch ein paar Punkte. Er beschwert sich über das Freihandelsabkommen Nafta, die Chinesen und die Mexikaner, die Amerika ausnutzten. Das ist an die Swing States im Rust Belt gerichtet, die früheren Industriestaaten, in denen die Wahl entschieden wird. Dann räumt er den Globus auf. Er schimpft über die Deutschen und die Japaner, die sich von Amerika ihre Sicherheit finanzieren ließen. „Wir können nicht der Weltpolizist sein.“ Und die Iraner, mit denen hätte Obama einen ganz schlechten Deal geschlossen, darüber sei auch Israels Präsident Bibi Netanyahu unglücklich, der sei kein „happy camper“. Und dann der Irakkrieg: Erst war Trump angeblich dagegen, dann wollte er die Truppen doch lieber nicht aus dem Irak abziehen, und vor allem wollte er das Öl mitnehmen.

Clinton fährt ihm in allen Punkten in die Parade. Außenpolitik ist ihre Stärke. Aber Amerikaner interessieren sich mehr für Innenpolitik. Der Moderator, Lester Holt vom Fernseh-Sender NBC, fragt Trump nun nach den schwierigen Rassenbeziehungen. Clinton hat die Schwarzen hinter sich, und die Hispanics. Trump tritt die Flucht nach vorne an. Er spricht von „Law and Order“, auch von „Stop and Frisk “, wie es Rudy Giuliani, der Ex-Bürgermeister von New York vorgemacht habe, wo die Polizei junge schwarze und hispanische Männer auf Verdacht durchsuchte (inzwischen wurde das gerichtlich untersagt). Das müsse auch in Chicago passieren, wo es Tausende von Toten gebe. „Wir müssen den bösen Menschen die Gewehre wegnehmen“, sagt Trump, nur um im nächsten Satz zu betonen, die US-Waffenlobby NRA sei „großartig“.

Clinton in der Offensive

Clintons Schwäche war bisher, dass sie wenig Programm geboten und ihre Zeit bisher hauptsächlich damit verbracht hat, Attacken von Trump abzuwehren, statt eigene Ideen vorzustellen. Nun, beim TV-Duell, greift sie an, er wehrt ab. „Ein Mann, der seine Tweets nicht unter Kontrolle hat, sollte nicht in der Nähe von Nuklearwaffen sein“, ist einer der Clinton-Sprüche, den sie garantiert vorher auswendig gelernt hat. Ein Programm hat sie immer noch nicht, aber es fällt viel weniger auf.

Trump verstrickt sich in Nebenkriegsschauplätze und Widersprüche. Erst Clintons verlorene Emails, dann seine Steuererklärung, die er immer noch nicht vorgelegt hat, weil sie angeblich dauernd bei der Steuerprüfung sei. Mal streitet er Dinge ab, die er nachweislich gesagt hat, mal gibt er sie schulterzuckend zu. Etwa die Aussage, dass die Chinesen den Klimawandel erfunden hätten, um die Amerikaner zu ärgern. Oder dass er behauptet hatte, Obama sei nicht in Amerika geboren. Und ja, er habe die Schauspielerin Rosie O‘Donnell eine „fette Schlampe“ genannt. Aber die könne sowieso keiner leiden. Dann fragt er, ob hinter dem Hackerangriff auf die Demokraten vom Frühsommer nicht irgendein „400-Pfund-Mann aus Amerika“ stecke. „Jetzt hat er seinen letzten Wähler verprellt“, ist daraufhin auf Twitter zu lesen.

Trump „eitel“, Clinton „langweilig“

Die Debatte ist zu Ende. Der einzige Trump-Fan bei Rudy‘s, erkennbar an der roten „Make America Great Again“-Mütze, erleidet einen Schwächeanfall. Ein Krankenwagen wird geholt. Draußen interviewt ein Internetpionier von einer belgischen Videowebsite Passantinnen über ihre Meinung zu Clinton. Die Late-Night-Shows von Stephen Colbert und Seth Meyers, die sonst aufgezeichnet werden, laufen heute live. Das gab es praktisch noch nie.

100 Millionen Menschen haben die Debatte gesehen. Trump bekommt keine guten Kritiken. John Podhoretz nennt Clinton in Rupert Murdochs Revolverblatt New York Post „gut vorbereitet“, wenngleich „langweilig“. Trump sei aufregend gewesen, aber nachgerade peinlich undiszipliniert, eitel und faul.

Als ich zuhause ankomme, erwarten mich 20 E-Mails. Alle von Donald Trump. Darin erklärt er mir, dass er die Debatte gewonnen habe, auf allen Ebenen. Mal schauen, ob die Wähler das im November auch so sehen.

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