Syrien-Vorstoß von AKK - Das falsche Spielfeld

In der Frage „Sicherheitszone für Nordsyrien“ haben alle versagt: der Außenminister, die Verteidigungsministerin und die Kanzlerin. Deutschland, das eine europäische Führungsrolle bei der Lösung des Nahost-Konfliktes übernehmen wollte, macht sich stattdessen zum Gespött

Saarländisches Format: Kramp-Karrenbauer und Maas 2012 als Koalitionspartner im Saarbrücken / picture alliance
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Das Desaster war programmiert. Als Annegret Kramp-Karrenbauer vor nunmehr einer Woche ihre Idee einer Schutzzone für Nord-Syrien über die Medien lancierte, informierte sie Außenminister Heiko Maas vorab mit einer SMS, die aber nichts über den Inhalt ihres Plans verriet.  

Das einzige, was an der Idee klar war: Diesen Punkt wollte AKK für sich haben und nicht mit Maas teilen. Mit der Forderung einer Schutzzone wollte sie endlich mal die positiven Schlagzeilen produzieren, die sie seit einem Jahr so dringend braucht. Vermutlich hat ihr engster Beraterkreis ihr den Floh ins Ohr gesetzt, so vorzugehen. Aber AKK hat sich im Spielfeld geirrt: Der Norden Syriens ist nicht das Saarland. Wo es um Menschenleben geht, um geopolitische Interessen, herrschen ganz andere Spielregeln.

Der türkische Außenminister biegt sich vor Lachen

Und doch bekam sie zunächst vorsichtigen Zuspruch, etwa von Wolfgang Ischinger, dem Vorsitzenden der Münchener Sicherheitskonferenz, der sich seit jeher ein selbstbewussteres internationales Auftreten Deutschlands wünscht, oder auch von dem ehemaligen NATO-General Harald Kujat. Tenor: Idee unausgegoren, aber Initiative richtig. 

Doch den Eindruck, dass es den deutschen Ministern wirklich um die Zukunft der Menschen in Nord-Syrien geht, widerlegte bald auch Außenminister Heiko Maas, ebenfalls Saarländer, eindrucksvoll. Klar, er hatte allen Grund, sauer auf die Ministerkollegin zu sein. Aber er entblödete sich nicht, nach Ankara zu fahren und von dort aus, gefragt nach AKKs Vorschlag, süffisant zu bemerken: „Überall wird eigentlich gesagt, das sei kein realistischer Vorschlag, entsprechend haben wir uns nicht großartig damit beschäftigt.“ Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, neben Maas am Rednerpult, bekam sich kaum mehr ein vor Lachen und kommentierte: „Wir sehen, dass Deutschland sich hier erst einmal innenpolitisch abstimmen sollte.“

Deutschland braucht Staatsmänner

Was wie ein Erfolg für Maas und eine Niederlage für AKK aussieht, ist in Wirklichkeit etwas anderes: eine Blamage für Deutschland. Zumindest in den Augen all jener, die Deutschland als europäische Führungsmacht sehen wollen, als ein Land, das seine außenpolitische Beobachterrolle verlässt und in Räumen vor der Haustür der EU, aus denen die USA sich zurückziehen, gemeinsam mit den europäischen Partnern Verantwortung übernimmt. 

Verantwortung, das ist ein Schlüsselbegriff in dieser Posse. AKK ist verantwortlich für das Leben deutscher Soldaten und im Zweifelsfall auch für das Leben ausländischer Zivilisten, Maas für das außenpolitische Ansehen Deutschlands. Aber beide haben jegliches Verantwortungsgefühl vermissen lassen. Ihr Agieren erinnert an saarländische Provinzpossen. Wer aber deutscher Minister ist, sollte das Format eines Staatsmanns haben.

...und wo ist eigentlich Angela Merkel?

Auch Angela Merkel wurde ihrer Verantwortung nicht gerecht. Sie hätte nach dem Vorstoß ihrer Verteidigungsministerin Maas und AKK zusammenbringen und klarmachen müssen, dass die Sache zu ernst ist, um damit innenpolitische Machtspiele zu betreiben. Die Aussage, dort Schutzzonen einzurichten, sei „sehr vielversprechend, auch wenn noch viele Fragen offen sind“, war alles, was von ihr zu hören war – und auch das nur kolportiert aus einer Fraktionssitzung der Union. Angela Merkel ist Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und Chefin dieser Koalition. Sie muss den Laden zusammenhalten, sie muss öffentlich sagen, wohin der Hase läuft. Wenn sie das nicht will oder kann, sollte sie abdanken.

Wie man auf dem geopolitischen Spielfeld auftritt, das zeigte dieser Tage übrigens der russische Präsident Wladimir Putin. Während sich die deutschen Minister zankten wie zwei Kinder im Sandkasten, während die Mutter zum Rauchen um die Ecke gegangen ist, lud Putin den türkischen Präsidenten Erdogan nach Sotschi ein und schuf Fakten. Putin ist kein Friedensengel, in Syrien hat er das Blut tausender Zivilisten an seinen Händen. Aber sein Handeln hat die türkische Offensive weitgehend beendet, wenn auch zu einem hohen Preis für die Kurden.

„Deutschland ist sehr gut. In Rhetorik“, hat der Botschafter eines europäischen Landes in leicht verzweifeltem Ton vor ein paar Wochen zu mir gesagt. Mit diesem Personal wird sich daran so bald nichts ändern.
 

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