Streit um Jerusalem - Mekka ist das neue Rom

Kisslers Konter: Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, offenbart eine doppelte Entfremdung. Sowohl die Bundeskanzlerin als auch Papst Franziskus sehen sich nicht mehr als Sachwalter israelischer Interessen. Für die Juden in Deutschland ist das keine gute Nachricht

Durch das neue Einvernehmen mit der muslimischen Welt werden die Juden zur geostrategisch vernachlässigbaren Größe / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Auf zwei internationale Partner konnte sich Israel in den vergangenen Jahrzehnten verlassen: auf die Bundesrepublik Deutschland und den Vatikan. Diese Zeit hat ein Ende. Papst Franziskus zeigt sich lieber als Freund der Araber und Muslime, denn als Freund der Juden. Für die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel gilt dasselbe. Während der SPD-Mann gern den inoffiziellen Handelsvertreter der antiisraelischen iranischen Regierung gibt, hat die CDU-Vorsitzende die für unverbrüchlich gehaltene Solidarität mit Israel aufgeweicht. Wie konnte es soweit kommen?

Dass die Entscheidung des US-Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, in der muslimischen Welt auf wütende Ablehnung stoßen würde, war zu erwarten. Prompt werden „Tage des Zorns“ und eine neue Intifada angekündigt, Donald Trump habe die „Tore der Hölle“ geöffnet – gaben Hamas und Fatah, die Israel bekanntlich generell den Tod wünschen, zu Protokoll. Historisch richtig bleibt die Entscheidung dennoch.

Friedensprozess in der Sackgasse

Jerusalem ist seit mehr als 3000 Jahren die Kapitale des Judentums, wird vielhundertfach in der Thora erwähnt, kein einziges Mal im Koran. Und wer sich in seinem politischen Handeln von terroristischen Drohungen beeinflussen lässt, hat das Heft des Handelns bereits in die Hände der Gewalttäter gegeben. Zu Recht wies der Jurist und Publizist Alan Dershowitz auf diesen Zusammenhang hin.

Dennoch macht Gabriel sich zum Sachwalter „palästinensischer Interessen“ und befürchtet Eskalationen in Nahost. Wenn es aber zu solchen kommen sollte, zeigte dies einmal mehr, dass „palästinensische Interessen“ offenbar nur mit Gewalt, Hass und Tod ausgedrückt werden können. Vor allem aus diesem Grund ist der sogenannte Friedensprozess in einer Sackgasse gelandet. Wie kann er je zu einem gedeihlichen Ende kommen, wenn die eine Seite die Vernichtung der anderen anstrebt?

Merkel und Franziskus brechen mit Tradition

Angela Merkel, Trägerin des Leo-Baeck-Preises 2007, hat derweil erklären lassen, die Bundesregierung unterstütze Trumps „Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung auszuhandeln ist“. Was Trump freilich gar nicht präjudiziert wissen will. Kein Wort aus Merkels Mund, dass Israels Bevölkerung den Schritt mehrheitlich begrüßt, kein Wort zur Dankesadresse des israelischen Ministerpräsidenten an Trump. So wie es zuvor kein klares Wort der Kanzlerin gab zum wachsenden muslimischen Antisemitismus in Deutschland, einer Folge der von Merkel vorangetriebenen Flüchtlingspolitik. Wenn seit April 2016 unverändert rund 15.000 Migranten monatlich nach Deutschland gelangen, mehrheitlich Muslime, wächst dadurch auch der Antisemitismus in Deutschland. Dass man in Bochum oder Berlin-Neukölln als Jude keine Kippa mehr tragen soll, hängt nicht mit  – unverändert vorhandenem – rechtsextremen, sondern mit muslimischem Judenhass zusammen. Merkel nimmt es in Kauf.

Papst Franziskus hat sich derweil von der „Theologie des Einen Bundes“ verabschiedet, die für seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. unhintergehbar war. Das Bewusstsein, vielleicht auch das Wissen um den einzigartigen Stamm, aus dem Judentum und Christentum gemeinsam hervorgingen, fehlt dem Argentinier. Wojtyla und Ratzinger sahen in den Juden „unsere älteren Brüder“ beziehungsweise „unsere Väter im Glauben“. Bergoglio denkt auch hier säkular und politisch und will die wachsende muslimische Welt durch Umarmungsgesten pazifizieren. Sein gänzlich untheologisches Plädoyer, in Jerusalem alles beim Alten zu lassen, trägt den Reizbarkeiten der Palästinenser Rechnung.

Eine Machtverschiebung findet statt

Die hemdsärmelige Interessenspolitik, die mit Trump zurückgekehrt ist, feiert also auch auf dem alten Kontinent eine Renaissance, verschoben und verdruckst, doch nicht minder konfliktfreudig. Trump will die Treue zu Israel festigen. Merkel, Gabriel, Bergoglio ist es um ein neues Einvernehmen mit der muslimischen Welt zu tun. Die Juden wurden vom Nukleus des westlichen Projekts, das letztlich am Sinai seinen Ausgang nahm, zur geostrategisch vernachlässigbaren Größe. Die Macht, geben Rom und Berlin zu verstehen, ist künftig eher mit Mekka als mit Jerusalem. Die Zukunft wird zeigen, wer klüger gehandelt hat.

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