Stephen Bannon - Der Chef-Revolutionär

Donald Trumps oberster politischer Stratege Stephen Bannon sieht den Westen im Niedergang, kritisiert den degenerierten Kapitalismus – und predigt die starke Nation

Erschienen in Ausgabe
Stephen Bannon ist Nationalist, Revolutionär, Globalisierungsgegner und Kapitalismuskritiker / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Stephen Bannon mit einer Donald-Trump-Handpuppe, die eifrig präsidentielle Dekrete unterschreibt; Stephen Bannon als Hate Whisperer am Ohr des neuen Präsidenten; Stephen Bannon als wiedergeborener Rasputin im Weißen Haus. Man kann nicht behaupten, dass Trumps politischer Chefstratege die Cartoonisten der Weltpresse uninspiriert ließe – oder seine politischen Gegner ruhig Blut bewahren. Der frühere US-Arbeitsminister Robert Reich nannte Bannon „verrückt und bösartig“, die ehemalige Beraterin für Nationale Sicherheit, Susan Rice, bezeichnete Bannons Berufung in den National Security Council als „komplett verrückt“. Und John McCain, Senator aus Arizona und einst Präsidentschaftskandidat der Republikaner, bewertet Bannons Mitgliedschaft im Nationalen Sicherheitsrat als einen „radikalen Bruch“ mit der Geschichte dieses Gremiums.

Stephen Bannon, der wenig Wert auf Äußerlichkeiten legt und am liebsten in einer alten Barbour-Jacke herumläuft, dürften solche Zuschreibungen nicht beunruhigen. Denn der 63-Jährige sieht sich als Vorkämpfer in einem Krieg mit globalen Ausmaßen – gegen Wirtschafts- und Finanzeliten, gegen das politische Establishment, gegen den liberalen Zeitgeist, gegen die Linke, gegen den Islam. Überhaupt gegen das „System“. Wer derart verbissen an vorderster Front kämpft, dem dienen Beschimpfungen aus dem Feindeslager allenfalls als Bestätigung für den eigenen Kurs. Und der lautet bei Bannon „Revolution“. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass es ihm damit ernst ist.

Der Spin Doctor

Bannon ist das dritte von fünf Kindern eines eher links gesinnten Elternhauses aus Norfolk, Virginia. Er diente bei der Navy – nach Aussage eines ehemaligen Kameraden, weil sich das für eine spätere politische Karriere als nützlich erweisen würde. Stephen Bannon studierte Internationale Beziehungen in Georgetown, besuchte dann die Harvard Business School und verbrachte sechs Jahre bei der Investmentbank Goldman Sachs. Anfang der Neunziger machte er sich selbstständig, seine Firma investierte in Hollywoods Filmindustrie. Nachdem Bannon & Co. 1998 von der französischen Société Générale aufgekauft worden war, produzierte er auch eigene Filme – darunter einen über Ronald Rea­gan, seinen großen amerikanischen Helden, den er als politischen Außenseiter bewundert.

Auch Donald Trump ist ein politischer Außenseiter, viel mehr noch als es Reagan zu Beginn seiner Präsidentschaft war. Und die Unerfahrenheit Trumps wusste Bannon gleich zweifach zu nutzen. Als Spin Doctor des wahlkämpfenden Immobilienunternehmers konnte er diesen glaubhaft in der Rolle des wütenden Anti-Washington-Berserkers präsentieren. Und Bannon hatte erkannt, dass der politisch unbedarfte Trump ein ideales Vehikel sein würde, um seine eigene Agenda Wirklichkeit werden zu lassen. Worum es dabei geht, ist allerspätestens seit einem Statement klar, das Bannon 2014 per Videozuschaltung während einer Konferenz im Vatikan hielt. Damals war er noch als Chef des neorechten und enorm reichweitenstarken Breitbart News Network gefragt, dessen Leitung er nach dem Tod des Gründers Andrew Breitbart im Jahr 2012 übernommen hatte.

Der nationalistische Kapitalismuskritiker

Der „judäo-christliche Westen“, so Bannon, befinde sich in einer tiefen Krise; man stehe am Beginn eines „brutalen und blutigen Konflikts“. Mit dem aus seiner Sicht degenerierten Kapitalismus geht er besonders hart ins Gericht: Das amerikanische Wirtschaftssystem degradiere den Menschen zur Ware, es vernichte die Mittelschicht und die Arbeiterschaft und habe zu einer unerträglichen Verfilzung von multinationalen Konzernen mit den politischen Eliten geführt. Derart deutliche Worte von Trumps Chefstrategen stehen in seltsamem Widerspruch zum neuen Kabinett, dem ja etliche Investmentbanker, Milliardäre und ehemalige Konzernlenker angehören. Der amerikanische Außenminister Rex Tillerson, bis vor kurzem noch Chef des Ölkonzerns ExxonMobil, ist geradezu der Inbegriff jenes Typs von Stamokap-Oligarchen, die Bannon für den Niedergang des Westens verantwortlich macht.
„Populistische Mitte-Rechts-Bewegungen“, wie Bannon sie propagiert und auch ausdrücklich so benennt, sind für ihn die Akteure einer globalen Revolution. Die normal arbeitenden Menschen überall auf der Welt hätten es satt, sich ihre Lebensentwürfe von einer internationalen Wirtschafts- und Finanzelite („the party of Davos“) diktieren zu lassen. Russlands Präsidenten hält Bannon zwar für einen Kleptokraten, allerdings könne sich der Westen durchaus ein Vorbild nehmen an Putins auf traditionellen Werten basierendem Nationalismus.

Stephen Bannon ist Nationalist, Revolutionär, Globalisierungsgegner, Kapitalismuskritiker – und in allem, was er sagt, schwingt eine verstörende Endzeitstimmung mit. Jetzt sitzt er im Weißen Haus.

 

Dieser Text stammt aus der Märzausgabe des Cicero, die Sie in unserem Online-Shop erhalten.

 

 

 

 

 

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