George Soros - Die zwei Gesichter des George Soros

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat ein Plakat seiner Regierung verteidigt, das Jean-Claude Juncker und den US-Milliardär George Soros in unvorteilhafter Pose zeigt. Warum wurde Soros zur Hassfigur für viele rechtsnationale Regierungen?

Erschienen in Ausgabe
Dass Soros’ Ansichten sympathisch sind, darf nicht vom Blick auf das Grundsätzliche ablenken / picture alliance
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Autoreninfo

James Kirchick, Jahrgang 1983, ist amerikanischer Journalist und Kolumnist. Seine Beiträge erscheinen unter anderem in der Washington Post, der FAZ und bei Tablet Magazine. Kirchick ist Fellow an der Brookings Institution in Washington, D.C. und Autor des Buches „The End of Europe: Dictators, Demagogues, and the Coming Dark Age“

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Zu meiner Zeit als Journalist für Radio Free Europe/Radio Liberty, während der ich für Politik- und Gesellschaftsthemen aus dem riesigen Gebiet zwischen Weißrussland und Kirgisistan zuständig war, verging kaum ein Tag, an dem ich nicht von den guten Taten des George Soros hörte. Ich lebte damals in Prag, wo der in Ungarn geborene Finanzier seine Unterstützung wichtiger Anliegen mit der vorausschauenden Förderung der Charta 77 begann, der prodemokratischen Bürgerrechtsbewegung des Dissidenten und Dramatikers Václav Havel. Mein damaliger Freund stammte aus der benachbarten Slowakei, deren autoritärer Führer, Vladimír Meciar, 1998 gerade auch durch die Arbeit engagierter Gruppen gestürzt wurde, die von Soros’ Open Society Foundations (OSF) gefördert worden waren. Ein anderer Exfreund absolvierte ein Studium an der in Budapest gelegenen und von Soros finanzierten Central European University. Mittlerweile droht ihr der Umzug ins Ausland, da der rechtsgerichtete ungarische Premierminister Viktor Orbán unablässig gegen sie polemisiert.

Nachdem ich meine Pflichtrundreise durch Europa beendet hatte, war mir völlig klar geworden: Ganz gleich, ob ich mit einem Demokratieaktivisten in Baku, einer Kämpferin für die Rechte von Lesben in Bischkek oder einem Anwalt für Pressefreiheit in Belgrad sprach, immer standen die Chancen sehr gut, dass sie von einem Soros-Stipendium profitiert hatten, von Soros finanziert oder bei ihm angestellt gewesen waren. Um nur ein Beispiel seiner Großzügigkeit und Vorausschau zu nennen, die häufig sowohl von seinen Gegnern wie Anhängern übersehen wird: Er ist mit weitem Abstand der größte private Förderer für die Anliegen der Roma, jener seit langem verfolgten, gesellschaftlich ausgeschlossenen und vergessenen Volksgruppe in Europa.

„Raubtierkapitalismus ist ungeheuerlich“

George Soros bewies große Weitsicht, wie viel Geld, Expertise und politisches Engagement nötig sein würden, um den Schaden zu richten, den der Kommunismus in Mittel- und Osteuropa angerichtet hat. Bei einer Konferenz 1989 in Potsdam schlug Soros nur wenige Monate vor dem Mauerfall einen Marshallplan für diese Region vor. Wie er sich später erinnerte, wurde er im wahrsten Sinne des Wortes „ausgelacht“. Also tat Soros das, was er fortan immer tun würde, wenn er vor einem Problem stand, das offenbar niemand angehen wollte: Er nahm sein eigenes Geld in die Hand.

In den folgenden 30 Jahren gab Soros Milliarden von US-Dollar aus, um Organisationen und Initiativen zu gründen, die sich im Einflussbereich der ehemaligen Sowjetunion für die Durchsetzung einer liberalen Demokratie, für unabhängige Medien, eine gute Regierungsführung, Transparenz und Pluralismus einsetzten. Diese Aufgaben hätten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in Westeuropa selbst erledigen müssen. Doch im Kater, der auf den Kalten Krieg folgte, zeigten sie sich dabei auf sehr kurzsichtige Art und Weise knauserig.

Als Überlebender des Holocaust hatte Soros selbst erfahren, wie zerbrechlich die Demokratie ist, und sorgte sich, diese Region könnte zu ihren dunklen Traditionen zurückkehren, falls der Westen es versäumte, Demokratie, Menschenrechte, die Herrschaft des Gesetzes und die Marktwirtschaft zu etablieren. Fast 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer erkennt man heute, wie weitblickend seine Befürchtungen waren. „Das System des Raubtierkapitalismus, das sich in Russland durchgesetzt hat, ist derart ungeheuerlich, dass sich die Menschen womöglich einem charismatischen Führer zuwenden, auch auf Kosten der bürgerlichen Freiheiten“, schrieb Soros 1997, also drei Jahre bevor der ehemalige KGB-Offizier Wladimir Putin fast aus dem Nichts auftauchte, um das umnachtete Land als Präsident zu führen. „So wie die Dinge stehen, braucht es nicht viel Einbildungskraft, um zu erkennen, dass die globale offene Gesellschaft, wie wir sie heute kennen, wohl nur eine vorübergehende Erscheinung sein dürfte.“

Antisemitische Angriffe gegen ihn

Offensichtlich könnten die Vereinigten Staaten den standfesten Verteidiger politischer Fortentwicklung und des freien Denkens, der George Soros in Osteuropa war und ist, gut gebrauchen. Doch in den USA entschied sich Soros für einen anderen Weg, dafür, eher einer Gruppe denn einer Aufgabe zu folgen. Und zu dieser Gruppe gehören einige illiberale Kräfte, die die offene Gesellschaft ebenso zu zerreißen drohen, wie es diejenigen am anderen Ende des politischen Spektrums in Europa tun.

George Soros im Jahr 2008 im Gespräch
mit Ban Ki-moon, dem Generalsekretär
der Vereinten Nationen

Soros’ Fürsprache für das, was sein Mentor, der Philosoph Karl Popper, die „offene Gesellschaft“ nannte, macht ihn zum Feindbild der rechten europäischen Nationalisten und ihrer derzeitigen Förderer im Kreml. Schon Anfang der neunziger Jahre, als der damalige, rechtsgerichtete Ministerpräsident Tschechiens (und aktueller Putin-Freund) Václav Klaus die Central European University aus Prag hinaus nach Budapest drängte, war Soros allen Provinzfürsten, Xenophoben, Illiberalen und der gesamten alten korrupten Clique aus der postkommunistischen Ära ein Dorn im Auge. Nachdem Anfang 2018 ein Journalist ermordet worden war, der die Verstrickungen des damaligen slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico in einen Korruptionsring recherchiert hatte, gab Fico keinem anderen als Soros die Schuld an dem Verbrechen, denn: „Wir alle wissen ja, was er hier in dieser Region treibt.“

Als vermögender jüdischer Geldgeber ist Soros unausweichlich auch Angriffen aus Europa mit antisemitischen Untertönen ausgesetzt. Nirgends wird dies deutlicher als in seinem Heimatland Ungarn. Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei stellten ihn in der Folge der Flüchtlingskrise 2015 als Emmanuel Goldstein aus dem Roman „1984“ dar, auf den der tägliche Zwei-Minuten-Hass abgeladen wird – vor allem in Form von riesigen Plakatwänden, auf denen der grinsende Milliardär abgebildet war, und durch Fotos von ihm, die auf die Böden der Straßenbahnen geklebt wurden. Glaubt man dieser Kampagne Orbáns, hat Soros nichts anderes im Sinn als die Zerstörung Ungarns durch den Zustrom von muslimischen Flüchtlingen.

Philanthropische Investements in den 90ern

Im letzten Jahr sprach ein Fidesz-Abgeordneter von „der christlichen Pflicht, gegen den Satan/Soros-Plan zu kämpfen“. Nur wenige Wochen vor der Parlamentswahl im vorigen April forderte Orbán die Ungarn in einer aufsehenerregenden Ansprache zum „Kampf gegen das, was das Reich von George Soros in Ungarn tut“ auf und erklärte, die Nation müsse „gegen Gegner kämpfen, die anders sind als wir. Ihre Gesichter sind nicht sichtbar, sie bleiben uns verborgen; sie bekämpfen uns nicht direkt, sondern in aller Heimlichkeit; sie sind nicht ehrenvoll, sondern prinzipienlos; sie sind nicht national eingestellt, sondern international; sie glauben nicht an Arbeit, sondern spekulieren mit Geld; sie haben keine Heimat, sondern glauben, die ganze Welt gehöre ihnen.“

Diese antisemitisch durchsetzte Tirade zeigt, wie eine Kampagne, die sich angeblich nur gegen einen einzelnen Mann richtet, doch den Eindruck vermittelt, Juden seien überall. Nachdem sie zum dritten Mal hintereinander im Amt bestätigt wurde, setzte die ungarische Regierung ein Gesetzespaket in Gang, mit dem Ziel, die Arbeit der OSF zu behindern. Die Stiftung sah sich gezwungen, ihre Aktivitäten von Budapest nach Berlin zu verlegen. Die Central European University zieht gerade nach Wien um.

In den berauschenden Zeiten der neunziger Jahre war Soros, wie der Westen ganz allgemein, politisch und finanziell ganz vorn mit dabei. Er hatte Milliarden mit Wetten gegen das britische Pfund verdient, und seine philanthropischen Projekte in Mittel- und Osteuropa schienen sich auszuzahlen, denn die Region begann mit der Integration in westliche Institutionen. Michael Lewis wandte in einem 1994 im New Republic erschienenen Porträt die Finanzsprache auf die Investitionen von Soros in den demokratischen Liberalismus an und stellte fest, dieser halte „eine große, umfangreiche Position an osteuropäischen Intellektuellen“, eine Position, die damals profitabel erschien. Zumindest eines von Soros’ philanthropischen Investments – ein Oxford-Stipendium für einen jungen ungarischen Jura­studenten namens Viktor Orbán – zahlte sich nicht aus.

Größter Spender der Demokraten

Der weltweite Anstieg von Populismus und rechtsgerichtetem Nationalismus in den vergangenen zehn Jahren dürfte für Soros jedoch Anlass gewesen sein, über seine Erfahrungen in der Förderung einer offenen Gesellschaft nachzudenken. Im letzten Sommer veröffentlichte das New York Times Magazine ein mitfühlendes Porträt von Soros, geschmückt mit einem Foto des mutlos in die Kamera blickenden Hauptdarstellers. „Soros sieht der Möglichkeit ins Auge, dass er das Ziel, dem er einen Großteil seines Vermögens und den letzten Teil seines Lebens gewidmet hat, womöglich verfehlt“, schrieb darin Michael Steinberger. „Doch nicht nur das: Er befindet sich in der unangenehmen Situation, von der Gegenbewegung der Antiglobalisierung zum Bösewicht auserkoren worden zu sein. Sein Judentum und seine Karriere in der Finanzwelt machen ihn zum maßgeschneiderten Trugbild für Reaktionäre weltweit.“ In einem Tweet zu diesem Artikel stimmte Soros dieser Erkenntnis zu und fügte an: „Ich mache offenbar etwas richtig, wenn ich mir anschaue, wer meine Feinde sind.“

„Für die Central European University“
- Schild beim „March for Science“
am 22.04.2017 in Rostock

Der Stolz auf seine Feinde ist eine Konstante in Soros’ Karriere und dient ihm bisweilen gar als selbstgefällige Bestätigung der eigenen Rechtschaffenheit. „Ich habe inzwischen eine große Anzahl entschlossener Gegner“, erklärte er Lewis 1994. „Und ich bin mit meinen Feinden glücklicher als mit meinen Freunden.“ Nach mehr als drei Jahrzehnten als Player in der internationalen Politikwelt hat Soros in der Tat eine beeindruckende Liste von Feinden angesammelt: Wladimir Putin, der frühere serbische Führer Slobodan Miloševic oder der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko, um nur ein paar zu nennen.

Auch in den Vereinigten Staaten, wo er zu den größten Spendern der Demokraten und für linke Anliegen insgesamt zählt, verfügte er über eine stattliche Sippschaft an rechtsgerichteten Gegnern, unter denen der derzeitige Präsident nicht der geringste ist. Als in den Tagen rund um die Anhörung zur Ernennung von Brett Kavanaugh zum Richter am Obersten Gerichtshof einige weibliche Opfer von sexualisierter Gewalt in einem Fahrstuhl auf Jeff Flake, den republikanischen Senator aus Arizona, trafen und ihn vier Minuten lang anschrien, wiesen im Anschluss Konservative darauf hin, dass eine der Frauen als geschäftsführende Direktorin des Center for Popular Democracy tätig sei – eine Organisation, die 2016 und 2017 von Open Society rund 1,5 Millionen US-Dollar erhalten hatte.

Soros hat Privatpersonen „bezahlt“

Mit diesem Detail im Hinterkopf tweetete Trump am Vorabend der Abstimmung über Kavanaughs Ernennung: „Die sehr unverschämten Fahrstuhlbrüllerinnen sind Profis, die dafür bezahlt wurden, Senatoren schlecht aussehen zu lassen. Fallt nicht darauf herein! Und schaut euch all die professionell gemachten, identisch aussehenden Plakate an. Von Soros und anderen bezahlt. Das sind keine Schilder, die man in liebevoller Heimarbeit im Keller macht! #Troublemakers.“

„Es tut mir leid, aber die Phrase ‚Soros hat sie bezahlt‘ vom Präsidenten der Vereinigten Staaten zu hören, ist … wow“, schnappte der stellvertretende Washingtoner Herausgeber der New York Times, Jonathan Weisman, nach Luft. „Nein, George Soros bezahlt die Kavanaugh-Protestierenden nicht“, stand als Überschrift über der „Fact Checker“-Kolumne der Washington Post. Auf die Frage eines Moderators von Fox Business an Chuck Grassley, den Vorsitzenden des Justizausschusses, was er von der Aussage halte, Soros bezahle für Proteste, antwortete er vieldeutig: „Ich habe von sehr vielen Menschen gehört, die das glauben. Ich tendiere auch dazu.“ Der Journalist des Atlantic, Edward-Isaac Dovere, fasste im Anschluss dieses Gespräch folgendermaßen zusammen: „Moderator von Fox News fragt führenden republikanischen Senator, ob er an die Verschwörungstheorie glaube, nach der ein reicher Jude Frauen dazu bringt vorzutäuschen, sie seien vergewaltigt und tätlich angegriffen worden; er (und der Präsident der Vereinigten Staaten) sagt Ja.“

Hält man sich jedoch an Fakten, ist die Äußerung von Trump und anderen Konservativen, Soros habe Privatpersonen, die gegen Kavanaughs Ernennung protestierten, „bezahlt“, schlicht korrekt. Nein, er hat den Demonstranten nicht persönlich unterschriebene Schecks überreicht. Ein solcher Einwand wäre jedoch Wortklauberei. Soros hat, durch seine philanthropischen Einrichtungen, substanzielle Geldsummen an die Gruppen gespendet, die die Anti-Kavanaugh-Proteste organisiert haben, darunter auch jenen, der am meisten Aufmerksamkeit erregt hat: die live im Fernsehen übertragene Fahrstuhlbegegnung. Und laut einer Analyse der ehemaligen Wall-Street-Journal-Reporterin Asra Q. Nomani gehörten „wenigstens 20 der größten Gruppen“, die an den Protesten beteiligt waren, zu „den Stipendienempfängern der Open Society“.

Konservative lehnen Soros ab, weil er liberal ist

Die US-amerikanische konservative Kritik an George Soros transportiert allerdings eine ganz andere Wertigkeit als die Kritik der europäischen Rechten, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen ist es unzweifelhaft antisemitisch, wenn die Regierung Ungarns, aus deren Land mehr als 600 000 Juden nach Auschwitz transportiert wurden – und zwar unter Duldung der örtlichen Polizei, die sogar von der SS für ihre Effizienz bewundert wurde –, einen groß angelegten Feldzug gegen einen prominenten Juden beginnt. Und dies, während bereits eine ausführliche Kampagne zum Holocaust-Revisionismus läuft, zu der die Schaffung neuer historischer Institute, Museen, Geschichtslehrbücher und eines Mahnmals auf Budapests bekanntestem Platz gehören, mit denen die Verbrechen des Landes aus der Vergangenheit weißgewaschen werden sollen.

Anti-Soros-Plakat der Regierungspartei Fidesz in Ungarn

Wenn auf der anderen Seite konservative US-Amerikaner, denen eine derartige faschistische Blut-und-Boden-Ahnentafel fremd ist und die in einem gänzlich anderen sozio-kulturell-politischen Umfeld agieren, behaupten, George Soros finanziere umfänglich eine Reihe von den Demokraten zugehörigen und linksgerichteten Organisationen – was trotz des Widerspruchs des „Fact Checker“ der Washington Post eine belegbare Tatsache ist –, dann hat es sicherlich das Potenzial, antisemitisch zu sein. Vor allem, wenn diese Konservativen auf traditionell antisemitische Phrasen zurückgreifen. Viele US-amerikanische Konservative lehnen Soros aber nicht ab, weil er Jude ist. Sie lehnen ihn ab, weil er ein Liberaler ist.

Der zweite Grund, weshalb die amerikanische Debatte über George Soros sich von der in Europa unterscheidet, liegt in den unterschiedlichen Aktivitäten des Mannes auf beiden Kontinenten begründet. In Europa finanziert Soros zumeist politisch neutrale Initiativen, die Karl Poppers Vision einer offenen Gesellschaft vorantreiben. Wenn sich rechtsgerichtete, nationalistische Regierungen und populistische Bewegungen immer häufiger im Zentrum der von OSF geäußerten Kritik wiederfinden, dann liegt dies daran, dass diese Regierungen und Bewegungen aktuell die größte Bedrohung für die offenen Gesellschaften in Europa darstellen. In den Vereinigten Staaten hingegen gehört Soros zu den größten Geldgebern der Parteien.

„Der Überparteilichkeit auf die Beine helfen“

Wie die New York Times schrieb, haben die amerikanische Bundeskommission zur Wahlkampffinanzierung und die Bundessteuerbehörde nach der Auswertung von Unterlagen festgestellt, dass er persönlich mehr als 75 Millionen Dollar an Kandidaten und Gremien der Demokraten gezahlt hat. Durch seine Open Society Foundations, die zweitgrößte philanthropische Institution in den Vereinigten Staaten, finanziert er eine Vielzahl explizit linker politischer Anliegen. Die insgesamt von Soros durch die OSF ausgezahlte Summe (32 Milliarden Dollar) übersteigt die der libertären Koch-Brüder (zwei Milliarden Dollar) bei weitem. Und auch wenn sowohl Soros als auch die Kochs regelmäßig von ihren politischen Gegnern mit uralten und verschwörerischen Verunglimpfungen überschüttet werden, wird den Kochs keine Ehrerbietung gezollt, wie sie Soros von den Mainstreammedien entgegengebracht wird.

George Soros ist nicht der teuflische Puppenspieler, als den ihn rechte Karikaturen darstellen. Soros könnte mit Fug und Recht behaupten, mehr Gutes für mehr Menschen getan zu haben als die große Mehrheit seiner Mitbürger. Doch so wie Soros kein finsteres Superhirn ist, das die westliche Zivilisation zerstören will, so ist er auch nicht das edel gesinnte, tadellose Opfer, als das ihn linke Hagiografen beschreiben.

In seinem Interview mit dem New York Times Magazine erklärte Soros, sein „wichtigstes Ziel als Politikaktivist war es, der Überparteilichkeit zurück auf die Beine zu helfen“, was überrascht angesichts seiner freigiebigen Unterstützung für die Demokraten. Er beschwerte sich zudem über den eher linken Kurs der Demokratischen Partei. „Ich halte nichts von der extremen Linken“, sagte Soros. „Sie sollte nicht versuchen, mit den Extremisten von rechts Schritt zu halten.“ Doch bei all seiner wehmütigen Reminiszenz an die längst vergangenen Tage, in denen Republikaner und Demokraten sich über die Gräben hinweg die Hand reichten, ist George Soros kaum die richtige Person, um die Werte von rhetorischer und politischer Mäßigung hochzuhalten.

Unangemessener NS-Vergleich

Lange bevor ein Immobilienmogul namens Trump davon schwadronierte, Hillary Clinton „wegsperren“ zu wollen, hatte Soros die Sprache der politischen Verächtlichmachung und Herabwürdigung eingesetzt. „Wenn ich Präsident Bush sagen höre: ‚Ihr seid entweder für uns oder gegen uns‘, dann erinnert mich das an die Deutschen“, erläuterte George Soros 2003. „Meine Erlebnisse unter der nationalsozialistischen und sowjetischen Herrschaft haben mich sensibilisiert.“ Im selben Jahr ahmte er die Sprache der kriegerischen Bush-Administration nach, die sich über den Sturz von Saddam Hussein ereiferte, als er sich einen „Regimewechsel“ in Washington wünschte.

Die Central European University (CEU)
in Budapest

Soros wiederholte die NS-Analogie noch einmal 2004 in einem Artikel, den Jane Mayer vom New Yorker über ihn schrieb, und erweiterte sie auf andere Mitglieder der Bush-Regierung. Die öffentlichen Äußerungen von Justizminister John Ashcroft würden ihn „an Deutschland unter den Nationalsozialisten erinnern. Das ist die Wortwahl, die Goebbels nutzte, um die Deutschen antreten zu lassen. Ich erinnere mich noch, ich war 13 oder 14. Das war die gleiche Art der Propaganda wie ‚Wir sind in Gefahr‘ und ‚Wir müssen zusammenstehen‘.“ Kurz darauf spendete er die bis dato unerhörte Summe von 27 Millionen Dollar für den Kampf gegen Bushs Wiederwahl.

Soros führt häufig sein persönliches Schicksal als Junge an, der sowohl den Nationalsozialisten als auch den Kommunisten entkam, wenn es darum geht, seine politischen und philanthropischen Beweggründe zu erklären. Er wurde 1930 als György Schwartz geboren und saugte das, was zu seiner kosmopolitischen und universalistischen Auffassung werden würde, von seinem Vater Tivadar auf. Dieser, ein bekannter Budapester Anwalt und säkularer Jude, war ein großer Anhänger von Esperanto, jener Kunstsprache, von der er und andere Idealisten hofften, sie würde eines Tages weltweit zur Lingua franca werden.

„Jagd nach öffentlicher Aufmerksamkeit“?

Als der New Yorker 1995 den ersten Artikel über Soros veröffentlichte, wandelte dieser sich gerade vom Wirtschaftsmann zum Möchtegernintellektuellen. „Was Soros wollte, mehr als alles andere, war, gehört zu werden“, schrieb Connie Bruck, die damit die Skepsis in Worte fasste, die ihre Journalistenkolleginnen aufgeben sollten, nachdem Soros zum wichtigsten institutionellen Finanzier der amerikanischen Linken geworden war. „Er spekulierte darauf, dass er in der Lage sei, seinen Status als Berühmtheit von einem Feld (Finanzen) auf ein anderes (öffentliche Politik) zu übertragen; dieser Wunsch nach Bekanntheit lag in seiner Persönlichkeit begründet.“

Als junger Mann habe Soros gehofft, so Bruck, „ein zweiter John Maynard Keynes oder Albert Einstein“ zu werden, und er entwickelte sogar seine eigene Allgemeine Reflexivitätstheorie, mit der er bewusst auf die berühmte Theorie des eben erwähnten Genies anspielt. Soros’ Konzept, das nicht sehr in die Tiefe geht, postuliert kurz gesagt, dass die Finanzmärkte unablässig vom unperfekten Wissen derjenigen beeinflusst werden, die an ihm teilnehmen. Diese Einsicht erklärt auch sein Interesse an Karl Poppers offener Gesellschaft: Diese baut auf der Überzeugung auf, dass alle Individuen frei sein müssen, nachzuforschen und unbequeme oder unpopuläre Fragen stellen zu können, da ja niemand im Besitz der letztgültigen Antworten auf die Rätsel der Menschheit sei.

Connie Bruck hatte 1995 das Gefühl, Soros sei davon „besessen“, dass nicht mehr Menschen seine Ideen ernst nahmen. Sie zeigte sich verwirrt von seiner „Jagd nach öffentlicher Aufmerksamkeit“ und zitierte den Teilnehmer an einer Konferenz, die der Milliardär 1993 finanzierte und zu der er unbedingt einen Redebeitrag liefern wollte. „Eine Menge Zuhörer saß kopfschüttelnd da“, erinnerte sich dieser Zeuge, „aber er zahlte schließlich alle Rechnungen.“ Soros war sehr enttäuscht, dass sich Präsident Bill Clinton bei ihrer ersten Begegnung mehr an Börsentipps interessiert zeigte als an der sich verschlimmernden Situation im ehemaligen Jugoslawien. „Er wollte mir als Spender gefallen“, beschwerte sich Soros. „Zehn Jahre später, im Vorlauf des Irakkriegs, forderte Soros den stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz zu einer öffentlichen Diskussion heraus. Zu Soros’ großer Enttäuschung reagierte Wolfowitz nie auf das Angebot. Den ganzen Sommer 2004 hinweg war Soros unterwegs auf einer drei Millionen Dollar teuren Anti-Bush-Vortragstour durch zwölf Städte. Ein Anfall von Hochmütigkeit, die den demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry verärgerte.

Das amerikanische Volk hörte nicht auf Soros

Soros ist Autor von 14 Büchern mit unheilschwangeren Titeln, von denen die wenigsten in Erinnerung bleiben werden. (Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Solow verriss den 1998 erschienenen Band „Die Krise des globalen Kapitalismus“ und bezeichnete das Buch als „erschreckend banal“.) „Geld ist für ihn nur ein Werkzeug“, erklärte ein Freund von Soros gegenüber Jane Mayer. „Damit kann er eine Menge Dinge in seinem Leben beeinflussen.“ Als Mayer Soros bat, „eine Sache in der Welt zu benennen, die er zu besitzen sich wünschte“, erwiderte er: „Ich will, dass man meine Ideen hört.“ Immer mehr verfestigte sich der Eindruck, dass Soros unter einem Zustand litt, den erstaunlich viele reiche Menschen kennen: Er wollte unbedingt als gesellschaftlich relevanter Intellektueller ernst genommen werden, hatte aber nicht sehr viel Profundes zu sagen.

Trotz seiner besten (und generösen) Bemühungen hörte das amerikanische Volk 2004 nicht auf Soros und wählte George W. Bush erneut zum Präsidenten. Soros war bestürzt – und zunehmend aus dem Gleichgewicht gebracht. In seinem 2006 veröffentlichten Buch „Die Ära der Fehlentscheidungen“ verstärkte er die Hitler- und Stalin-Analogien weiter, um die über Amerika hereinbrechende Dunkelheit zu beschreiben. „Die Bush-Regierung zeigte sich in der Lage, die von den nationalsozialistischen und kommunistischen Propagandamaschinerien entwickelten Techniken zu verbessern, indem sie zusätzlich die Werbe- und Marketingindustrie für sich beanspruchte“, schrieb er. Bei einer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im folgenden Jahr erklärte Soros, „Amerika muss den Grundsätzen folgen, die es in Deutschland eingeführt hat. Wir müssen eine Art Entnazifizierungsprozess durchmachen.“

Dass Soros George W. Bush und dessen Mitarbeiter in die Nähe Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten rückt, war nicht nur eine Übertreibung oder ein sprachlicher Ausrutscher. Vielmehr ist es ein bewusst gewählter Vergleich, den er wiederholt gegenüber Journalisten äußerte, in seinen Texten verwandte oder bei renommierten öffentlichen Veranstaltungen einsetzte. Wenn liberale Aktivisten und die Mainstreammedien derzeit einen neuen rhetorischen Verhaltenskodex entwickeln, in dem die bloße Erwähnung des Namens George Soros durch jemanden von rechts in etwa dem moralischen Äquivalent des Verteilens von Der-Stürmer-Ausgaben entspricht, sollte man durchaus im Kopf behalten, wie häufig Soros selbst – unter Verweis auf seinen Status als Holocaust-Überlebender – demokratisch gewählte amerikanische Politiker als „Nazis“ bezeichnete. So, wie Soros die US-amerikanische Republikanische Partei nicht betrachten kann, ohne die wahnsinnigen Völkermörder zu sehen, die sein Leben als Kind bedrohten, so können seine Verteidiger Soros nicht betrachten, ohne in ihm den verletzlichen 14-jährigen Jungen zu erkennen, der sich für immer vor der Gestapo verstecken muss.

Die Anti-Bush-Einstellung ließ Soros blind werden

Soros‘ Abscheu vor der unilateralen Außenpolitik der Bush-Regierung brachte ihn dazu, die Rolle der amerikanischen Macht in der Welt radikal neu zu bewerten. Man könnte Soros – für einen Großteil seines erwachsenen Lebens – als Liberalen des Kalten Krieges beschreiben, einen Falken der Außenpolitik mit sozialem Gewissen, der sowohl Ronald Reagan als auch Franklin D. Roosevelt verehrte. 1997, als er Zeuge der Hilflosigkeit der Europäer und der Vereinten Nationen wurde, die nur zusahen, wie Slobodan Miloševic Bosnien in Schutt und Asche legte, kam Soros frustriert zu dem Schluss: „Die Vereinten Nationen haben sich gänzlich als friedensstiftende Institution diskreditiert. Bosnien wird für die UN zu dem, was Abessinien 1936 für den Völkerbund war.“ Schließlich waren es die USA, die eine internationale Koalition zustande brachten, um dem Gemetzel ein Ende zu bereiten – auf Drängen einer überparteilichen Gruppe liberaler Falken und republikanischer Neokonservativer hin, deren Auffassung von der Macht Amerikas sich insgesamt mit der von Soros deckte. Doch sieben Jahre später sagte Soros dem New Yorker, „das Wichtigste, das ich tun konnte, um weltweit die offene Gesellschaft voranzubringen, war Bush aus dem Weißen Haus zu jagen“.

George W. Bush

Je größer diese Obsession wurde, umso wichtiger wurde für Soros der politische Wandel in Amerika, was zulasten seiner Unterstützung der demokratischen Transition in postautoritären Staaten und der Eindämmung der militärischen und geopolitischen Ambitionen von gefräßigen Diktaturen wie Russland und China ging. „Das größte Hindernis für eine stabile und gerechte Weltordnung sind die Vereinigten Staaten“, schrieb der frühere Anhänger der amerikanischen Supermacht und Verfechter der Ideale einer offenen Gesellschaft 2007. Was den islamischen Extremismus anging, so erkannte Soros ein moralisches Gleichgewicht zwischen den Taten von Gruppen wie Al Qaida und denen demokratischer Gesellschaften, die sich gegen ihre Verwüstung verteidigten: „Wir verabscheuen Terroristen, da sie beim Kampf für ihre Ziele unschuldige Menschen töten“, erklärte er 2006 Newsweek. „Aber im Zuge des War on Terror tun wir genau dasselbe.“

Die Anti-Bush-Einstellung ließ Soros blind werden für die geopolitischen Konsequenzen des amerikanischen Rückzugs, vor allem für jene Regionen, die ihm am wichtigsten waren: Zentral- und Osteuropa sowie in der erweiterten Einflusssphäre der ehemaligen Sowjetunion. Bei all seinen zahlreichen Fehlern war Bush jedoch ein Meister des damals „Neues Europa“ genannten Raumes. Er förderte nach Kräften die Europäische Union und die Nato-Mitgliedschaft von Staaten, die sich erst kürzlich aus dem Orbit Moskaus entfernt hatten. Präsident Barack Obama, für dessen Wahl und Wiederwahl Soros sich stark engagierte, maß dieser Region hingegen keine sonderlich große Bedeutung zu und vertagte die Klärung ihrer begründeten Sicherheitsbedenken auf die Zeit nach einem „Neustart“ mit Wladimir Putin, was als hoffnungsloses Unterfangen gelten konnte.

Sanktionen gegen die burmesische Militärjunta

Letztendlich scheinen Soros’ utopische Vorstellungen einer Weltregierung und einer auf multilateralen Institutionen basierenden Weltordnung ohne den Fortbestand der militärischen Vorherrschaft durch die USA ebenso wenig realistisch wie der Glaube seines Vaters, eines Tages werde sich Esperanto durchsetzen. Und indem er sich so eindeutig zu einer Seite des politischen Spektrums bekannte, dürfte Soros seinen Einfluss auf einen möglichen positiven Wandel im Ausland geschmälert haben. In den neunziger und 2000er Jahren führte die Vor-Ort-Arbeit von Open Society im ehemaligen Einflussgebiet der Sowjetunion Soros und sein Netzwerk ganz selbstverständlich dazu, Bündnisse mit den „Falken“ der amerikanischen Republikaner zu schmieden, um sich gemeinsam gegen die Bedrohungen zu wappnen, die Putin für die jungen Demokratien Europas darstellte.

Randy Scheunemann war eine solche Figur. Der langjährige Mitarbeiter von Senator John McCain war eine der wenigen republikanischen Führungspersönlichkeiten, die Soros offen bewunderten und von OSF finanziell unterstützt wurden. Scheunemann arbeitete als Berater für den früheren georgischen Staatspräsidenten Michail Saakaschwili, dessen Aufstieg an die Macht während der Rosenrevolution 2003 eng mit einigen von Soros finanzierten Gruppen zu tun hatte.

Nachdem McCains Präsidentschaftswahlkampagne 2008 gescheitert war, wechselte Scheunemann als Lobbyist zum Open Society Policy Center (dem legislativen Arm der OSF) und sprach sich für Sanktionen gegen die burmesische Militärjunta aus. Für seine konservativen Kollegen, die über seine Zusammenarbeit mit einem der großen Unterstützer der Demokraten entsetzt waren, hatte er eine Antwort parat. Scheunemann sagte mir: „Die Linie, die ich vertrat, war, dass ich sein [Soros’] Geld jederzeit nahm, um die Militärdiktatur in Myanmar zu destabilisieren. Das hieß jedoch nicht, dass ich damit auch seine innenpolitischen Ziele übernahm.“

Polarisierung geht nicht nur von der Rechten aus

Scheunemann zeigte sich dennoch überzeugt, dass die von Soros unnachgiebig parteipolitisch betriebenen Aktivitäten in den Vereinigten Staaten seinen Möglichkeiten schaden, im Ausland überparteiliche, grundlegend liberale Werte zu vertreten. Denn Erstere würden Zweifel an seinen Motiven für Letztere wecken, und zwar bei Konservativen auf beiden Seiten des Atlantiks. „Wenn man in beiden Welten mitspielt“ – also der US-amerikanischen Innenpolitik und der Förderung der Demokratie im Ausland –, „kann man nicht ernsthaft behaupten, sie ließen sich sauber voneinander trennen“, so Scheunemann.

„Dass Soros Milliarden von Dollar dafür ausgibt, republikanische Kandidaten im US-Senat zu verhindern, macht es gleichzeitig für uns bedeutend komplizierter, wenn wir bei unseren Freunden für das zivile Engagement werben wollen, welches das Soros-Netzwerk in Washington, D.C. fördert“, erklärte mir ein amerikanischer Politikfunktionär, der jahrzehntelang in Mittel- und Osteuropa mit Soros-Stipendiaten gearbeitet hat. „Das ist ganz klar.“

Polarisierung, Aufspaltung der Gesellschaft, Parteilichkeit und ein allgemeiner Niedergang des öffentlichen Diskurses sind einige der ernsthaften Probleme der Vereinigten Staaten – allerdings nicht ausschließlich der amerikanischen Rechten vorbehalten. Und zu dem Ausmaß, das diese unheilvollen Erscheinungen auch in der amerikanischen Linken angenommen haben, hat George Soros nicht unwesentlich beigetragen. Soros war einer der frühen Unterstützer von Move On, einer aggressiv parteilichen, linksgerichteten Organisation, die durch eine ganzseitige Anzeige in der New York Times auf sich aufmerksam machte, in der sie General David Petraeus als „General Betray Us“ (lautliches Wortspiel: „General Verrate-uns“) verleumdete. Im vergangenen Jahr veröffentlichte Move On einen Ratgeber mit dem Titel: „Wie man jemanden aufspürt“, in dem ihre Anhänger Tipps finden, um gewählte Amtsträger in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Soros gehört auch zu den wichtigsten Finanziers von Media Matters. Diese Watchdog-Gruppe wurde vom ehemals rechten, inzwischen aber linken Aktivisten David Brock gegründet, zu dessen Standardmaßnahmen der organisierte Boykott von konservativen Medienmachern gehört.

Die amerikanische Linke und ihre Identitätspolitik

Ebenfalls durch die Open Society gehört Soros zu den Unterstützern des Center for Constitutional Rights, einer Nonprofit-Gruppe, die sich um Rechtsstreitigkeiten kümmert und von den radikalen Anwälten Arthur Kinoy und William Kunstler gegründet wurde. Der langjährige Direktor des Center for Constitutional Rights, Michael Ratner, gilt als Anhänger Che Guevaras und der kubanischen Kommunisten. Das Center gehörte auch zu den lautstarken Fürsprechern von Lynne Stewart, die als Anwältin den „blinden Scheich“ Umar Abd ar-Rahman (er wurde 1995 verurteilt für die Verschwörung zu einem terroristischen Angriff auf New Yorker Gebäude) verteidigte und später selbst wegen terroristischer Verschwörung schuldig gesprochen wurde. Als Stewart, der die Anwaltslizenz entzogen worden war, 2017 starb, würdigte das Center sie als „Vorbild für das, was ein Anwalt des Volkes leisten sollte“.

George Soros ehrt Kofi Annan

Open Society finanziert zudem das Southern Poverty Law Center, die inzwischen in Verruf geratene „Anti-Hass“-Organisation, die kürzlich 3,375 Millionen Dollar als Ausgleichszahlung an Maajid Nawaz leisten musste. Der britische Reformmuslim war von ihr zuvor als „antimuslimischer Extremist“ verunglimpft worden – dabei kann Nawaz als leuchtendes Beispiel für jene Werte gelten, die George Soros vor 30 Jahren aus philosophischen Überlegungen heraus zu fördern versprach. Das Southern Poverty Law Center bestätigte später, dass die OSF jenen Bericht bezahlt hatten, der Nawaz auf eine Blacklist setzte.

Ein weiterer Zweig, in dem Open Society aktiv ist, ist die Unterstützung der für die amerikanische Linke immer wichtiger werdenden Identitätspolitik. Nehmen wir als Beispiel einen Geförderten des neu aufgelegten Soros Equality Fellowship, das 100 000 Dollar vergibt an „aufstrebende Fachleute, die auf lange Sicht zu den führenden Experten auf dem Gebiet der Rassengleichheit werden“: Khaled Beydoun arbeitet für das mit der University of California verbundene Berkeley Islamophobia Research & Documentation Project und bezeichnet sich selbst als „kritischer Rassentheoretiker“. Er erklärte, Bestsellerautor und Atheist Sam Harris sei ein „Islamophober und kein Wissenschaftler“, nannte den Princeton-Professor Bernard Lewis den „intellektuellen Vater der modernen Islamophobie“ und den Komiker Bill Maher „den aktivsten und giftigsten liberalen Islamophoben“. (Der oben bereits erwähnte Nawaz sei hingegen ein „einheimischer Informant“.) Beydoun zeigte sich erzürnt, dass der Blockbuster-Film „Black Panther“ in einem seiner Handlungsfäden die islamische Terrorgruppe Boko Haram erwähnt, denn dadurch zwinge „der Film im weiteren Verlauf die Menschen zu glauben, dass der Islam mit Kriminalität und Schurken zusammenhängt“. Beydoun wird von Open Society als einer ihrer „zukünftigen Superhelden der Rassengerechtigkeit“ hochgehalten.

Viel Einsatz für Muslime und Transgender, wenig für Juden

Während Soros sich ungemein großzügig zeigt bei der Finanzierung einer Fülle von Organisationen und Einzelpersonen, die sich für praktisch jede vorstellbare identitätsstiftende Gruppe einsetzen, scheint er am Wohlergehen einer Gruppe ziemlich desinteressiert: seiner eigenen. Welche Ironie, dass dem neuen Helden der Linken im Kampf gegen den rechtslastigen Antisemitismus im besten Falle eine ambivalente Beziehung zum Judentum und zur globalen jüdischen Gemeinschaft bescheinigt werden kann. Soros’ Sicht auf diese Ambivalenz besteht darin, dass diese ein Zeichen der universalistischen Überlegenheit über seine engstirnigen, rückschrittlichen Glaubensbrüder sei. „Ich glaube nicht, dass man jemals den Antisemitismus überwinden kann, wenn man sich wie ein Volksstamm [tribe] verhält“, erklärte er 1995 dem New Yorker und machte unausgesprochen anderen, nichtassimilierten Juden den Vorwurf des antijüdischen Fanatismus. „Man kann ihn nur überwinden, wenn man auch diese Stammesverbundenheit [tribalness] aufgibt.“

Für jüdische Zwecke hat Soros kaum Geld gegeben; The New Republic beschrieb 1994 seine „Aversion für die Finanzierung jüdischer Organisationen“ und eine „zynische“ Sicht auf das organisierte Judentum; eine Aversion und eine Sichtweise, die sich in den folgenden Jahrzehnten offenbar nicht verringert haben. Was den jüdischen Staat angeht, so zeigt sich Soros überzeugt, dass das Eintreten für Israel Antisemitismus nach sich zieht. „Die Haltungen gegenüber der jüdischen Gemeinschaft werden vom Erfolg der Pro-Israel-Lobby bei der Unterdrückung abweichender Meinungen beeinflusst“, schrieb er. Und Connie Bruck gegenüber erklärte er, ganz bewusst unter Verwendung der dritten Person Plural: „Ich spreche den Juden nicht ihr Recht auf einen Nationalstaat ab – ich möchte nur nicht Teil dessen sein.“

Dagegen ist nichts einzuwenden. Und dennoch ist es bemerkenswert, dass unter den mehr als 100 Empfängern der von der OSF mit drei Millionen Dollar ausgestatteten Communities-Against-Hate­Initiative, die im Nachgang zu Trumps Wahl gegründet wurde, vor allem Gruppen sind, die Transgender oder Muslime verteidigen, dafür kaum solche, die sich für Juden einsetzen. Soros trägt fast nichts zum Kampf gegen Antisemitismus bei, den er und seine Anhänger nach eigenen Worten doch so sehr verurteilen. Und das, obwohl nach den FBI-Statistiken über Hate Crimes sich mehr als die Hälfte aller religiös motivierten Hassverbrechen gegen Juden und weniger als ein Viertel gegen Muslime richten.

Der amerikanische und der europäische Soros

Wäre Soros ernsthaft an den Idealen der von Karl Popper vertretenen „offenen Gesellschaft“ interessiert, könnte er sein beachtliches Vermögen auch in Gruppen wie die Foundation for Individual Rights in Education stecken, die sich für das (zunehmend in Gefahr geratene) Recht der freien Rede für College-Studenten und -Professoren beziehungsweise der freien politischen Meinungsäußerung einsetzen. Er könnte auch Stipendien an Organisationen wie die Heterodox Academy vergeben, die von einem bekannten Soziologen der New York University, Jonathan Haidt, gegründet worden ist und sich für eine Vielfalt der Standpunkte in der Hochschulbildung einsetzt. Stattdessen hat sich Soros dafür entschieden, zukünftige Generationen mit intersektionalem linksgerichteten Aktivismus zu versorgen.

Möglicherweise kann der offensichtliche Widerspruch zwischen dem europäischen Soros und dem amerikanischen Soros als repräsentativ für das Innenleben des Mannes selbst gelten. Es komme „selten“ vor, schrieb Connie Bruck 1995, dass man „jemanden finde, dessen widersprüchliche Impulse derart ausgeprägt und stark sind, dass das Prinzip der kognitiven Dissonanz nicht zuzutreffen scheint – und der in der Folge in unablässiger, ungebändigter Bewegung zwischen diesen Extremen hin- und hergerissen wird“. Solche Impulse zeigen sich eindeutig, wenn Soros behauptet, China habe „eine besser funktionierende Regierung als die Vereinigten Staaten“ – eine seltsame Behauptung für einen Mann, der Milliarden von Dollar zur Förderung der Prinzipien der offenen Gesellschaft ausgegeben hat. Bescheidenheit und Anerkennung des eigenen Unwissens, die das Zentrum von Soros’ Wirtschaftstheorie der Reflexivität bilden, kommen in seinem dogmatischen Politikansatz gar nicht vor; seine eigene selbstgerechte Sicherheit kontrastiert scharf mit der ursprünglichen Aufgabe der OSF. Oder möchte Soros sich von den Beschimpfungen der materialistischen Linken abschirmen, indem er viel Geld in die Identitätspolitik investiert? Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Plutokrat versucht, sich den Schutz vor den Massen zu erkaufen.

An der genauen Beobachtung mangelt es Soros

In den Vereinigten Staaten funktionierten Soros’ Operationen durch ein Wir-gegen-sie-Prinzip. Das ist völlig legitim für parteipolitische Unternehmungen in einem Zwei-Parteien-System. Es ist sogar die grundlegende Regel für parteipolitische Operationen jeglicher Couleur. Folgt man jedoch diesem Code, dann spielt freie Meinungsäußerung keine Rolle mehr, dann spielen die Prinzipien einer offenen Gesellschaft keine Rolle mehr. Dabei gerät die offene Gesellschaft in Europa und Amerika wirklich unter Beschuss. „Einige Menschen in der Finanzwelt, die Soros schon seit Jahren kennen, beobachten seinen wachsenden politischen Aufstieg mit Missgunst“, schrieb Bruck 1995 unheilverkündend. Diesen Analysefaden verlor die Presse völlig aus dem Blick, nachdem Soros sich öffentlich zur Demokratischen Partei bekannte. (Bruck betrachtete auch einige der Aktivitäten der OSF in Ländern wie der Ukraine, Mazedonien und Albanien kritisch und fragte, inwieweit Soros’ politische Interventionen in den jungen osteuropäischen Demokratien mit seinen finanziellen Interessen zusammentrafen.)

„Messianischer Eifer dient oft der Verschleierung dessen, was jemand wirklich anstrebt – und es erschreckt mich, dass George, je mehr Kontrolle er begehrt, umso hysterischer wird, was die offene Gesellschaft angeht“, erklärte ein langjähriger Soros-Mitarbeiter gegenüber Bruck. „Er ist kein allwissender Scharlatan.“

Brucks abschließendes Urteil: „Dass Soros’ Absichten gut sind und seine Ansichten sympathisch, darf nicht vom Blick auf das Grundsätzliche ablenken. In dem Augenblick, in dem wir die Rechte jener hochhalten, deren Wertesystem wir ablehnen, sollten wir natürlich auch ganz genau die Machtausübung jener im Auge behalten, deren Werte wir teilen. An der genauen Beobachtung von Soros mangelt es jedoch. Bei seinen politischen Aktivitäten gerät er nicht wirklich in den direkten Zuständigkeitsbereich von jemandem; er bewegt sich in der Regel in einem Graubereich, in dem keine strengen Regeln gelten und die im Schatten liegenden Grenzen leicht übertreten werden können. Seine Philanthropie dient darüber hinaus wie eine Art Amulett, das jede Kritik abhält; viele, die ihn kennen, vor allem in den Regierungen, scheinen so verzaubert von der Menge an Geld, die er verteilt, dass sie die Urteile, die sie ansonsten treffen, zeitweilig außer Kraft setzen.“

Soros zerstört die Werte, für die er kämpfte

In den mehr als 20 Jahren, die seit dem Verfassen dieser Worte vergangen sind, scheint die von Bruck festgestellte Leichtgläubigkeit unter den dankbaren, sich in Geldnöten befindlichen Bürokraten nun auch auf die meisten Journalisten übergegangen zu sein. Denn sie berichten über Soros, als müssten jene Menschen, die seine Arbeit kritisch sehen, Faschisten, Antisemiten und geistig verwirrte Verschwörungstheoretiker sein. „In der Welt, die Soros für sich erschaffen hat, gibt es niemanden, der ihn zur Verantwortung ziehen könnte“, schrieb Bruck.

Es war einmal ein George Soros, der sich der Verbreitung von Poppers Idee einer offenen Gesellschaft verschrieben hatte, in der die Freiheit der Forschung, Freiheit der Rede, das kritische Denken und die persönliche Freiheit, auch mal eine andere Meinung zu haben, hochgehalten werden. In Europa geraten diese Werte durch rechtsgerichtete Nationalisten und Autokraten in Gefahr, die Wladimir Putin verehren. In Amerika geraten sie durch einen Präsidenten in Gefahr, der Putin verehrt – und durch eine Reihe progressiver Organisationen, die von George Soros finanziert werden.

Es ist äußerst schmerzhaft festzustellen, dass ein Mann, der wie durch ein Wunder in seiner Jugend zwei historischen Tragödien entkommen ist, sich entschlossen hat, seine reifen Lebensjahre mit dem Anheizen jener Konflikte zu verbringen, die all jene Werte zu zerstören drohen, gegen die er Jahrzehnte kämpfte, genau wie die Staaten, die ihn aufgenommen haben.

Aus dem Englischen von Jörn Pinnow

Dies ist ein Artikel aus der Februar-Ausgabe des Cicero, die Sie ab am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.









 

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