Silvio Berlusconi - Er ist wieder da

Rechtzeitig vor den Parlamentswahlen meldet sich Silvio Berlusconi in die italienische Politik zurück. Weg war er eigentlich nie, sondern nur wegen einer Haftstrafe verhindert

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Silvio Berlusconi: 81 Jahre alt und frisch wie eine Rose / picture alliance
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Petra Reski lebt in Venedig, schreibt über Italien und immer wieder über die Mafia. Zuletzt erschien ihr Roman „Bei aller Liebe“ (Hoffmann&Campe). Foto Paul Schirnhofer

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Gerade ist in Italien die neueste Staffel der Serie „Die Fabel vom Drachentöter“ angelaufen: Berlusconi, der Untote der italienischen Politik, ist wieder da. Oder besser: Er war nie weg. 81 Jahre alt und frisch wie eine Rose. Anfang November gewann sein Bündnis aus Forza Italia, Lega Nord und anderen Grüppchen die sizilianischen Regionalwahlen – nicht zuletzt dank vieler Kandidaten mit Vorstrafen und/oder guten Beziehungen zur Mafia; Kandidaten, die als nicht vorzeigbar gälten, wäre es nicht Sizilien, wo Berlusconis politische und wirtschaftliche Karriere ihren Anfang nahm – dank der Beziehungen seines sizilianischen Freundes Marcello ­Dell’Utri, dem Gründer von Forza Italia, der nun als Gehilfe der Mafia im Gefängnis sitzt.

Seit 1994, als sich Berlusconi „ins Feld begab“, um das Land vor dem Niedergang und die Mafia vor der Strafverfolgung zu retten, ist er Italiens Wunderwaffe. Im Frühjahr wird gewählt, und zum Schrecken des Establishments ist die Fünf-Sterne-Bewegung laut Umfragen die stärkste Partei Italiens: doppelt so viele Stimmen wie Forza Italia, 3 Prozentpunkte vor der Regierungspartei Partito Democratico (PD). Dem selbst ernannten Verschrotter Matteo Renzi zerbröselt seine Partei unter den Händen, die Linke ist zersplittert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Also wurde Berlusconi wieder vorzeigbar und als Mehrheitsbeschaffer unverzichtbar. 

Früher kriminell, heute Elder Statesman

Seine Mafiaverflechtungen, Richterbestechungen, Bilanzfälschungen, Off­shore-Gesellschaften, Geheimlogen und 40 Ad-personam-Gesetze, die soeben wieder aufgenommenen Ermittlungen wegen mutmaßlicher Mittäterschaft an den Attentaten gegen Falcone und Borsellino? Schwamm drüber. Berlusconi ist jetzt Elder Statesman. Daran haben auch die 18 Prozesse nichts geändert, die wegen Bestechung, Steuerhinterziehung, Bilanzfälschung, Amtsmissbrauch und Sex mit Minderjährigen gegen ihn geführt wurden.

Flugs wurde dem Bündnis aus Berlusconis Forza Italia und der PD ein neues Wahlrecht auf den Leib geschneidert: Rechte und linke Miniparteien müssen sich den „Renzusconis“ anschließen, um ihren Stuhl zu retten. So soll die vermeintliche Schwäche der Fünf-Sterne-Bewegung ausgenutzt werden, die sich Bündnispartnern verweigert. De facto segnet das Wahlrecht jene unheilige Allianz ab, die das Land seit mehr als 20 Jahren regiert: Während Berlusconi die „communisti“ verdammte, und die Linken ihn wie eine Vogelscheuche schwenkten, hatten sich die Beteiligten hinter verschlossenen Türen längst zu einer großen Koalition zusammengefunden.

Die Legge Severino

Seit dem Wahlsieg in Sizilien quillt Berlusconi wieder aus jeder Mauerritze, das Internet ist voll von ihm, Fernsehen und Radiosender bringen Berlusconi-Interviews in Endlosschleife. Umschwirrt von den Hofschranzen der Macht – sogar Eugenio Scalfari, Gründer der Tageszeitung La Repubblica, bekannte sich zu Berlusconi –, kann sich der im Urteilsspruch titulierte „Gewohnheitsverbrecher“ wieder in die weißen Ledersessel der täglichen Talkshow „Porta a porta“ fallen lassen, aus denen er den Italienern bereits kostenlose Gebisse, eine Million Arbeitsplätze, die Heilung von Krebs, Steuererleichterungen und eine Brücke nach Sizilien versprochen hat.

Es bleibt nur noch ein kleiner Fleck: 2013 wurde Berlusconi wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig zu vier Jahren Haft verurteilt. Drei davon entfielen wegen eines Amnestiegesetzes, es verblieb ein knappes Jahr, das er mit Mühlespielen im Altersheim als „Sozialdienst“ verbüßte. Allerdings musste er auch sein Mandat als Senator zurückgeben und darf bis 2019 keine politischen Ämter bekleiden. Zu verdanken ist das dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption, der Legge Severino, benannt nach der damaligen Justizministerin. Danach dürfen Leute, die letztinstanzlich zu mehr als zwei Jahren Gefängnisstrafe verurteilt wurden, bei Wahlen nicht kandidieren und kein politisches Amt ausüben.

Warten auf das Urteil

Aber Berlusconi wäre nicht er selbst, würde er dagegen nicht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen. Seine Anwälte argumentieren, das Gesetz sei erst nach dem Urteil in Kraft getreten und nicht in der Zeit, als er die Straftat beging. Zwar ist keineswegs sicher, ob die Entscheidung, die erst in knapp einem Jahr ansteht, zu seinen Gunsten ausfällt. Im Wahlkampf aber kann sich Berlusconi wie üblich als zu Unrecht verfolgtes Opfer der Justiz gerieren.

In den Samstagabendshows werden Berlusconis Sprüche („Was die Kandidaten betrifft, so haben wir nur ein Kriterium: den wählen, der im Interesse der Bürger regiert“) bereits als Ausdruck tiefster Weisheit gefeiert. Also werden die „Renzusconis“ weiter regieren, falls nicht ein Meteorit auf das italienische Parlament fällt. Aber manchmal geschehen solche Dinge ja wirklich.

Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.

 

 

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