Silvio Berlusconi - Der Cavaliere ist zurück

Trotz zahlreicher Skandale scheinen die Italiener nicht genug von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu bekommen. Seine Partei feierte bei den Kommunalwahlen große Erfolge. Und auch in der nächsten Landesregierung könnte er eine entscheidende Rolle spielen. Wie kann das sein?

Nach dem Erfolg bei den Kommunalwahlen kann Silvio Berlusconi triumphierend behaupten: „Ich bin zurück.“ / picture alliance
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Julius Müller-Meiningen arbeitet seit 2008 als freier Journalist in Rom. Er berichtet auf seiner Homepage 
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Silvio Berlusconi wurde 2013 in letzter Instanz zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs verurteilt. Weil das italienische Strafrecht Milde mit Senioren walten lässt, durfte der inzwischen 80-Jährige seine Strafe durch Sozialstunden in einem Mailänder Altenheim ableisten. Bis 2019 darf der frühere italienische Ministerpräsident keine öffentlichen Ämter bekleiden. Und doch steht er wieder im Zentrum der italienischen Politik. Nach dem Erfolg bei den Kommunalwahlen kann er triumphierend behaupten: „Ich bin zurück und das sieht man.“

Als sei nichts gewesen

Seine Sex-Skandale mit Minderjährigen und Prostituierten sind zahlreich. Erst kürzlich wurde Berlusconi erneut angeklagt, weil er drei Zeuginnen bestochen haben soll. Es scheint, als seien die Italiener ein unverbesserliches Volk, das einem verurteilten Straftäter und kriminellen Schwerenöter weiterhin politische Verantwortung überträgt, als sei nichts gewesen. Zwölf größere Städte haben die Kandidaten der Berlusconi-Partei, im Verbund mit der rechtspopulistischen Lega Nord, der Linken bei den Kommunalwahlen abgejagt. Weil auch Städte wie Genua, das seit 1946 eine linke Stadtverwaltung hatte oder die Mailänder Arbeitervorstadt Sesto San Giovanni fortan konservative Bürgermeister haben, schreiben Italiens Zeitungen von Berlusconis Triumph.

Das paradoxe Comeback

Der „Cavaliere“ ist zurück. Sogar als „Presidente“ sprechen die Moderatoren der Fernsehstudios Berlusconi ehrfürchtig an, als sei der Ex-Premier nie von der Bildfläche verschwunden. Präsident seines Fußballclubs AC Mailand ist Berlusconi auch nicht mehr, aber wer so lange wie er an der Macht war und Ehrentitel sammelte, der wird in Italien so schnell nicht vergessen. Berlusconi war einige Zeit in der Versenkung verschwunden, ganz weg war er nie.

Das Comeback Berlusconis ist ein Paradox, weil es sich aus der Unzufriedenheit der Italiener mit dem politischen Personal speist. Das gilt zwar auch für ihn, aber weil Berlusconi im Hintergrund agiert, keine direkte politische Verantwortung trägt und nicht selbst gewählt oder abgewählt werden kann, steht seine Person politisch weniger im Fokus. Der Senior zieht im Hintergrund die Fäden und gibt den Steigbügelhalter zur Macht. Das war so beim Reform-Bündnis mit Ex-Premier Matteo Renzi. Berlusconi war auch ein entscheidender Faktor bei der Einigung der Parteien auf ein neues Wahlrecht, das im letzten Moment platzte. Auf kommunaler Ebene verhalf seine Forza Italia nun auch der Lega Nord zum Erfolg. Wer solche Lösungen ermöglicht, ist ein gesuchter Partner. Und Berlusconi verfügt über Macht.

Seine Stärke: die Schwäche der anderen

Dazu kommen die Auflösungserscheinungen in der Parteienlandschaft. Das verlorene Verfassungsreferendum im Dezember vergangenen Jahres hat Ex-Premier Matteo Renzi geschwächt und zu seinem Rücktritt geführt. Er übte stets auch Anziehungskraft auf Wähler im konservativen Spektrum aus. Der gemäßigte Sozialdemokrat war eine Art italienischer Emmanuel Macron, der angesichts der von ihm ausgelösten Spannungen im linken Lager inzwischen um das eigene politische Überleben kämpft. Die systemkritische und politisch ebenfalls nach rechts schielende 5-Sterne-Bewegung fiel bei den Kommunalwahlen durch, weil sie lokal kaum verwurzelt ist und sich etwa in Genua durch internen Streit selbst schwächte.

Diese Faktoren und das Fehlen einer bürgerlichen Alternative in Italien seit dem Niedergang der Christdemokratie Anfang der neunziger Jahre haben das Stimmenpotenzial der Berlusconi-Partei zuletzt nicht übermäßig, aber doch stetig anschwellen lassen. Seine Stärke ist die Schwäche der anderen. Auf nationaler Ebene kann die Forza Italia Umfragen zufolge mit bis zu 16 Prozent der Stimmen rechnen.

Mit diesem Wert gewinnt man keine Wahlen, aber man bleibt im zerklüfteten und dynamischen Politikbetrieb Roms ein entscheidender Faktor. Berlusconi spielt in den Überlegungen von Renzi eine Rolle als möglicher Koalitionspartner nach den Parlamentswahlen. Diese könnten im kommenden Frühjahr stattfinden. Nun muss Berlusconi entscheiden, ob er auch auf nationaler Ebene mit den Rechtspopulisten von der Lega Nord koalieren soll. Er würde es unter einer Bedingung tun: dass er der Chef bleibt.

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