Präsident Macron - Neustart für den deutsch-französischen Motor

Wie erwartet gewinnt Emmanuel Macron die Präsidentschaftswahlen in Frankreich klar. Die Erleichterung in Brüssel und Berlin ist groß. Nun sollten deutsche Politiker dem neuen französischen Präsidenten auch besser zuhören

Ein pro-Europäer wie Macron an der Spitze Frankreichs ist auch ein Auftrag an die politische Führung in Deutschland / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die Fünfte Republik bekommt ihren achten Staatspräsidenten, sein Name ist Emmanuel Macron. Nach derzeitiger Lage konnte der 39 Jahre alte Kandidat der von ihm vor gerade mal einem Jahr begründeten Partei „En marche!“ 65,5 Prozent der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen. Er liegt damit 31 Prozentpunkte vor seiner Herausforderin Marine Le Pen vom Front National. Das ist am Ende dann doch ein deutlicher Vorsprung, so war es auch erwartet worden. Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass die Wahlbeteiligung vor fünf Jahren in der zweiten Runde bei mehr als 80 Prozent lag, diesmal waren es nur knapp 75 Prozent. Und der Anteil der aus Protest leer abgegebenen Stimmzettel („votes blancs“) ist von 5,8 Prozent in 2012 auf rund 10 Prozent gestiegen.

Wahlsieg ex negativo

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Vertrauensvorsprung, ist in Wahrheit vielmehr ein Wahlsieg ex negativo: Viele Französinnen und Franzosen haben Macron nur deshalb gewählt, weil sie die Kandidatin der extremen Rechten verhindern wollten. Das ist zwar in Frankreich kein neues Szenario, wo sich der Amtsinhaber Jacques Chirac im Jahr 2002 im zweiten Wahlgang vom Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen herausgefordert sah. Aber obwohl Chirac damals ein deutlich konservativeres Programm vertrat als diesmal Macron, stimmten am Ende 82 Prozent der Wähler für ihn. In der ersten Runde hatte Chirac vor 15 Jahren nicht einmal 20 Prozent Zustimmung erhalten, während Jean-Marie Le Pen 2002 in der ersten Runde bei knapp 17 Prozent lag – und in der Stichwahl weniger als einen Prozentpunkt hinzugewann. Diesmal also ergab sich ein ganz anderes Bild, denn der Zuspruch für Marine Le Pen belief sich vor zwei Wochen auf 21,3 Prozent, womit sie von der ersten zur zweiten Runde rund 13 Prozentpunkte hinzugewann.

Schnelle Erfolge von Macron unwahrscheinlich

Diese Zahlen machen deutlich, dass Frankreich ein anderes Land geworden ist. Auch und insbesondere Anhänger der Linken geben eher einer rechtsextremen EU-Gegnerin ihre Stimme als einem moderaten Kandidaten mit sozialdemokratisch-liberaler Reformagenda. Ihnen gilt Macron als neoliberaler Globalisierungsjünger, der noch dazu eine Zeitlang – horribile dictu! – bei einer Investmentbank mit dem offenbar höchst verdächtigen Namen „Rothschild & Cie“ beschäftigt war. Das ist wahrlich keine komfortable Ausgangssituation für den künftigen Präsidenten, der in den nächsten fünf Jahren nicht nur die Wirtschaft seines Landes auf Vordermann bringen, sondern auch die abgrundtiefen ideologischen Gräben überbrücken muss, die sich in Frankreich in den vergangenen zwei Dekaden aufgetan haben.

Schon im Juni wird sich bei den Parlamentswahlen zeigen, ob Macrons Bewegung „En marche!“ ein entsprechendes Mandat erhält. Wahrscheinlich wird der neue Staatspräsident aber mit einer Kohabitation vorlieb nehmen und sich mit den Republikanern unter ihrem neuen Spitzenkandidaten François Baroin arrangieren müssen. Wer vor diesem Hintergrund und angesichts des in Frankreich ohnehin stark ausgeprägten Besitzstandsdenkens an schnelle Erfolge glaubt, dürfte deshalb schon sehr bald ernüchtert sein. Ohnehin plant Macron keine Rosskur nach schröderschem Agenda-Vorbild, sondern eher sanfte Anpassungen etwa des überregulierten Arbeitsmarkts an die ökonomische Realität.

Deutsche Politiker sollten Macron genau zuhören 

Für Deutschland ist die Wahl Emmanuel Macrons zweifelsfrei der bessere Ausgang. Dass sich – von Angela Merkel über Wolfgang Schäuble bis zu Sigmar Gabriel – das halbe Bundeskabinett öffentlich für den 39-Jährigen ausgesprochen hatte, dürfte ihm allerdings mehr geschadet als genutzt haben. Insbesondere ein Lob durch die Kanzlerin nährt die längst nicht nur von Marine Le Pen gepflegte Legende, Macron werde als eine Art verlängerter Arm der Bundesregierung in den Élysée-Palast einziehen. Was wiederum sehr bezeichnend ist für das Verhältnis der beiden Länder zueinander.

Insofern sollte die Wahl eines expliziten Pro-Europäers zum französischen Staatsoberhaupt auch als Auftrag an die politische Führung der Bundesrepublik verstanden werden, Emmanuel Macrons europapolitische Vorstellungen nicht reflexartig vom Tisch zu wischen. Wer tatsächlich davon überzeugt ist, dass die EU – trotz aller Defizite – den Bürgern bessere Zukunftsperspektiven bietet als ein Europa des neuen Nationalismus, wird Frankreichs neuem Staatsoberhaupt zumindest sehr genau zuhören müssen. Das Bild vom „deutsch-französischen Motor“ mag zwar abgegriffen wirken. Es ändert aber nichts daran, dass sich ohne grundsätzliches Einvernehmen zwischen Berlin und Paris die gefährliche Malaise der Europäischen Union noch verschärfen wird. Eine Malaise übrigens, die mit Sicherheit im Interesse derer lag, die unmittelbar vor der Stichwahl die Veröffentlichung geleakter Dokumente aus Macrons Wahlkampf besorgt haben.

Franzosen stimmen auch für den Euro

Die Wahl Macrons war auch ein (vorläufiges) Votum der Französinnen und Franzosen für einen Verbleib in der EU und beim Euro. Der künftige Präsident hat allerdings klar gemacht, dass er die Europäische Union verändern möchte; er tritt ein für einen gemeinsamen Haushalt der Eurozone, „um Investitionen besser anschieben und auf Krisen reagieren zu können“, wie es Macrons Chefberater Jean Pisani-Ferry unmissverständlich formuliert hat. Wenn der deutsche Finanzminister also öffentlich bekundet, in Emmanuel Macron seinen Favoriten gefunden zu haben, dann wird er dessen europapolitische Kernthesen nicht einfach abkanzeln können. Bei aller berechtigten Freude der deutschen Bundesregierung über den heutigen Wahlausgang bei unseren Nachbarn: Einfacher wird es jetzt nicht. Und das ist vielleicht sogar besser so.

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