Parteitag in China - Vorhang wieder zu und viele Fragen offen

Der Parteitag der Kommunistischen Partei in China zeigt deutlich: Staatschef Xi Jinping will sein Land bis Mitte des Jahrhunderts zur globalen Führungsmacht machen. Doch seine To-Do-Liste ist lang

Nach wie vor sieben Männer: Die Führungsriege der Kommunistischen Partei / picture alliance
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Falk Hartig ist Sinologe und forscht an der Universität Frankfurt/Main zu Fragen der politischen Kommunikation.

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Das ist das Schöne am Ein-Parteien-Staat China: er gibt Außenstehenden immer wieder Rätsel auf und ermöglicht vielfältige Interpretationen, wie es mit China und somit auch mit der Welt weitergeht.

Beginnen wir mit dem neuen Personal. Besonders viel wurde über die Zusammensetzung des neuen Ständigen Ausschusses des Politbüros – dem innersten Machtzirkel Chinas  spekuliert. Gemutmaßt wurde, ob Chinas bisher oberster Korruptionsjäger trotz Alterslimit im Amt bleibt; ob nur noch fünf Personen dem Ausschuss angehören könnten; gemutmaßt wurde über ein Aufrücken von Chen Min’er und Hu Chunhua, Parteichefs der Metropole Chongqing beziehungsweise der Provinz Guangdong, die beide als mögliche Nachfolger Xi Jinpings galten (oder noch gelten). Eingetreten ist all das nicht. Es sind nach wie vor sieben Männer, Korruptionsjäger Wang Qishan ist nicht mehr dabei und auch Chen und Hu haben es nicht bis ganz nach oben geschafft.

Verzicht auf Experimente

Was heißt das? Wenn wir ganz ehrlich sind, wissen wir es nicht, da die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) für fast alle Beobachter und selbst die meisten ihrer Mitglieder eine Blackbox ist. Einerseits kann man argumentieren, dass Partei- und Staatschef Xi Jinping auf allzu große Experimente und Traditionsbrüche verzichtet hat, um nicht für noch mehr Unruhe in der Partei zu sorgen, die aufgrund seiner mehrjährigen Antikorruptionskampagne ohnehin bis ins Mark erschüttert ist. Xi, so könnte man es deuten, setzt also auf Kompromiss und verzichtet darauf, seine Macht noch deutlicher darzustellen.

Andererseits wollte er vielleicht all das tun, konnte sich aber nicht durchsetzen. Vielleicht gib es trotz (oder gerade wegen) seinem Machtwillen in der Partei Strömungen, die ihn gern eingehegt sähen und ihm den – oft beschriebenen gottgleichen Status mit Staatsgründer Mao Zedong  nicht zubilligen wollen.

Nach bisherigen Maßstäben relativ klar ist allerdings, dass im neuen Ständigen Ausschuss wohl kein direkter Nachfolger Xis sitzt. Somit kann weiterhin vortrefflich spekuliert werden, ob Xi vielleicht nicht wie üblich nach zwei Amtszeiten abtreten wird.

Ist Xi der neue Mao oder nicht?

Ebenfalls vielleicht nicht ganz so eindeutig verhält es sich mit der Festschreibung seines Namens im Parteistatut, worüber im Vorfeld ebenfalls spekuliert wurde. Ja, er wird nun namentlich genannt; ja, zu Lebzeiten eingeschrieben wurde bisher nur Mao Zedong; ja, andere seiner Ideen, wie das global ausgreifende Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“ werden ebenfalls verewigt.

Aber auch hier kann man über die vorherrschende Deutung zumindest nachdenken. Zunächst zum Begriff selbst, den „Xi Jinping-Gedanken über den Sozialismus chinesischer Prägung in einer neuen Ära“. Das ist, selbst im Parteijargon der KPCh, kein sonderlich knackiger Slogan. Die Vermutung, dass Xi und seine Anhänger die einprägsameren „Xi Jinping-Gedanken“ ohne theoretischen Anhang bevorzugt hätten, lässt sich, natürlich, nicht beweisen, liegt aber nahe.

Auch ist der „Sozialismus chinesischer Prägung“ keine Erfindung Xis, sondern wurde bereits von Deng Xiaoping auf dem 12. Parteitag der KPCh 1982 genutzt. Vielleicht handelt es sich also auch hier um einen Kompromiss: die Partei gesteht Xi zwar den Status eines großen Denkers und Theoretikers zu, möchte ihn dann aber doch nicht auf eine Stufe mit Mao Zedong stellen.

Riesige To-do-Liste

Inhaltlich geht es um die sozialistische Modernisierung Chinas in jeglicher Hinsicht. Xi sprach unter anderem über Kultur (wichtig, besonders die traditionelle chinesische Kultur), die Wirtschaft (wichtig, unter anderem soll China ein Land der Innovationen werden), Umwelt (wichtig, Ziel ist ein „schönes China“) und Ideologie (sehr wichtig, die Partei steht über allem, westliche politische System werden nicht kopiert).

Nach innen und außen gerichtet war die Botschaft, dass China seinen historisch angestammten Platz auf der Weltbühne wieder einzunehmen gedenke. Deutlich stellte Xi klar, dass China bis Mitte des Jahrhunderts eine globale Führungsmacht werden will. Dazu gehört auch die Schaffung eines starken Militärs, welches Kriege führen und, wenn nötig, auch gewinnen kann. Gleichzeitig wies er aber auch daraufhin, dass China an Kooperation interessiert ist und er machte deutlich, dass Isolation heutzutage keine Lösung sei, da wir alle in einer gemeinsamen Welt leben und ein gemeinsames Schicksal teilen.

Welche praktischen Folgen diese riesige To-do-Liste für China und die Welt hat und wie grau möglicherweise alle Parteitheorie sein wird, bleibt offen. Denn schließlich gilt in China, vielleicht mehr noch als anderswo, was angeblich schon Konfuzius sagte und Deng Xiapoing prominent postulierte: „die Wahrheit in den Tatsachen suchen“.

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