Pandemie in den USA - Warum Trumps „totale Autorität“ in der Coronakrise angezweifelt wird

Der US-Präsident, verkündete Trump in dieser Woche, habe die „totale Autorität“ in der Coronakrise. Manche Gouverneure zweifeln diese aber offen an und bekämpfen das Virus im Alleingang. Derweil hat Trumps medizinischer Berater bessere Umfragewerte als er selbst.

Donald Trump sucht nach Schuldigen für die miserable Lage der USA in der Coronakrise / dpa
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Normalerweise scharen sich Amerikaner in Krisenzeiten um ihren Präsidenten — als George W. Bush in Afghanistan einmarschierte, hatte er mehr als 90 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung — aber in der Coronakrise unter Donald Trump ist das anders. Im Gegenteil, Amerika ist noch zerstrittener als zuvor.

Und Trump gießt noch Öl ins Feuer und sucht Schuldige. Denn er selber, davon ist er überzeugt, macht einen großartigen Job als Krisenbewältiger. Er hat nun auch neue Sündenböcke gefunden, nämlich die Gouverneure der Bundesstaaten, vor allem Gavin Newsom in Kalifornien und Andrew Cuomo in New York, beides Demokraten. Die sperren sich dagegen, die Ausgangssperren zu lockern. Trump aber glaubt, er könne ihnen das befehlen. Der Präsident, verkündete Trump, habe die totale, oberste Autorität im Land.

Eine erstaunliche Wende

Das ist eine erstaunliche Wende: Vor kurzem hatte Trump noch behauptet, es sei Sache der Gouverneure, welche Maßnahmen gegen Corona sie träfen, und er sei nicht schuld an deren Fehlentscheidungen. Ganz allein entscheiden will Trump allerdings auch nicht; er hat ein Team ernannt, das ihn beraten soll, wann die Restriktionen wieder aufgehoben werden. Dem gehören sein Schwiegersohn Jared Kushner und seine Tochter Ivanka an.

Andrew Cuomo hat sich in diesen Wochen zum führenden Anti-Trump-Demokraten entwickelt. Cuomo erwiderte dem Präsidenten, Amerika habe keinen König, auch Trump müsse sich Gesetzen unterordnen. Cuomo stammt, wie Trump, aus dem New Yorker Stadtteil Queens; wie dieser, kann er recht aggressiv sein, und wie dieser verdankt er seinen Aufstieg seinem Vater, Mario Cuomo, der ebenfalls langjähriger Gouverneur des Staates New York war. Trump war damals auch noch Demokrat, spielte in der New Yorker Politik aber keine große Rolle. Für Andrew Cuomo allerdings hatte er nie viel Sympathien. Der heutige Gouverneur war Bill Clintons Secretary of HUD  — das Äquivalent eines Bauministers — und mit HUD lag Trump in ständigen Clinch, weil die Behörde ihn drängte, an Afro-Amerikaner zu vermieten. Dass Cuomo zur „Clinton Machine“, dem politischen Kreis um die Clintons gehört, macht ihn nicht beliebter.

Trump will doch keinen Streit

Cuomo — dessen Großeltern aus Süditalien stammen — ist nicht der einzige Amerikaner italienischer Abstammung, der Trump derzeit Kopfschmerzen bereitet. Auch sein medizinischer Berater Anthony Fauci, der meist bemüht ist, sich aus politischen Debatten herauszuhalten, erregte den Ärger seines Chefs. Die New York Times hatte am Wochenende einen Bericht veröffentlicht, wonach Trump Warnungen vor Corona lange ignoriert habe. Gleichzeitig trat Fauci bei CNN auf und sagte, Leben hätten gerettet werden können bei einer schnelleren Reaktion. Nicht nur hasst Trump die New York Times und CNN, die er als „fake news“ bezeichnet, Fauci ist ohnehin im Fadenkreuz der Evangelikalen, die Trumps Basis bilden, und von denen viele glauben, Corona sei ein „Hoax“,  eine Erfindung der Demokraten und ihrer liberalen Medien, um Trump zu schaden. Auch wegen Drohungen aus diesen Kreisen hat Fauci zusätzlichen Personenschutz beantragt.

Anfangs sah es so aus, als ob sich Trump den Kritikern von Fauci anschließen würde; er retweetete einen Tweet mit dem hashtag #firefaucy. Inzwischen aber hat der Präsident offenbar beschlossen, keinen offenen Streit zu suchen, denn Faucis Zustimmungsraten liegen mit 80 Prozent rekordverdächtig hoch, während die von Trump bei knapp über 50 Prozent rangieren. Stattdessen veranlasste er den Mediziner zu einer öffentlichen Erklärung: Der Präsident, schrieb Fauci, habe in der Coronakrise keineswegs gezögert, Trump habe sofort Ausgehverbote verhängt, nachdem Fauci es ihm empfohlen habe. Das ist eine interessante Formulierung, denn damit übernimmt Fauci die Verantwortung, falls seine Empfehlung zu spät gewesen sein sollte. Aber nun kann er immerhin weiterarbeiten.

Newsom glaubt nicht an Trumps „totale Autorität“

Derweil fährt Gouverneur Gavin Newsom einen aggressiven Kurs, Kalifornien unabhängig von Washington, D.C. durch die Krise zu steuern. Am Wochenende erklärte der Gouverneur, Kalifornien, der bevölkerungsreichste und wohlhabendste Staat in den USA, sei ein eigener „Nation-State“; das Land werde seine wirtschaftliche Macht nutzen, alles aufzukaufen, was seine Bürger brauchten und das gegebenenfalls an andere Staaten exportieren, um von der Bundesregierung unabhängig zu sein. Auch Newsom glaubt offenbar nicht an die „totale Autorität“ des Federal Government über die Bundesstaaten.

Aber nicht nur die politische Landschaft ist gespalten, auch darin, wie das Land von der Coronakrise getroffen wird, zeigt sich eine Spaltung. Überrepräsentiert unter den Erkrankten und Toten sind ärmere Afro-Amerikaner und Latinos in den Großstädten, weil die in „essentiellen“ Berufen überrepräsentiert sind — Krankenschwestern, Postboten, Lebensmittellieferanten, Busfahrer. Die Notfallstationen der Krankenhäuser in der Bronx und Queens sind mit dunkelhäutigen Menschen überfüllt, hingegen sind die Apartmenthäuser der Weißen an der Park Avenue leer. Die können es sich leisten, in ihre Landhäuser auszuweichen; notfalls auch sofort: So vermietete — laut New York Post — ein Immobilienmakler ein Zwölf-Zimmer-Anwesen in Bridgehampton in den Hamptons für zwei Millionen Dollar an einen Hedgefonds-Manager in Manhattan. Der wollte New York mit seiner Familie von einem Tag auf den anderen verlassen können.

Während die einen sterben und die anderen fliehen, meldete sich Trumps früherer Berater Roger Stone zu Wort, der in Kalifornien darauf wartet, eine bevorstehende Haftstrafe anzutreten. Stone hat den tatsächlichen Verursacher des Virus entdeckt: Bill Gates. Gates und andere Globalisten, sagte Stone am Montag im Radio „nutzen das Virus, um Pflichtimpfungen durchzusetzen und Microchips in Menschen zu implantieren, so dass wir wissen, ob sie getestet wurden“. Immerhin: Stone berät den Präsidenten nicht mehr.

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