Wahl in Österreich - Ein Signal – auch für Deutschland

Sebastian Kurz triumphiert bei den Parlamentswahlen, die FPÖ geht unter – und die Grünen feiern ihre Auferstehung. Unsere österreichischen Nachbarn machen vor, wie man politischen Mehltau überwindet

Strahlender Sieger: Sebastian Kurz / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Das sieht nach einem großen Triumph für Sebastian Kurz aus: Nach ersten Hochrechnungen haben der ehemalige (und künftige) österreichische Bundeskanzler und seine ÖVP 37,2 Prozent aller abgegebenen Stimmen geholt. Sie verbessern sich damit im Vergleich zur Nationalratswahl des Jahres 2017 um satte 5,7 Prozent und sind damit die unangefochten stärkste politische Kraft Österreichs, versehen mit einem klaren Regierungsauftrag. Großer Verlierer ist die skandalgebeutelte FPÖ des neuen Parteivorsitzenden Norbert Hofer: Letzte Umfragen hatten die FPÖ noch bei knapp über 20 Prozent gesehen; das Hochrechnungsergebnis von 16 Prozent ist mit einem Minus von zehn Prozentpunkten im Vergleich zum Jahr 2017 eine deftige Klatsche. Ibiza lässt grüßen, die jüngsten Spesenskandale dürften den Trend nach unten noch einmal beschleunigt haben.

Die österreichischen Grünen zählen wie die ÖVP zu den großen Gewinnern des Abends, mit 14,3 Prozent (und einem Plus von 10,5 Prozentpunkten) gelingt ihnen der Wiedereinzug ins Parlament. Die Liste „Jetzt“ des ehemaligen Grünen-Politikers Peter Pilz scheitert hingegen mit 1,8 Prozent deutlich an der Vier-Prozent-Hürde, die sie bei der zurückliegenden Wahl noch knapp übersprungen hatte. Sie dürfte damit Geschichte sein. Die Neos wiederum erreichen nach ersten Hochrechnungen 7,4 Prozent und legen damit um 2,1 Punkte zu. Deutliche Verluste muss die SPÖ einstecken: Sie verliert 4,9 Punkte auf 22 Prozent – ein historisch schlechtes Ergebnis.

Verein von Polit-Hasardeuren

Die alles überragende Frage lautet jetzt natürlich: In welcher Koalition wird Sebastian Kurz sein Land regieren? Denn dass er es tun wird, steht außer Frage – linke Mehrheiten sind weit und breit nicht in Sicht. Dass die FPÖ für Kurz grundsätzlich der bequemere Partner wäre, ist wohl einigermaßen klar, zumal die Freiheitlichen in ihrer geschwächten Situation zu weitreichenden Zugeständnissen bereit sein dürften. Doch haben die vergangenen Tage, Wochen und Monate gezeigt: Bei der FPÖ handelt es sich schlicht und ergreifend um eine unseriöse Partei, noch dazu um eine mit Verbindungen ins rechtsextreme Milieu. Jederzeit ist mit neuen Skandalen zu rechnen.

Selbst für den Fall, dass die FPÖ ihren ehemaligen Vorsitzenden Heinz-Christian Strache endgültig loswerden sollte, sind für Kurz die Risiken mit diesem Verein von Polit-Hasardeuren wohl einfach zu groß: Der junge ÖVP-Vorsitzende muss sein Regierungsschiff für die nächsten fünf Jahre in ein ruhigeres Fahrwasser bekommen, um nicht selbst Schaden zu nehmen. Die Warnungen vor einer Koalition mit der FPÖ haben sich in der türkis-blauen Regierungszeit auf dramatische Weise bestätigt – und es grenzt an ein Wunder, dass Sebastian Kurz nicht nur unbeschadet, sondern sogar gestärkt daraus hervorgegangen ist. Und weil er nicht zu der Sorte Politiker gehört, die denselben Fehler zweimal machen, sollte sich die FPÖ auf die Opposition vorbereiten.

Stress mit Hardcore-Grünen

Das gilt wohl auch für Österreichs Sozialdemokraten. Deren Vorsitzende, die Quereinsteigerin Pamela Rendi-Wagner, hat trotz eines engagierten Wahlkampfes den Niedergang ihrer Partei nicht aufhalten können. Dass die SPÖ relativ deutlich vor der FPÖ liegt, ist ein schwacher Trost: Die heutigen 22 Prozent sind das schlechteste Ergebnis für die Sozialdemokraten in der Nachkriegsgeschichte, weshalb Rendi-Wagner auch um ihren Job wird fürchten müssen. Zwar würde es mit der SPÖ für Sebastian Kurz zu einer großen Koalition locker reichen, aber seine Raison d'être besteht ja gerade darin, den Mehltau des scheinbar ewigen Bündnisses aus SPÖ und ÖVP überwunden zu haben. Kaum vorstellbar, dass er ausgerechnet jetzt die alten Zeiten wiederbeleben möchte. Die meisten Österreicher dürften das genauso sehen.

Bleibt für Kurz und seine voll auf ihn zugeschnittene Partei also eigentlich nur die Möglichkeit einer Koalition mit den Neos und den Grünen. Weil die Neos eine Art urbanere und jugendlichere Ausgabe der ÖVP sind, dürften Verhandlungen mit ihnen verhältnismäßig leicht fallen. Die erst im Jahr 2012 gegründete Partei setzt sich vor allem für eine Modernisierung des verkrusteten österreichischen Bildungssystems ein, womit sie vielen ihrer Landsleute aus dem Herzen spricht. Deutlich schwieriger dürfte es für Kurz hingegen mit den Grünen werden, zumal diese wegen ihres triumphalen Wiedereinzugs ins Parlament sehr viel Selbstbewusstsein in Koalitionsverhandlungen mitbringen werden. Besonders die Hardcore-Grünen aus Wien dürften es ihrem Lieblingsfeind Kurz in Koalitionsverhandlungen nicht einfach machen; allerdings ticken die Grünen außerhalb der Hauptstadt schon deutlich konzilianter.

Letzter Ausweg: Dirndl-Koalition?

Das Zustandekommen einer sogenannten Dirndl-Koalition aus ÖVP, Neos und Grünen könnte nicht zuletzt wegen des Zuspruchs durch den österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen gelingen. Der ist bekanntlich selbst ein Grüner, und dass er über hinreichend viel Pragmatismus verfügt, hat er in den vergangenen Monaten unter Beweis gestellt. Ein Selbstläufer ist das alles trotzdem nicht; die Koalitionsverhandlungen könnten sich durchaus bis zum Ende des Jahres hinziehen.

An den großen Nachbarn Deutschland gehen heute von Österreich zwei wichtige Signale aus. Das erste: Ein bürgerlicher Politikansatz wird zum Erfolgsmodell, wenn er – wie bei Sebastian Kurz – konsequent und glaubhaft umgesetzt wird. Und zweitens: Neuen Bündnisoptionen gehört die Zukunft. Mit dem Blick auf Österreich sieht die Merkel-Republik jedenfalls seit heute noch älter aus denn je.

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