Neuer US-Präsident - Das Trumpelstilzchen

Nicht alle Ansätze von Donald Trump sind falsch. Doch sie werden überschattet von seinem Wesen, das offenbar nie der Pubertät entkommen ist. Ein cholerischer Charakter wie er hat im Machtpoker mit Wladimir Putin keine Chance

Der neue US-Präsident ist alles andere als ein eiskalter Analytiker / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Der Spiegel hat diese Woche ein ausgezeichnetes Titelbild, eines, das die ganze Situation auf einen Blick klar macht. Es zeigt über der Zeile „Trumps Spiel“ ein Billard-Queue, das dabei ist, die Spielkugel (in den amerikanischen Farben) zum Anspiel auf das zurechtgerückte Dreieck der anderen Kugeln loszuschießen, ganz vorn an der Spitze des Dreiecks liegt die deutsche Kugel, die entscheidende schwarze acht im Zentrum ist das Russland von Wladimir Putin.

Donald Trump, der amerikanische Präsident spielt Pool-Billard mit der Welt, und wie die Kugeln dann auseinanderfegen, ist derzeit noch nicht genau abzusehen. Aber klar ist: Es wird das bisher festgefügte Kugeldreieck gehörig über den Tisch der Welt verteilen. Ende offen.

Schöpferische oder bloße Zerstörung?

Bei Cicero Online sind nach der Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten zwei Texte erschienen, die die positive Seite dieser Auflösung einer erstarrten Ordnung sowohl innenpolitisch in den USA als auch außenpolitisch hervorheben. Das ist nicht verkehrt, aber zugleich nicht das ganze Bild. Das ganze Bild wird erst klar, wenn man sich den Mann vergegenwärtigt, der am Ende des Queues steht und dieses Spiel mit den Weltmächten mit all seinen Charaktereigenschaften zu spielen gedenkt, die er bisher zu erkennen gegeben hat. Die Frage ist: Kommt da schöpferische Zerstörung aus den USA, oder einfach nur Zerstörung? Und da gibt es, bei aller gebotenen Zurückhaltung und Vorläufigkeit, klaren Anlass zur Sorge.

Um beim Positiven anzufangen: Natürlich sind zwei Ziele von Donald Trump rundheraus zu begrüßen: Erstens, das Verhältnis zu Russland und Waldimir Putin wieder auf ein neues Fundament zu stellen (bei aller berechtigten Kritik an Putins Vorgehen in der Krim und der Ostukraine). Da hat Barack Obama mit seinem Hochmut gegenüber Russland, das Obama als Regionalmacht bezeichnet hatte, großen und unnötigen Schaden angerichtet. Und zweitens ist Trumps Ansatz richtig, dem weltweiten Wüten und Morden des sogenannten Islamischen Staates ein Ende bereiten zu wollen. Ziel zwei kann dabei am besten über Ziel eins erreicht werden, in Zusammenarbeit mit Russland.

Putin nicht gewachsen

Nur kommt an dieser Stelle Trumps Wesen ins Spiel und überschattet diese beiden richtigen Grundansätze. Der neue amerikanische Präsident zeigt Verhaltensweisen und hat eine Art zu kommunizieren, die mehr als nur den Verdacht nahelegen: Dieser Mann denkt schlicht und ist unbeherrscht, rachsüchtig und infantil – im Grunde einer lebenslangen Pubertät nie entkommen.

Wenn einer nach seiner Amtseinführung über die Frage, wie viele denn da nun wirklich gekommen waren, eine derart unsouveräne und kindische Attitüde an den Tag legt wie Donald Trump, dann berechtigt es zu keinerlei Hoffnung, dass er der Raffinesse und Selbstbeherrschung eines Wladmir Putin auch nur in Ansätzen gewachsen sein könnte. Dieser Mann an der Spitze der Vereinigten Staaten ist nach der Temperamtenlehre kein Sanguiniker, also ein Bruder Leichtfuß, was vielleicht noch ginge in so einer Position. Er ist ein unberechenbarer Choleriker. Ein solches Rumpelstilzchen aber genehmigt sich einer wie Putin zum Frühstück. 

Schlicht in Wort und Denken

Und als solches ist Trump offenbar nur begrenzt imstande, klare Gedanken zu fassen. Rachsucht und permanenter innerer Kriegszustand sind keine guten Ratgeber. Die Schlichtheit seiner Gedanken bleibt leider nicht auf Wahlkampfsprüche beschränkt. Wahlkampf ist immer plakativ und letztlich banal. Seine geistigen Fähigkeiten spiegeln sich jedoch auch in Interviews wie zuletzt in jenem mit der Bild-Zeitung. Man muss Sätze nicht künstlich verschachteln und glücklich ins Ziel führen, wie es Norbert Lammert tut, um Kluges zu sagen. Man kann präzise Gedanken auch in kurzen Sätzen äußern, wie Franz Müntefering. Aber Trump schafft es, wirres und widersprüchliches Zeug in kurzen Sätzen zu sagen: zu Angela Merkel, zur Nato, zu allem. Das macht beklommen. 

Man wünschte sich von einem amerikanischen Präsidenten, der mit dem Atomkoffer um die Welt reist, mehr Abgeklärtheit, um selbst besser schlafen zu können. Es mag schon sein, dass die Welt einen neuen Anstoß braucht. Aber es muss dann darum gehen, dass der Mann, der den Queue führt, nicht einfach nur wildes Durcheinander anrichten, sondern die Kugeln peu à peu besonnen in die Löcher bugsieren möchte. Gute Billardspieler wissen, wie viel Fingerspitzengefühl dafür notwendig ist. Bisher hat Trump auch nur dezente Hinweise auf das Vorhandensein dieser Gabe nicht gezeigt. 

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