Midterms in den USA - Schaulaufen auf der blauen Welle

Bei den Midterms in den USA können die Demokraten einige Erfolge erzielen und erobern das Repräsentantenhaus zurück. Im Senat aber verlieren sie gegenüber den Republikanern. Die große Rebellion gegen Donald Trump bleibt also aus. Dennoch wird es für den Präsidenten jetzt schwieriger werden

Endlich gab es wieder was zu feiern für Nancy Pelosi, Anführerin der Demokraten im Repräsentantenhaus / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Die ganz große blaue Welle wurde es dann doch nicht bei den Zwischenwahlen in den USA am Dienstag – aber immerhin, die Demokraten haben das Repräsentantenhaus erobert, und zudem einige Gouverneursposten in konservativen Staaten ergattert. Nur mit der Mehrheit im Senat, der wichtigeren der beiden Kammern im US-Kongress, hat es nicht geklappt. Im Gegenteil, die Demokraten gaben mehrere Sitze ab. Gleich mehrere Hoffnungsträger scheiterten, allen voran Beto O'Rourke, der liberale Herausforderer des erzkonservativen Senators Ted Cruz in Texas. Nach einer zum Nägelkauen spannenden Auszählung, beide Kandidaten schwankten lange um die 50 Prozent herum, machte Cruz doch noch das Rennen. Auch Stacey Abrams in Georgia, die erste schwarze Gouverneurin der USA werden wollte und Andrew Gillum, der afro-amerikanische Bürgermeister von Tallahassee, der an die Spitze von Florida gelangen wollte, konnten ihre Ziele nicht erreichen (vorbehaltlich der endgültigen Auszählung). Andererseits, dass so viele Außenseiter gegen bekannte, langjährige Amtsinhaber überhaupt so weit gekommen sind, ist durchaus bemerkenswert.

Viele Frauen und Angehörige von Minderheiten gewählt

Überhaupt war es bemerkenswert, wer so alles nach Washington gewählt wurde, insbesondere bei den Demokraten. Sehr viele Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten waren darunter – wie Debra Haaland und Sharice Davids, die ersten beiden Indianerinnen überhaupt im Repräsentantenhaus (eine davon offen lesbisch), oder auch Ilhan Omar und Rashida Tlaib, die ersten beiden muslimischen Frauen in der Geschichte der USA im Kongress. New York schickte Alexandria Ocasio-Cortez ins Repräsentantenhaus, eine Latina und mit 29 Jahren die jüngste Abgeordnete in der US-Geschichte. Und Jared Polis, ein offen schwuler Demokrat wurde zum Gouverneur von Colorado gewählt,der auch nicht unbedingt als ein traditionell liberaler Staat gilt.

Auch in anderen Staaten gab es unschöne Überraschungen für die Republikaner: In Wisconsin wurde der langjährige Tea-Party-Freund und Gewerkschaftsfeind Scott Walker abgewählt, auch Michigan, Illinois und New Mexico wurden demokratisch. Sogar im erzkonservativen Kansas wird eine demokratische Frau die Regierung übernehmen; Laura Kelly. Damit haben sich die Demokraten noch mehr als Partei der urbanen Wähler, Immigranten und Minderheiten etabliert, während die Republikaner vornehmlich unter Weißen in ländlichen Gegenden punkten konnten. Nicht zufällig hatten die Republikaner Wahlwerbung mit Verunglimpfungen der „Karawane“ von Honduranern gemacht, die sich gerade auf dem Weg durch Mexiko zur amerikanischen Grenze befindet. Das heißt aber auch: Die Kluft, die durch Amerika geht, ist mit der Wahl noch stärker und der Ton noch schärfer geworden. Bezeichnend ist, dass der aus Kuba stammende Ted Cruz sich nicht nur einen englischen Vornamen verpasst hat, sondern auch den Wahlkampf weitgehend auf Englisch bestritt, während O'Rourke den hispanischen Spitznamen „Beto“ trägt und auch auf Spanisch wahlkämpft. Tatsächlich heißt Beto mit Vornamen Robert Francis; seine Familie stammt aus Irland, während Cruz als „Rafael“ geboren wurde.

Demokraten können deutlich zulegen

Die blaue Welle der Demokraten ist beeindruckender, als sie auf den ersten Blick aussieht. Tatsächlich haben die Demokraten in der Wählergunst sogar um neun Prozent gegenüber den Republikanern zugelegt, aber ein paar US-amerikanische Besonderheiten haben dafür gesorgt, dass das nicht vollständig durchschlug: Durch das sogenannte Gerrymandering, das Zuschneiden von Wahlbezirken nach der Präferenz der Wähler, hatten die Republikaner einen Vorteil. Zudem wurden Wähler von den Listen gestrichen, etwa, weil sie das Mal davor nicht zur Wahl gegangen waren, oder weil sie sich nicht registrieren konnten. In North Dakota, beispielsweise, wurde Indianern das Wählen verwehrt, weil dazu eine ordnungsgemäße Adresse nötig ist, in den Reservaten gibt es die aber oft nicht. Außerdem bildeten sich vor allem in städtischen Gegenden die üblichen stundenlangen Wahlschlangen.

Abgeschreckt hat das aber diesmal offenbar nicht viele Amerikaner. Seit Wochen hatten beide Parteien dafür getrommelt, wählen zu gehen. Insbesondere bei den Demokraten haben zehntausende Freiwillige wochenlang jeden potentiellen Wähler bearbeitet, ja nicht zu Hause zu bleiben, um, so kam es vielen vor, den Untergang des Abendlands nicht zu beschleunigen. Es liegen noch keine genauen Zahlen vor, aber die Wahlbeteiligung erreichte in einigen Staaten Rekordwerte von bis zu 75 Prozent – ungewöhnlich in einem Land, das vor Donald Trump noch gelangweilt von Politik war. Und in den nächsten Jahren könnte die Zahl noch steigen: Florida hat ein Gesetz verabschiedet, wonach Verurteilte nach ihrer Haftentlassung ihr Wahlrecht zurückerhalten. Das betrifft alleine in Florida 1,5 Millionen Menschen, darunter ein erheblicher Anteil Afro-Amerikaner. Wenn eine derartige Regelung in anderen Staaten Schule macht, könnte das die nächsten Wahlen aufmischen.

Für Trump wird es schwieriger

Was bedeutet der Wahlausgang für Donald Trump? Der Präsident ist bereits dabei, das Ergebnis als großen Sieg für die Republikaner zu verkaufen, aber tatsächlich dürfte ihm ein Repräsentantenhaus mit einer demokratischen Mehrheit durchaus Probleme bereiten. Zum einen können Vorhaben wie die Eliminierung der Krankenversicherung ObamaCare nun nicht mehr durchgesetzt werden. Das war für viele Amerikaner wahlentscheidend. Und dann gibt es noch die Ermittlungen zu Trumps Russlandgeschäften und seine unveröffentlichten Steuererklärungen. Wenn Demokraten wie Jerry Nadler oder Maxine Waters den entsprechenden Kontrollausschüssen vorstehen, können sie Unterlagen anfordern, die den Präsidenten in Verlegenheit bringen könnten. Beide haben das bereits angekündigt, bevor überhaupt die Posten vergeben wurden.

Apropos Präsident: Natürlich gelten die Zwischenwahlen auch als Testlauf für Demokraten, die sich für das Weiße Haus schon mal warmlaufen wollen. Der umtriebige Senator Cory Booker aus New Jersey soll bereits gesehen worden sein, wie er sieben Minuten nach der Schließung der Wahllokale in Iowa landete, wo traditionell der amerikanische Wahlkampf beginnt (wenn auch erst 2020). Elizabeth Warren, wiedergewählte Senatorin von Massachusetts und Hoffnungsträgerin der Liberalen, läuft sich ebenfalls in Swing States warm. Noch mehr Ehrgeiz hat Andrew Cuomo, der seine dritte Amtszeit als Gouverneur von New York gewonnen hat. Cuomo ist eine furchtlose Kodderschnauze, der Trump gut kontra geben könnte. Und auch „Beto“ O'Rourke kann sich noch Hoffnungen machen. Denn ein Demokrat, der die bevölkerungsreiche republikanische Hochburg Texas gewinnen könnte, kann auch ganz Amerika gewinnen.
 

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