Merkel und Macron bei Trump - Wie schwer wiegt Europas Gewicht?

Iran, Syrien, China und Zölle – es geht um dicke Brocken, wenn Angela Merkel und Emmanuel Macron US-Präsident Donald Trump besuchen. Dabei zählt auch persönliche Zuneigung. Macron hat die Nase vorn, das muss aber nicht so bleiben

Merkel und Macron müssen Trump auf ihre Seite ziehen / picture alliance
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Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Wie steht es um den Einfluss der EU-Staaten auf die amerikanische Regierung? Wird ihr Wort in Washington gehört oder müssen sie mit großen politischen Geschenken anreisen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Gespräche des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit US-Präsident Donald Trump.

Gemessen werden soll das europäische Gewicht und der Einfluss von Merkel und Macron auf Trump gleich an drei bedeutenden Entscheidungen. Bleiben die Zölle für Stahl und Aluminium für die EU über den 1. Mai hinaus ausgesetzt? Überlebt der Nuklearvertrag mit dem Iran den 12. Mai? Werden sich die USA doch nicht ganz aus Syrien zurückziehen? Dabei könnte es gut sein, dass die drei Fragen miteinander verbunden werden. Merkel und Macron müssen Trump auf ihre Seite ziehen, wenn der transatlantische Graben nicht wie der Grand Canyon aussehen wird.

Zwischen anlehnen und ablehnen 

Macon hat bei seinem Besuch schon versucht, Trump dafür zu gewinnen, das Nuklearabkommens mit dem Iran beizubehalten. Hier sind sich die französische und deutsche Außenpolitik einig und seit Monaten verhandeln ihre Botschafter mit den USA. Selbst über den Kongress wollte man Einfluss auf die Entwicklung nehmen. Macron und Merkel hoffen also abzubinden, was gut vorbereitet wurde. Ob es gelingt?

Das hat wesentlich auch damit zu tun, ob die beiden den schwankenden Präsidenten persönlich dafür gewinnen können. Denn seine bisherige Einschätzung widerspricht den Europäern. Er will das Abkommen beenden und wird von einem Teil seiner Berater darin bestärkt. Können Merkel und Macron gegen Sicherheitsberater John Bolton auf der persönlichen Ebene ankommen? Vielleicht. Den Versuch ist es bei allen Risiken wert.

Bei Macrons Besuch wurde ja schon sichtbar, wie eng er sich an den Präsidenten lehnte. Fast zu eng, um nicht als anbiedernd durchzugehen. Bundeskanzlerin Merkel wird hingegen ein beschränkter Zugang zu Trump nachgesagt. Falls das so sei, muss es nicht so bleiben. Mit Präsident Obama begann die persönliche Beziehung ebenfalls nicht euphorisch. Trump gab Merkel nicht die Hand und Merkel zuvor Obama nicht das Brandenburger Tor. So etwas kann sich einrenken und der Bundeskanzlerin ist dies in aller Professionalität zuzutrauen.

Kommt ein neuer Vertrag mit dem Iran?

Aber reichen die Schnittmengen in der Interessenlage ebenso aus? Ein neuer Vertrag mit Iran – und Russland sowie China – könnte nach den Andeutungen des französischen Präsidenten sowohl den Kern des Nuklearabkommens retten als auch weitere Bedenken einbeziehen: die iranische Regionalpolitik, den Test von ballistischen Raketen und die Frage, was eigentlich geschieht, wenn das Nuklearabkommen endet. Bisher war den USA die Mitgliedschaft Irans im Nichtverbreitungsvertrag keine ausreichende Absicherung. Das könnte sich ändern, wenn sich die EU-Staaten zu Sanktionen in den anderen Fragen einig werden. Wie man Iran, Russland und China an den Verhandlungstisch bringen möchte, ist aber ein Rätsel.

Iran schien auch der Schlüssel für ein weiteres Engagement der USA in Syrien. Dass die iranische Regierung keinen Zugang zum Mittelmeer finden darf, schien dem amerikanischen Präsidenten sehr eingängig. Im Pentagon wird man dies nun durchbuchstabieren. Was es letztlich bedeutet, wenn die USA in Syrien engagiert bleiben, und was sie dann von den in ihren Augen zurückhaltenden EU-Staaten erwarten, wird man sehen. In diesem Kontext gilt es auch zu beachten, dass die Beziehungen zum Iran Einfluss auf den Ölpreis haben. Amerikanische Unternehmen verdienen an Öl und Gas derzeit und Fracking lohnt sich erst ab einer gewissen Marge.

Gemeinsame Front gegen China

China hingegen ist an hohen Energiepreisen wenig interessiert. Das könnte ein weiterer Hebel in den bilateralen amerikanisch-chinesischen Handelsbeziehungen sein, die mit einem Besuch des amerikanischen Finanzministers in Peking in die nächste Phase der Auseinandersetzung gehen. Auch die kräftig auftretende amerikanische Nordkoreapolitik mag in China zur Konzentration auf die USA-Politik beitragen. Die Kritik des Internationalen Währungsfonds an einigen Seidenstraßen-Krediten eröffnete eine weitere Facette der Auseinandersetzung.

Spätestens hier hätten die EU-Staaten wieder kräftige Interessen, die zur Gemeinsamkeit mit den USA beitragen und Merkel gegenüber Trump ins Spiel bringen kann. Denn der Einfluss chinesischer (Staats-)Unternehmen von Griechenland bis Ungarn, der schon jetzt als zukünftiger politischer Druck bewertet wird, kann ein weiterer Mosaikstein für eine gemeinsame Handelspolitik gegenüber China sein, neben der Frage, wie Überkapazitäten bei bestimmten Produkten eingeschränkt werden können. Wird man also über China und den Iran reden, um gemeinsame Positionen auszuloten, die Zölle gegenüber europäischen Produzenten hinfällig machen? Das ist gut möglich, aber nach den ersten Gesprächen sind Ergebnisse keineswegs sicher absehbar.

Trumps teure Rechnung

Denn der amerikanische Präsident gefiel sich auch in der Pressekonferenz mit seinem französischen Kollegen darin zu sagen, dass er sich dieses oder jenes überlegen und dann entscheiden werde. Nur dass es gut und richtig sei, das wisse er jetzt schon. Diese Unsicherheit begleitet derzeit eine Europäische Union, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht daran gedacht hat, dass sich die Führungsleistungen der USA in der internationalen Politik einmal anders darstellen könnten. Dabei war es seit der Präsidentschaft von Bill Clinton absehbar, dass eine solche Lage eintreten könnte. Der Krieg in Jugoslawien schreckte die EU-Staaten ebenso wenig auf wie der Irakkrieg oder der selbst initiierte Krieg in Libyen. Solange die USA die Hauptkosten trugen.

Dazu sind die USA nicht mehr bereit. Präsident Trump präsentiert nun auch die Rechnung für die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte. Vielleicht war mehr Zusammenarbeit in der EU einfach nicht möglich; möglicherweise hätte man die internationale Politik nicht so lange durch die Brille der positiven Erwartungen sehen sollen.

Kumpelhaftigkeit allein reicht nicht

Wie dem auch sei: jetzt muss man mit einem US-Präsidenten verhandeln, zu dem aus Europa bisher alleine der französische Präsident einen persönlichen Zugang zu haben scheint. Kumpelhaftigkeit kann helfen, ist allein aber keine ausreichende Grundlage für internationale Absprachen. Die EU-Staaten werden der amerikanischen Regierung deshalb etwas Substantielles anbieten müssen – und zwar aus Eigeninteresse. Ob Präsident Macron gut vorgearbeitet hat und Bundeskanzlerin Merkel verstärkend auf Präsident Trump einwirken kann, ob sie ihn persönlich für ihre Positionen gewinnen können, daran werden beide in den nächsten Tagen gemessen werden.

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