Kampfdrohnen aus Israel - Tabubruch durch die Hintertür

Bewaffnete, unbemannte Kampfdrohnen galten im Bundestag bisher als unmoralisch. Doch jetzt bestellt Deutschland Drohnen aus Israel. Diese sind kampffähig und dürften deswegen nicht eingekauft werden. Aber mit einem Trick hat die Große Koalition das umgangen

Die Heron-Aufklärungsdrohnen können auch bewaffnet eingesetzt werden / picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Die deutsch-israelischen Beziehungen sind in Kurzform schnell erzählt: Intensive Zusammenarbeit auf vielen Gebieten – von der Kultur über die Wissenschaft bis zur Wirtschaft, vor allem im High-Tech-Bereich. Außerdem besteht eine tiefe Kluft bei der Umsetzung einer Zwei-Staatenlösung, vor allem wegen der Siedlungspolitik und beim Atomabkommen mit dem Iran. Doch auf einem Gebiet werden die Beziehungen jetzt noch enger: Die militärische Kooperation boomt. Und am Rande des jüngsten Berlin-Besuchs des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu machte es Kanzlerin Angela Merkel öffentlich: Die Bundeswehr bekommt nun doch Kampfdrohnen – made in Israel. Ein lange umstrittenes Tabu ist gefallen.

Es klang zunächst vergleichsweise harmlos. Ja, so bestätigte Merkel ganz am Ende ihrer Pressekonferenz mit ihrem Gast Benjamin Netanjahu, die Bundesregierung werde an den Plänen für die neuen Drohnen festhalten, zum Schutze der deutschen Soldaten im Ausland. Das klang wie eine einfache Fortsetzung der schon vor Jahren im Leasing-Verfahren beschafften Heron-Aufklärungsdrohnen, die von der Bundeswehr in Afghanistan und Mali eingesetzt werden. Doch jetzt geht es um eine ganz neue Qualität, und die hat in der deutschen Politik eine hohe Brisanz. Das Nachfolgemodell G-Heron TP (Das G steht übrigens für German) kann zwar auch mit Hochleistungssensoren aufklären, aber vor allem ist es eine Kampfdrohne. Die Israelis setzen sie auch in ihren Konflikten regelmäßig ein. Sie verfügt über eine hoch präzise Waffe mit langer Reichweite, die sozusagen als Drohne unter der Träger-Drohne abgefeuert wird und so nur in Israel zu haben ist.

Auch die SPD ist für die Drohnen

Schon Thomas de Mazière stieß als Verteidigungsminister das Projekt Kampfdrohne für die Bundeswehr an, doch es kam nicht richtig vom Fleck. Bewaffnete, unbemannte Kampfdrohnen galten vor allem bei vielen Abgeordneten im Bundestag als unmoralisch. Dahinter verbarg sich die Abneigung gegen die amerikanischen Killer-Drohnen des Typs Predator, mit denen die CIA weltweit den Kampf gegen den Terrorismus führte. Auch Ursula von der Leyen unternahm einen Versuch, und ihr Generalinspekteur Volker Wieker entschied sich für das israelische Modell Heron TP, das nach Ansicht von Fachleuten der amerikanischen Konkurrenz deutlich überlegen ist. Die Amerikaner versuchten, diese Entscheidung vor deutschen Gerichten wegen fehlender Ausschreibung zu verhindern und den Kauf von US-Drohnen zu erzwingen. Damit scheiterten sie jedoch an der deutschen Justiz. Doch vor allem der Widerstand im Bundestag verhinderte den Abschluss. Die SPD machte sich in der vergangenen Großen Koalition im Wahlkampf 2017 schnell vom Acker. Doch nun, endlich erneut in der Regierung, gehen auch die Sozialdemokraten mit. 

Und so übersandte das SPD-geführte Finanzministerium dem Haushaltsausschuss des Bundestages am 28. Mai die Vorlage zur Beschaffung, die Cicero vorliegt. Je nach Berechnung der Modalitäten soll das Projekt rund 1,2 Milliarden Euro kosten, fünf G-Heron TP sollen von den  Israelis geleast werden. Der neue Typ habe, so beschreibt es diese Vorlage, deutliche Vorteile – unter anderem bei Geschwindigkeit, Reichweite, Sensorleistung und Bewaffnungsfähigkeit. Dann wird es noch genauer: „Auch ist zum dringend notwendigen Schutz eigener und verbündeter Kräfte am Boden eine Bewaffnungsfähigkeit mit einer kleinen, skalierbaren und abstandsfähigen Präzisionsmunition zukünftig realisierbar“. Um danach die Vorzüge dieser Bewaffnung in den höchsten Tönen zu preisen: „Hierdurch kann eine schnelle, präzise und räumlich begrenzte Wirkung erzielt werden, um die Gefährdung eigener Kräfte und ziviler Opfer zu vermeiden“.

Das politische Ziel ist klar

Damit ist zwar klar, worum es geht. Aber wenn es sich um bewaffnete Kampfdrohnen handelt, dann geht der politische Eiertanz erst einmal weiter. Denn um den Abgeordneten die Zustimmung für das Projekt abzuhandeln, baut die Bundesregierung vorläufig noch eine Hintertür ein. Erst einmal werden die Kampfdrohnen beschafft, aber noch ohne Bewaffnung. Denn, so heißt es in der Vorlage: „Über die Herstellung der vollumfänglichen Bewaffnungsfähigkeit, die eine taktische Waffenausbildung des Bedienpersonals der Luftwaffe voraussetzt, sowie über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden.“

Will heißen: Erst einmal fliegen die Drohnen übungsweise in Israel herum. Ein Einsatz über Deutschland ist nicht vorgesehen, dafür gibt es im deutschen Luftraum keine Zulassung. Die Konsequenz ist aber politisch weitreichend: Die Bundeswehr richtet erstmals eine Dauerpräsenz in Israel ein. Auf der israelischen Luftwaffenbasis Tel Nof sollen deutsche Soldaten und Techniker in den kommenden neun Jahren ausgebildet werden und das System betreiben. Die Vorbereitungen laufen auf vollen Touren. Auch bei den Rüstungsindustrien rücken beide Länder noch enger zusammen. Der Partner der Israelis wird die Airbus Defence & Space Airborne Solutions (ADAS) in Bremen.

Frühestens in 27 Monaten wird dann entschieden, ob sie für den Einsatz in Mali und Afghanistan bereit sind. Ob dann mit oder ohne Bewaffnung, darüber wird es im Bundestag gewiss noch manche Auseinandersetzung geben. Das politische Ziel dabei ist klar: Die Bundeswehr will die Bewaffnung. Die Vorbereitungen dafür werden dann längst getroffen sein. Die G-Heron TP wird so ausgerüstet, dass  die Waffen dann nur noch eingehängt werden müssen. 

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