Konflikt zwischen Israel und Iran - Eine neue Dimension des Krieges in Syrien?

Nach dem Abschuss eines israelischen Kampfjets durch Syrien spitzt sich der Konflikt zwischen Israel und Iran zu. Sollte Iran nun die Hisbollah von der Leine lassen, könnte sich die gesamte Region in einen Feuerball verwandeln

Ein israelischer F16-Kampfjet ist von einer syrischen Rakete abgeschossen worden / picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Es war für die israelische Luftwaffe eine extreme Herausforderung. Ihr Vergeltungsangriff nach dem Einfliegen der iranischen Drohne musste mit größter Präzision geflogen werden. Denn die syrische Luftwaffenbasis Tiyas, auch als T-4 bekannt, wird nicht nur von den Syrern, sondern auch von der russischen Luftwaffe und von iranischen Einheiten genutzt. Vor allem aber musste Israel verhindern, dass auch russische Soldaten oder russisches Material getroffen werden. Israel hat einen funktionierenden Kontakt zu Russland, über den immer wieder Absprachen getroffen werden, um eine direkte Konfrontation zu verhindern.

Politisches und militärisches Signal

Auf der anderen Seite sollte erneut sowohl eine militärisches wie auch ein politisches Signal gesendet werden: Israel wird unter keinen Umständen dulden, dass sich der Krieg in Syrien auf sein Gebiet ausdehnt. Vor allem dem Erzfeind Iran sollte klar gemacht werden, dass eine solche Aktion nicht ohne Antwort bleibt.

Die israelische Regierung hatte nach dem Beginn des Syrienkrieges eine strategische Entscheidung getroffen: der Staat der Juden will sich in diesen unübersichtlichen Krieg nicht einmischen. „Let them bleed“, fasste der damalige Verteidigungsminister Mosche Jaalon die Haltung zusammen – sollen sie sich doch bekriegen und dabei ausbluten, Israel hält sich raus.

Das hat lange Zeit auch funktioniert. Gelegentliche Feuerüberfälle auf den Golanhöhen wurden, meist zu Recht, als militärische Betriebsunfälle gewertet. Israel schoss immer zurück, vermied aber eine Ausweitung, danach war wieder Ruhe.

Iran hat Hisbollah aufgerüstet

Doch als sich der Iran zunehmend in den Konflikt einmischte, hat sich die Situation verändert. Vor allem, weil der Iran die libanesische Hisbollah als Kampftruppe  zur Unterstützung des Assad-Regimes immer stärker einbezog, wuchs in Jerusalem die Nervosität. Denn der Iran belohnte das militärische Eingreifen der Hisbollah-Kämpfer mit einer noch stärkeren Ausrüstung mit hochmodernen Waffen. Das Raketenarsenal der Hisbollah wuchs so auf an die hunderttausend Geschosse an, die gegen Israel gerichtet sind und mit ihrer immer größeren Reichweite eine tödliche Bedrohung für die jüdische Bevölkerung darstellen.

Israel hat deshalb in den vergangenen Monaten wieder und wieder Waffentransporte für die Hisbollah auf syrischem Territorium aus der Luft angegriffen und zerstört. Dabei wurde dem Assad-Regime jedoch signalisiert, dass diese Angriffe nicht gegen die Regierung in Damaskus gerichtet und damit keine Einmischung in den Bürgerkrieg seien.

Das macht die neue Eskalation so brisant. Denn seit der Iran immer offensichtlicher mitmischt und zusammen mit den Russen und den Assad-Regierungstruppen erfolgreich die Entscheidung sucht, wächst in Jerusalem die Sorge, der Iran könne nun zusammen mit Hisbollah den nächsten Schritt tun: die direkte Auseinandersetzung mit dem Staat der Juden.

Test der israelischen Reaktion

Dem, so die Entscheidung der Benjamin Netanjahu-Regierung, wird sich Israel mit allen Mitteln entgegenstellen. Das Einfliegen einer iranischen Aufklärungsdrohne wird dabei als Testballon gewertet, ob und wie die israelische Luftwaffe reagiert.

Sie tat es mit einem heftigen Angriff, der keine Zweifel aufkommen lassen kann. Aber der Versuch, Kollateralschäden zu vermeiden, führte zu einem hohen Preis. Die Piloten mussten dabei Anflugmanöver wählen, die sehr risikoreich waren. Ein F-16-Jagdbomber wurde dabei erstmals von einer von den Syrern abgefeuerten SA-5-Rakete abgeschossen. Dabei kann Israel von Glück sprechen, dass die Maschine und die Piloten noch israelisches Territorium erreichten – eine Gefangennahme wäre ein politischer Albtraum geworden.

Dennoch: Die Gefahr ist groß, dass der Konflikt um Syrien eine neue Dimension bekommt. Israels Premier Netanjahu hat mit Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Außenminister Rex Tillerson telefoniert, die Amerikaner haben sich auf die Seite ihres Verbündeten Israel gestellt. Russland hat an beide Seiten appelliert, sich zurückzuhalten – ein nicht unwichtiges Signal. Putin will seine Erfolge im Mittleren Osten nicht gefährden und hat kein Interesse an einem Konflikt mit Israel.

Sinnt der Iran auf Rache?

Jetzt ist das Mullah-Regime am Zug. Die Frage wird sein, ob Teheran die Botschaft verstanden hat oder auf Rache sinnt – und dabei möglicherweise die Hisbollah von der Leine lässt.

Das wiederum könnte zu einer militärischen Eskalation führen, die die gesamte Region in einen Feuerball verwandeln würde. Es ist fünf vor zwölf. Die Frage ist, ob die Beteiligten bereit sind, die Uhr noch anzuhalten.

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