Gute Noten für den Biontech/Pfizer-Impfstoff in Israel - Sind Geimpfte kaum noch ansteckend?

In Israel hat die Auswertung neuer Daten ergeben, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer die Ansteckung anderer Personen mit einer Wirksamkeit von 90 Prozent verhindert. Noch wurde diese Zahl nicht überprüft. Und sie fällt mitten in den Wahlkampf. Doch sollte sie stimmen, wäre das ein Durchbruch.

Über 90 Prozent der über 60-Jährigen sind in Israel inzwischen geimpft. Jüngere kommen häufiger ins Krankenhaus als Ältere / dpa
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Mareike Enghusen berichtet als freie Journalistin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Nahen Osten, vornehmlich aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie hat Politik- und Nahostwissenschaften studiert und ihre journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule absolviert.

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Neue Funde aus Israel zur Wirkung des Biontech/Pfizer-Impfstoffs gegen Covid-19 sorgen international für Euphorie: Allem Anschein nach lindert der Impfstoff bei einer Erkrankung nicht nur die Symptome, sondern schützt auch vor Ansteckung. Ob sich durch die Impfung auch die Übertragung verhindern lässt, war bislang die große Frage, die die Hersteller schuldig blieben – und deren Antwort als entscheidend gilt für den weiteren Verlauf der Pandemie und ihre Bekämpfung. Experten zeigen sich allerdings skeptisch: Einer kritischen Prüfung halten die vorgelegten Daten nicht stand.

Ausgelöst haben die Begeisterung zwei unterschiedliche Quellen, die am Wochenende auf verschiedenen Wegen an die Öffentlichkeit gelangten. Das israelische Gesundheitsministerium gab einen kurzen Report mit mehreren Statistiken heraus, denen zufolge das Risiko einer Covid-19-Infektion zwei Wochen nach der zweiten Impfung um fast 96 Prozent sinkt. Des Weiteren reduziere der Impfstoff mit 99-prozentiger Effektivität das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufes, die eine Einlieferung ins Krankenhaus erzwingen.

Die Daten sind noch skizzenhaft 

Der Report enthält jedoch weder Angaben über die verwendeten Daten noch über die Methodik, die zu ihrer Analyse eingesetzt wurde. Ohne derlei Informationen sei es „schwer, sich eine Meinung zu bilden“, schreibt Eran Segal, Experte für Genetik und Künstliche Intelligenz am israelischen Weizmann-Institut, der sich zuletzt mit Analysen von Covid-Statistiken einen Namen gemacht hat. Sollten sich die Funde als korrekt herausstellen, „ist das großartig, aber wenn nicht, sollten sie korrigiert werden, denn sie werden vermutlich einen Einfluss auf das Verhalten und die Vorsichtsmaßnahmen der Geimpften haben“.

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Ebenfalls am Wochenende veröffentlichte der israelische Journalist Nadav Eyal von der Tageszeitung Yediot Ahronot Auszüge aus einem Studienmanuskript, an dem ebenfalls Wissenschaftler des Gesundheitsministeriums mitgewirkt hatten. Dem Entwurf zufolge verhindert der Pfizer-Impfstoff die Übertragung des Virus mit einer Wirksamkeit von fast 90 Prozent. Die Studie hat jedoch bisher keinen Peer-Review-Prozess durchlaufen, wurde also noch nicht von unabhängigen Wissenschaftlern überprüft; zudem sind auch in diesem Fall die zugrundeliegenden Daten und die Vorgehensweise unbekannt. Nach den ersten begeisterten Berichten in ausländischen Medien meldete sich Eyal per Twitter zu Wort: „Wie ich in meiner Story betont habe, haben hochrangige Vertreter im Gesundheitsministerium gesagt, dass die Daten zur Infektionsreduzierung bestenfalls skizzenhaft sind“, schrieb er. „Sie hängen zu sehr von der Teststrategie ab.“

Haben sich asymptomatisch Infizierte auch testen lassen? 

Israelische und internationale Wissenschaftler haben die bisher bekannten Teile der Studie mit kritischem Blick analysiert. „Ich verstehe nicht, wie diese Forscher zu dem Schluss kommen können, dass der Pfizer-Impfstoff Infektion verhindert, wenn sie nicht routinemäßig auf Infektion getestet haben“, schreibt etwa die US-amerikanische Epidemiologin Céline Gounder, die den US-Präsidenten Joe Biden bei der Pandemiebekämpfung berät. „Diejenigen, die asymptomatische Infektionen hatten, haben sich vielleicht nicht testen lassen.“

Bis in der Übertragungsfrage Gewissheit besteht, wird die Welt sich also noch etwas gedulden müssen. Dennoch geben Erkenntnisse aus Israel Grund zur Hoffnung. Dass die Impfung die Symptome der Erkrankung stark lindert, haben schon mehrere israelische Studien belegt – und inzwischen zeigt die Wirkung der Impfkampagne sich auch im Alltag. 50 Prozent aller Israelis haben nach Angaben des Statistikportals Our World in Data von der Oxford-Universität mindestens eine der zwei empfohlenen Dosen des Pfizer-Impfstoffs erhalten.

Die Ergebnisse fallen mitten in den Wahlkampf 

Unter den Über-60-Jährigen, in der die Impfrate bei über 90 Prozent liegt, sinkt die Zahl der coronabedingten Krankenauseinlieferungen deutlich; inzwischen müssen sich mehr jüngere Israelis wegen einer Covid-19-Infektion stationär behandeln lassen als ältere. Auch die Zahl der täglichen Neuinfektionen fällt, obwohl die Regierung Anfang Februar einen bis dahin geltenden Lockdown aufgehoben hat.

Die Nachricht von der hohen Wirksamkeit des Biontech/Pfizer-Impfstoffs dürfte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu so oder so entgegen kommen. Am 23. März wird in Israel gewählt. Und Netanyahu schien eigentlich schon abgemeldet, weil er in diverse Skandale verstrickt ist. 

Der Impfpass als App  

Seit gestern dürfen in Israel nun auch wieder sämtliche Geschäfte öffnen, ebenso wie eine Reihe von Freizeiteinrichtungen. Nicht jeder darf sich allerdings darin vergnügen: Zutritt zu Fitnessstudios, Kinos, Kultur- und Sportveranstaltungen erhalten nur jene, die den sogenannten Grünen Pass vorweisen können – ein digitales Zertifikat für Bürger, die entweder geimpft sind oder eine Covid-19-Erkrankung hinter sich haben und daher als immun gelten.

Seit Sonntag sollen Immunisierte den Pass per App herunterladen können. Derzeit bricht die dafür eingerichtete Webseite des Gesundheitsministeriums jedoch immer wieder zusammen. Offenbar hält sie dem hohen Andrang nicht stand: Die Sehnsucht nach einer Rückkehr zur Routine ist einfach überwältigend. 

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