Islamischer Staat - Wohin mit den Frauen des IS?

Auch deutsche Frauen waren aktiv in der Terrororganisation Islamischer Staat. Zurück in Deutschland, werden die meisten jedoch nicht für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. Dabei sind diese Frauen genauso gefährlich wie Männer. Sie zu bestrafen, reicht aber nicht aus

Eine irakische Frau wartet in einem Lager für Familienangehörige von IS-Kämpfern / picture alliance
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Autoreninfo

Seyran Ateş arbeitet als Anwältin und Publizistin. Sie ist Gründerin der liberalen Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin.

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Deutsche Staatsangehörige, die der Terrororganisation Islamischer Staat angehörten, sitzen im Nahen Osten in Gefangenenlagern. Sie wollen zurück nach Deutschland, nachdem der IS militärisch an den Rand einer Niederlage gebracht wurde. Nicht, weil sie Deutschland plötzlich lieben, sondern, weil sie einen deutschen Pass besitzen. Sie wollen in Deutschland vor ein Gericht gestellt werden. Plötzlich finden sie den Rechtsstaat Deutschland und unsere Gesellschaft angeblich gut, weil Frauen und Kindern Schutz und ein Leben in Würde geboten wird. Mit einem Mal erinnern sie sich an ein Land, in dem Frauen und Kinder vom Staat finanzielle und andere Unterstützung bekommen.

Was soll mit Deutschen geschehen, die sich einst dem IS anschlossen? Es geht nicht nur um Männer. Auch um die Frauen und Kinder. Viele von ihnen verbleiben in Kriegslagern und verbüßen Gerichtsurteile, die von den örtlichen Behörden verhängt worden sind. Da es sich jedoch um deutsche Staatsangehörige handelt, fallen sie unter die deutsche Gerichtsbarkeit und liegen daher in unserer Verantwortung. Was also sollte der deutsche Rechtsstaat tun? 

Bedrohung oder nicht?

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat kürzlich unter anderem die sofortige Rückkehr einer Frau und ihrer drei Kinder angeordnet, die Teil des Islamischen Staates waren, und erklärt, dass es keine Bedrohung gebe, die aus ihrer Rückkehr hervorgehen wird. 

Diese Rechtsansicht ist, gelinde gesagt, pikant. Seit Beginn des Konflikts in Syrien haben sich die Ansichten der Regierung laufend gewandelt, wie die Situation zu handhaben sei. Anfänglich war die Rede von Entzug der Staatsbürgerschaft. Dies ist aber verfassungswidrig und hätte nur durch ein entsprechendes Gesetz Anwendung finden können. 

Sind Frauen nur Opfer? 

Da diese eingeschlagene Richtung auf viel Gegenwehr traf, entschied sich die Politik, zu tun, worin sie die meiste Übung hat: Den Kopf einziehen und hoffen, dass der Sturm sich legt. Rechtliche Prozeduren gegen Personen, die Straftaten begangen haben und den Islamischen Staat unterstützten, werden nicht mehr einheitlich durchgeführt. Vor allem nicht im Fall von Frauen und Kindern. Denen wird Amnestie gewährt.  

Es ist interessant, dass im 21. Jahrhundert nach wie vor die irrige Meinung vorherrscht, dass Frauen in solchen Organisationen keine größere Rolle spielen. Große Teile der europäischen Politik und Gerichte scheinen nicht zu glauben, dass Frauen des Islamischen Staates im gleichen Ausmaß an der Kriegsführung beteiligt sein können wie Männer. Man sieht sie als Objekte an, die die ihnen zugewiesene Rolle widerstandslos erfüllen. Sind Frauen nur Opfer? Ich glaube, dass diese Fehlinterpretation auf zwei grundlegenden Missverständnissen beruht. 

Terror als Domäne des Mannes?

Erstens ist die Mehrheit davon überzeugt, dass Krieg und Gewalt exklusiv eine Domäne des Mannes sind. Es scheint für unsere Gesellschaft unverständlich, dass eine Frau direkt an einem Konflikt an vorderster Front beteiligt sein kann. Das ist absurd. Im Syrienkonflikt muss man nur über die Grenzen hinweg zu den Kurdischen Milizen schauen, um dieses Vorurteil auszuräumen. Beim Islamischen Staat waren Frauen zwar nicht direkt an der Front, sehr wohl wurden sie aber etwa in die Al-Khansaa Brigade einberufen: Eine religiöse Polizei, die durch Anwendung brutalster Mittel das Scharia Recht erzwang und auch nicht vor Hinrichtungen zurückschreckte. Frauen überwachen andere Frauen also, aktuell auch in den Gefangenenlagern, ob sie sich „islamisch“ verhalten – natürlich nach dem kruden Verständnis des IS.

Manche dieser Frauen sind einer Hirnwäsche unterzogen worden. Diese Denkweise lässt sich nicht einfach abschütteln. Vor allem nicht, wenn sie einst willkommen war. Die meisten Frauen, die dem Ruf des Islamischen Staates nach Syrien gefolgt waren, so wie die Deutsche Nadja Ramadan, haben es als ihre Berufung gesehen, dem Kalifat durch Treue und Unterwerfung zu dienen. 

Staatsfeinde in Deutschland

Der Krieg gegen den IS war außerdem nicht nur ein Gefecht um Leben und Tod. Es war mehr ein Kampf der Ideologien. Dieser Informationskrieg kann überall ausgefochten werden. Dies ist die größte Gefahr für Deutschland. Die IS-Frauen zurückzuholen, könnte bedeuten, Staatsfeinde nach Deutschland zu holen. Wir klagen heute schon über die Einflussnahme von islamistischen Gruppierungen wie der Muslimbrüderschaft oder Milli Görüs. Die Rechten nutzen das für ihren Wahlkampf.  

Wie stellen wir uns die Zukunft vor, wenn wir versuchen, Personen zu integrieren, die sich dem verbrecherischstem Regime des vergangenen Jahrzehnts angeschlossen haben, ohne dass sie sich für ihre Taten verantworten müssen? Sie zeigen teilweise nicht einmal Reue. Und was ist mit ihren Kindern? Was kann ein Neugeborenes gegen das Verschulden seiner Eltern tun? Diesen Kindern sollte die Rückkehr in die Heimat auf keinen Fall verwehrt bleiben. Sippenhaft ist unmenschlich, unmoralisch und rechtswidrig.

Kindeswohlgefährdung und Kindesmisshandlung

Der Rechtsstaat muss die Voraussetzungen für jegliche Formen der Resozialisierung schaffen – egal, ob für Täter oder Opfer. Eltern, die Teil des Islamischen Staates waren, sollten sich auch wegen Kindeswohlgefährdung und seelischer Kindesmisshandlung verantworten. Vergehen und Verbrechen an Kindern werden in Deutschland mit sechs Monaten bis zehn Jahren Haft bestraft. Die Überwachung dieser Familie durch das Jugendamt muss engmaschig und intensiv erfolgen. Die Kinder brauchen nicht nur ein stabiles Umfeld, in dem sie aufwachsen können. Es ist auch nötig, dass sie psychologische Betreuung bekommen, um jene Gräuel zu verarbeiten, die sie erleben mussten. 

Es ist wichtig, dass deutsche Staatsbürger für ihre Vergehen und Verbrechen nach deutschem Recht und in Deutschland selbst, die absolute Härte unserer Justiz spüren. Egal ob Mann oder Frau. 

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