Attacke auf Tanker vor Iran - „Es geht darum, wer das strategische Sagen in der Region hat“

Nach der Attacke auf zwei Tanker in der Straße von Hormus verschärfen sich die Spannungen zwischen dem Iran und den USA. Wie glaubwürdig ist das Video, das eine Beteiligung des Iran beweisen soll, und droht eine militärische Eskalation? Antworten von Ex-General und Sicherheitsberater Erich Vad

Getroffener Öltanker: „Die aktuellen Zwischenfälle eskalieren sicherlich den Konflikt“ / picture alliance
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Herr Vad, nach dem mutmaßlichen Angriff auf zwei Öltanker im Golf von Oman wächst weltweit die Sorge vor einer Eskalation im Konflikt zwischen den USA und Iran. Der Angriff erfolgte in einer Meerenge, der Straße von Hormus. Sie gilt als strategisch sehr wichtig. Warum eigentlich?
Die Straße von Hormus ist eine ungefähr 30 Seemeilen breite Meerenge. Die von Schiffen befahrbare Route durch iranisches und omanisches Hoheitsgebiet ist nur wenige Meilen breit. Die Meerenge ist immer noch von strategischer Bedeutung für den weltweiten Ölexport sowohl nach China, Indien und Japan wie nach Westeuropa und in die US – trotz Planung und Baus alternativer Pipelines auf dem Festland durch die Staaten des Golfkooperationsrates mit Unterstützung der USA und Saudi Arabiens. Eine Sperrung der Durchfahrt durch iranische Hoheitsgewässer – wie sie bereits mehrfach von iranischer Seite angedroht wurde – wäre ein Verstoß gegen die Genfer Seerechtskonvention und beträfe insgesamt ein Drittel der weltweiten Ölversorgung. Durch die Straße von Hormus läuft praktisch der gesamte Schiffsverkehr von und zu den Ölhäfen des Iran, der Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrains, Katars und Kuwaits. Auch ein Drittel des weltweiten Flüssiggases wird hier abgewickelt. Nicht von ungefähr ist die Meerenge ein wichtiges strategisches Druckinstrument des Iran und liegt deshalb im strategischen Fokus der USA mit ihrer in Bahrain stationierten 5. US-Flotte.

Die USA haben ein Video veröffentlicht, wonach die Attacke von iranischen Revolutionsgardisten vorbereitet wurde. Wie glaubwürdig ist diese Quelle, gerade auch mit Blick auf die Videos angeblicher „Weapons of Mass Destruction“ vor dem Irak-Krieg?
Ich denke, dass man das mediale Material nachrichtendienstlich auswerten müsste, um es abschließend beurteilen zu können. Die aktuellen Zwischenfälle eskalieren sicherlich den Konflikt und führen bereits dazu, den Ölpreis in die Höhe zu treiben. Ob solche oder ähnliche Zwischenfälle berechtigte Anlässe für ein militärisches Austragen des Konfliktes sind oder nicht, ist eigentlich nicht entscheidend. Die Ursache der Konfrontation mit den USA ist der Versuch des Iran, seit Jahren eine ordnungspolitische Führungsrolle in der Region zu spielen, die im diametralen Gegensatz zu den strategischen Interessen der USA und seiner Verbündeten in der Region, insbesondere Israels und Saudi-Arabiens, steht. 

Erich Vad

Welches Interesse hätte dann der Iran, einen Angriff wie den auf die Tanker organisiert zu haben?
Auf den ersten Blick kann man kein rationales Interesse des Iran an solchen Anschlägen erkennen. Der nährt natürlich Spekulationen über möglicherweise inszenierte Zwischenfälle, um von den eigenen Absichten abzulenken. So etwas soll, wie wir wissen, vorkommen. Aber das ist die iranische Position, die das behauptet. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit steckt der Iran tatsächlich hinter den Anschlägen, um seine eigenen, asymmetrischen Optionen in dem Konflikt beispielhaft und dosiert der medialen Weltöffentlichkeit zu demonstrieren. Wie gesagt: man muss zwischen Anlass und Ursache unterscheiden. Der „Aggressor“ in der Region ist nicht nur aus der amerikanischen Sicht heraus der Iran, dessen Einfluss tief in die arabische Welt hineinreicht. Es geht darum, wer das strategische Sagen und wer Macht und Einfluss in der Region hat. Deshalb die gezeigten Machtspiele und das „Showing the Force“ im Mittleren Osten. Im Kern geht es um die tief gehende religiöse Konfrontation zwischen Sunniten und Schiiten, um politische und strategische Interessen und Gegensätze sowie um Zugänge zu und Kontrolle von Ressourcen und Handelswegen.

Was wäre die Konsequenz, wenn der Iran die Straße von Hormus blockieren sollte?
Die weltweite Versorgung mit Öl und Gas wäre eingeschränkt und eine erhebliche Verteuerung wahrscheinlich. Die Russen würden sich wahrscheinlich freuen. Sie wären die wirtschaftlichen Hauptprofiteure. Die USA würden prinzipiell als maritime Weltmacht auf dem Offenhalten der internationalen Wasserwege bestehen. Aber sie würden dafür allein keinen Krieg beginnen. Das sieht man deutlich im südchinesischen Meer gegenüber China oder auch bei der jüngsten Kontroverse mit Russland hinsichtlich der Straße von Kertsch. Der Iran könnte drohen, die Straße zu verminen, was sicherlich bereits als Androhung Versicherungsgesellschaften hindern würde, erforderliche Deckungen für Schiffe zu übernehmen oder den Preis für Schiffsversicherungen in die Höhe treiben würde. Ein gewaltsames Offenhalten der Straße von Hormus durch die USA würde unweigerlich zu einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Iran führen. Deshalb werden sich das die USA gut überlegen. Je mehr der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, öffentlich über einen Waffengang der USA mit dem Iran schwadroniert, desto unwahrscheinlicher ist er aus meiner Sicht

Wäre denn der Iran ein ernsthafter Gegner in einem Seekrieg? 
Der Iran ist der verstärkten 5. US-Flotte maritim und technologisch weit unterlegen. Allerdings schränkt die Geographie die technologische Überlegenheit der US-Navy ein. Der Iran verfügt zudem über dutzende mit Raketenwerfern und Torpedos bestückte Schnellboote, Seeminen und zahlreiche landgestützte Raketenbatterien, die schon aufgrund der räumlichen Enge für größere Schiffe der 5. US-Flotte gefährlich werden könnten. Man darf das nicht unterschätzen. Schon die übermächtigen Perser scheiterten in der Antike bekanntlich bei Salamis gegenüber den kleinen, wendigen Schiffen der zahlenmäßig weit unterlegenen Griechen. Gleichwohl könnten die USA auch von außerhalb der Meerenge stationierten maritimen Trägerkampfgruppen aus insbesondere mit Luft- und Raketenangriffen die wichtigsten Ziele in der Region militärisch erreichen. Aber sie würden einen Krieg mit der stärksten Regionalmacht am Golf, dem Iran, riskieren. Dafür reichen die US-amerikanischen Kräfte in der Region bei weitem nicht aus. Ohne erhebliche Verstärkung geht das nicht. 

Also halten Sie eine militärische Eskalation für unwahrscheinlich?
Der Iran ist militärisch nicht nach dem vergleichsweise einfachen Schema der Golfkriege gegen den Irak zu schlagen und vor allen nicht zu besetzen. Das wissen die militärischen Planer im Pentagon nur zu gut und ungeachtet dessen, was der amerikanische Präsident per Twitter verkündet. Man muss auch sehen, dass fast alle Erdölfelder der Golfkooperationsstaaten im Wirkungsbereich der iranischen Luftwaffe und iranischer Raketen befinden. Die Erdölfelder sind prädestiniert und liegen wie auf einem Präsentierteller für iranische Vergeltungsschläge. Und man darf nicht vergessen, dass der Iran mit der hochgerüsteten Hisbollah im Libanon und den Iran-getreuen Milizen im Irak und in Syrien sehr viel Unruhe und Schaden in der Region und einen regelrechten Flächenbrand der Gewalt entfachen könnte. Ein möglicher militärischer Konflikt der USA mit dem Iran ist nicht regional begrenzbar.  

Trotzdem hat man fast den Eindruck, dass die Amerikaner versuchen, einen militärischen Konflikt zu provozieren.
Ich denke, es geht den USA erst einmal darum, die Bereitschaft zu signalisieren, dass sie als ultima ratio ihrer Iranpolitik militärische Optionen glaubwürdig nicht ausschließt. Es geht  darum, ihre Truppenpräsenz und sicherlich auch Rüstungsdeals – auch als Zeichen für ihre Verbündeten – hoch fahren zu können. Es geht auch darum, den nur begrenzt wirksamen Wirtschaftssanktionen der USA gegenüber dem Iran weiteren Nachdruck zu verleihen. Je nachdem wie der Iran in der Zukunft mit seinen nuklearen Ambitionen umgeht, könnte die Wahrscheinlichkeit steigen, dass es zu gezielten Luftangriffen auf iranische Nuklearanlagen von Seiten Israels und/oder der USA kommen wird. Aber im Moment sehe ich diese Gefahr nicht wirklich. In jedem Fall wird das Wettrüsten in der Region angeheizt, wovon vorrangig die USA profitieren. Und die vor Jahren noch als unwahrscheinlich geltende und Dank des Iran nun immer fester werdende politische Freundschaft zwischen Saudi-Arabien und Israel ist auch ein Wert an sich. Die Hardliner im Iran werden wenigstens versuchen, die Voraussetzungen für den Bau der Bombe zu schaffen. Denn nicht zuletzt das politische Schicksal eines Saddam Hussein oder Muammar al–Gaddafi hat nicht nur autoritäre politische Führungsspitzen in Teheran oder Pjöngjang gelehrt, dass man ohne Nuklearwaffen über eine nur sehr eingeschränkte politische Souveränität und Überlebensfähigkeit im internationalen System verfügt. 

Vergangene Woche war Außenminister Heiko Maas im Iran. Können Deutschland oder die EU in diesem Konflikt vermitteln?
Die Europäer spielen in diesem Konflikt letztlich keine Rolle. Sie klammern sich an ein Abkommen, das durch den Ausstieg der USA strategisch keine Bedeutung mehr hat. Sie sind nur Zaungäste und Kommentatoren eines Konfliktes,in dem sie keine Rolle spielen. Gerade beim Besuch des deutschen Außenministers hat man gesehen, wie weit entfernt die EU und vor allem Deutschland davon sind, als globaler außen- und sicherheitspolitscher Akteur ernst genommen zu werden. Das zu ändern, wäre unser aller Mühe wert.

Erich Vad war General der Bundeswehr, langjähriger Militärischer Berater der Bundeskanzlerin und ist jetzt Lehrbeauftragter an der Universität München

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