Iran-Konflikt - Wie der Iran Deutschland unterwandert

Mit Sorge schauen dieser Tage viele auf den Iran, wo sich der Konflikt mit den USA zu verschärfen droht. Dabei reicht der Arm der schiitischen Mullahs bis nach Deutschland. Seyran Ates über die unterschätzte Gefahr

Inszenierte Trauer: Auch in Deutschland versucht der Iran, die Berichterstattung zu beeinflussen / picture alliance
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Seyran Ateş arbeitet als Anwältin und Publizistin. Sie ist Gründerin der liberalen Ibn Rushd-Goethe Moschee in Berlin.

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Was haben Sie gedacht, als nach Tagen herauskam, dass 176 Menschen sterben mussten, weil ihr Flugzeug „aus Versehen“ von einer iranischen Rakete getroffen wurde, die eigentlich einen amerikanischen Militärstützpunkt zerstören sollte? Ich für meinen Teil fürchte mich gerade sehr. Und zwar davor, dass ich als Bürgerin eines Landes, in dem es seit nunmehr 70 Jahren keinen Krieg gab, nicht mehr zuordnen kann, was in der Welt tatsächlich passiert. Leider habe ich auch nicht das Gefühl, dass ich durch die Medien umfassend und ausreichend informiert werde. Und höchstwahrscheinlich liegt das daran, dass die Medien selbst keinen Zugang zur Wahrheit haben.

Wir alle blicken dieser Tage mit Sorge auf den Nahen Osten, wo sich der Konflikt zwischen dem Iran und den USA wieder zu verschärfen droht. Der Nahe Osten, ein Ort, an dem Stellvertreterkriege um Öl und Macht geführt werden. Ein Ort, der vom zivilisierten, demokratisierten Westen mit Waffen ausgestattet wird, auf allen Seiten. Ist es naiv zu glauben, dass die Kriege aufhören würden, wenn weder Waffen noch Munition nachgeliefert würden?

Aus dem Spiel „geschossen“ 

Der neue Höhepunkt in diesem Konflikt war die Nachricht, dass der Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine auf das Konto des iranischen Militärs geht. Ein „Kollateralschaden“ in einem Krieg, der mit der Tötung eines Mannes begonnen hatte, der keineswegs der Held oder Märtyrer ist, als den ihn viele Medien dargestellt haben: Qasem Soleimani. Natürlich war der Mord an ihm eine Provokation, die die Wogen hochkochen lassen musste, in Teheran und im Rest der Welt. Als Kommandeur der Quds-Einheit, einer Abteilung der Revolutionsgarden, zeichnete Soleimani für Einsätze außerhalb des Irans verantwortlich, in denen viel Blut vergossen wurde. Das ist die eine Seite der Medaille.

Die andere Seite ist, dass die Amerikaner ihn tatsächlich wie eine Schachfigur mit chirurgischer Präzision aus dem Spiel „geschossen“ haben. Bitter ist, dass mindestens 200 Menschen als direkte Konsequenz dieser Krise ihr Leben lassen mussten. Das sind jene, die bei der Panik während des Begräbnisses von Soleimani von Massen niedergetrampelt wurden – und eben jene Passagiere einer ukrainischen Passagiermaschine. Der Iran hat den Abschuss inzwischen zugegeben. Wie so oft, ist die Zivilgesellschaft von derartigen Situationen am meisten betroffen. 

Kultivierter Antisemitismus

Anlässlich dieses Konfliktes lohnt sich allerdings auch ein Blick auf die Interessenlagen des Regimes und die mit ihr verbundenen schiitischen Gruppierungen hierzulande. Der Iran verfügt über sehr aktive Netzwerke, die auch bei uns regelmäßig für Schlagzeilen sorgen, teils sogar mit dem Segen der öffentlichen Hand. 

Da wäre einerseits der latente oder explizite Hass auf „die Zionisten“, der sich vor allem am vom iranischen Regime unterstützten und von schiitischen Gruppen veranstalteten Quds-Tag entlädt. Diese Märsche haben in Berlin bereits Tradition, und nicht selten „verirren“ sich auch Extremisten und Antisemiten unter die Demonstranten. Es scheint sich um ein strukturelles Problem zu handeln. Auf Nachfrage distanzieren sich offizielle schiitische Glaubensrepräsentanten von jeder Beteiligung, als Privatpersonen werden sie allerdings regelmäßig dort gesichtet. Man möchte von einem fast kultivierten Antisemitismus sprechen, der einem hier entgegenschlägt. 

Machtzentren und Moscheezentren

Gemessen an der Zahl der rund fünf Millionen Muslime in Deutschland macht die schiitische Minderheit nicht einmal zehn Prozent aus. Diese Gruppe ist naturgemäß dominiert vom einzigen Land, das überhaupt von einer schiitischen Mehrheitsbevölkerung geprägt ist, dem Iran. Gerade deshalb werden religiöse Zentren der Schiiten häufig von iranischen Botschaften unterstützt. Exil-Iraner klären uns immer wieder darüber auf, dass umfangreiche Spionageaktivitäten von solchen Zentren ausgehen. Die deutsche Politik verschließt dennoch gerne die Augen davor. 

Eines dieser Zentren ist das Islamische Zentrum Hamburg, das besonders aktiv in der Community ist und auch mehrfach vom Verfassungsschutz als „Instrument des iranischen Regimes“ bezeichnet wurde. Dieser Tage zeigt sich das recht deutlich, denn, wie der Spiegel berichtet, gehen insbesondere von dort Solidaritätsbekundungen und Trauerveranstaltungen für den oben genannten Soleimani aus. Man wird diese Kundgebungen wohl schwer verbieten können, aber es stellt sich die Frage, warum der rot-grüne Senat in Hamburg mit Zentren wie diesem kooperiert, auch wenn er dafür mittlerweile in die Schusslinie geraten ist. 

Unerwünschte Aktivitäten in Europa? 

Der Iran hat jedenfalls schon seit Jahrzehnten versucht, ein Netzwerk der „Soft Power“ und des Einflusses in Europa zu sichern. Dazu bedient er sich auch der Milizen, denen Soleimani vorgestanden hatte. Über viele Jahre unterhielt der Iran, ähnlich wie Russland es heute noch tut, ein aktives Mediennetzwerk über den Sender „Press TV“, bis ihm schließlich die britische Regulierungsbehörde wegen antisemitischer Äußerungen die Sendelizenz entzog. Mittlerweile beschränkt sich das Angebot auf digitale Kanäle. 

Für besondere Irritation sorgte im Jahr 2017 der bei uns wenig beachtete Tod des iranischen Regimekritikers Ahmad Mola Nissi auf offener Straße in Den Haag. Genaue Hintergründe liegen in dieser Affäre noch immer im Dunkeln, aber viele Experten vermuten, dass dies kein übliches Gewaltverbrechen war, sondern ein Auftragsmord, um einen unliebsamen Kritiker loszuwerden. Ob es zum Gerichtsverfahren kommt, weiß keiner. 

Der gefährliche Tanz mit dem Märtyrertum 

Was sich bei den Trauermärschen zum Tod von Quds-Führer Soleimani wieder gezeigt hat, ist, dass die Glorifizierung des „Märtyrertums“ im schiitischen Glauben ein zentrales Element darstellt. Das spiegelt sich auch in religiösen Festen wie dem Aschura-Fest wider. Warum? Die Schiiten gedenken dabei der Ermordung von Imam Husain in der Schlacht von Kerbela, einem Enkel des islamischen Propheten Mohammed. 

Mir wurde etwa vor ein paar Monaten ein Video übermittelt, das die Problematik sehr gut verdeutlicht. Ein dreizehnminütiger Clip zeigt eine Gruppe betender Islamisten aus Berlin, die sich „Pfadfinder“ nennen. Begleitet wird ihr Gebet von rituellen Wehklagen, das typisch für diese Feierlichkeiten ist. Die Schlüsselpassage, zu der Kinder weinen (müssen), wird völlig unreflektiert rezitiert: „Oh mein Onkel, der Tod ist für mich süßer als Honig." Derartige Lesungen oder historisch angelehnte Schauspiele findet man zuhauf im Netz, auch in deutscher Sprache. 

Wie Kinder zum Hass erzogen werden

Es opfern sich historische Figuren für den Glauben und lassen ihre Familien hinter sich, um in der Schlacht zu sterben. Ich sage es ganz offen: Wenn Kinder einem solchen Einfluss ausgesetzt werden, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir sie an unterschiedlichen Kriegsschauplätzen der Welt im Kampf für die Religion wiederfinden.

Die oben erwähnten Institutionen und Machtzentren sind leider nicht Teil der Lösung, um die Kinder für den Frieden und die Demokratie zu gewinnen. Sie sind Teil des Problems und müssen endlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie antidemokratische, antisemitische, frauenfeindliche und homophobe Lehren verbreiten.

Zweckbündnis mit der Muslim-Brüderschaft 

Zu guter Letzt sind Revolutionsgarden wie die Quds-Einheit in den vergangenen Jahren auch durch „kreative“ Ansätze aufgefallen. Getreu dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ nahm man vor einigen Jahren auf höchst informeller Ebene Kontakte zur sunnitischen Muslimbruderschaft auf, um sich gegen den gemeinsamen Feind Saudi-Arabien zu verbünden, wie geleakte Daten belegen. 

Jetzt müssen wir erstmal im Auge behalten, wie es mit den USA und dem Iran weitergeht, und hoffen, dass die aktuellen Proteste im Iran Erfolg zeigen. Ich wünsche den jungen Menschen und der Opposition alle Kraft der Welt, gegen das gewalttätige Mullah-Regime zu bestehen. Die Freiheit lässt sich nicht unterdrücken. Sie ist manchmal einfach nur sehr still, wenn sie in die Öffnungen von Maschinengewehren und Panzerkanonen blicken muss.

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