Konflikt zwischen Iran und Israel - „Es war ein Warnschuss“

Erstmals bekennt Israel sich offen dazu, iranische Militärstützpunkte in Syrien bombardiert zu haben. Iran hat seinerseits mit militärischen Gegenschlägen reagiert. Droht nun ein offener Krieg?

Die Golanhöhen stehen immer wieder im Mittelpunkt der Konflikte zwischen Iran und Israel / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

So erreichen Sie Werner Sonne:

Anzeige

Nach außen war es immer ein Krieg der Worte, doch in Wahrheit führen Israel und der Iran seit Jahren einen heißen Krieg. Und das mit Sabotage und Mord gegen das iranische Atomprogramm und schweren Bombenangriffen gegen iranische Ziele in Syrien. Jetzt jedoch hat die Auseinandersetzung eine neue Stufe erreicht: Zu Beginn dieser Woche eskalierten die Angriffe, und Israel hat sich demonstrativ öffentlich dazu bekannt. Die Netanjahu-Regierung befindet sich im vorgezogenen Wahlkampf, und Premierminister Benjamin Netanjahu muss erneut zeigen, dass er der „Mister Security“ ist. Auch Deutschland hat reagiert und mit einem Landeverbot für die iranische Fluggesellschaft Mahan Air klar Position für Israel bezogen.

Der Mahan Air-Flug IRM 142 von Teheran nach Damaskus flog planmäßig, war öffentlich auf Tracking-Meldern nachvollziehbar. Und doch war es kein Flug wie jeder andere. Israels Geheimdienstler waren überzeugt, dass sich ein hochrangiger Funktionär der Revolutionären Garden des Iran an Bord befand. Zusammen mit sensiblem militärischen Material. Beides sollte auf keinen Fall in Syrien landen. 

Schlag auf Schlag

Deshalb schlug Israel zu, provozierte bewusst eine neue Eskalationsstufe im lange andauernden Konflikt zwischen Jerusalem und Teheran. Vier F-16-Jagdbomber feuerten am Nachmittag aus großer Distanz vom Mittelmeer Raketen in Richtung Flughafen Damaskus, während sich der iranische Airbus im Anflug befand. Auf dem Flughafengelände unterhält der Iran Waffendepots und andere militärische Einrichtungen. Pikant dabei: Über ihre eigens dafür eingerichtete Hotline hatten die Israelis zuvor die russischen Streitkräfte in Syrien über den Grund für den Angriff gewarnt und um Weitergabe an die Syrer gebeten. Es funktionierte: Die Syrer forderten ihre iranischen Verbündeten auf, den Anflug abzubrechen, der Airbus drehte um und flog nach Teheran zurück.

„Es war ein Warnschuss“, sagt Ron Ben-Yishai, einer der bekanntesten israelischen Militärkommentatoren für Ynetnews, dem Internetportal von Israels größter Zeitung Yediot Aharonot

Dann ging es buchstäblich Schlag auf Schlag. Der Iran stand unter Druck, nun musste ebenso öffentlich reagiert werden, und dazu möglichst spektakulär. Die Iraner feuerten eine Kurzstreckenrakete in Richtung Golanhöhen ab. Tausende israelische Touristen nutzten den Hermon-Berg bei blauem Himmel und guten Schneeverhältnissen gerade zum Skifahren. Sie wurden Augenzeuge, wie Geschosse des israelischen Iron-Dome-System die angreifende Rakete abfingen und zerstörten. Der Ski-Betrieb ging nach kurzer Pause weiter.

Die Israelis waren durch Geheimdienstinformationen auf diesen Angriff vorbereitet. Nun schlugen sie umso härter zurück: In der Nacht zum Montag wurden iranische Waffenlager, Geheimdiensteinrichtungen und Trainingscamps angegriffen. Auch syrische Luftabwehrstellungen wurden zerstört, nachdem die Syrer mit intensivem Abwehrfeuer geantwortet hatte.

Warmlaufen für den Wahlkampf

Normalerweise kommentiert Israel solche Angriffe nicht öffentlich. Doch dieses Mal war es anders. Premierminister Benjamin Netanjahu kommentierte demonstrativ: „Wir werden solche Aggressionen nicht ignorieren, während Iran versucht, sich militärisch in Syrien einzugraben“. Er sprach die deutliche Warnung aus: „Wir handeln gegen den Iran und gegen die syrischen Truppen, die die iranische Aggression unterstützen. Wer versucht, uns zu verletzen, den werden wir verletzen“.

Wie weit die markigen Worte auch dem vorgezogenen Wahlkampf geschuldet sind, den Netanjahu unter Korruptionsvorwürfen bestehen muss, darüber gehen die Meinungen in Israel auseinander. Immerhin tritt mit Benny Gantz ein populärer ehemaliger Generalstabschef (bis 2015) gegen den Dauer-Premierminister an. Aber zweifelsfrei ist, dass Israel zunehmend öffentlich die Konfrontation mit dem Iran sucht. Der vor wenigen Tagen ausgeschiedene General Gadi Eizenkot, Chef der israelischen Armee, räumte in der New York Times erstmals das Ausmaß der Angriffe ein. Er sprach von tausenden solcher Angriffe in Syrien, zumeist aus der Luft. „Wir haben gegen tausende von Zielen zugeschlagen, ohne dafür Verantwortung einzuräumen“, sagte er. Als Begründung führte er an, dem Iran gehe es um weiteren Einfluss in Syrien. Indem man eine Truppe von bis zu 100.000 schiitischen Kämpfern auch aus anderen Ländern wie Pakistan, Afghanistan und dem Irak aufbaue. Eizenkot nennt es öffentlich den „Feldzug zwischen den Kriegen“, den Israel gegen dieses Streben des Iran führt.

Iran rückt weiter vor

Tatsächlich verändern sich die Gleichgewichte in der Region. Denn mit dem Niederringen des sogenannten Islamischen Staates, den radikalen sunnitischen Kämpfern, gewinnt das syrische Assad-Regime wieder zunehmend die Oberhand, und mit ihm sein wichtiger Verbündeter Iran.

Israel erhöht nun den Druck, denn in Jerusalem will man neben Syrien vor allem den iranischen Einfluss auf den Hauptfeind, die libanesische Hisbollah eindämmen. „Der Iran hat in Syrien nichts verloren“, sagt Arye Shalicar vom israelischen Geheimdienstministerium. Nach der Niederlage des IS und der Stabilisierung eines großen Teils von Syrien habe der Iran dort keine Funktion mehr. „Iran muss militärisch bis auf den letzten Zentimeter raus.“

Israel sieht vor allem mit Sorge, dass der Iran sich jetzt weiter in Syrien Richtung Golanhöhen ausdehnen wolle. Mit den Russen, die in diesem Spiel eine entscheidende Rolle haben, hatte man versucht, eine 80-Kilometer-Distanz für die Iraner von Israels Grenze zu vereinbaren. Kein wirklich realistisches Ziel, wie sich zunehmend herausstellt.

Kein Interesse an neuem Krieg

Trotz der Angriffe gegen die nach wie vor wichtigen Verbündeten aus Teheran auf syrischem Boden haben weder die Israelis noch die Syrer ein Interesse an einem neuen großen Krieg. Aber es wird für beide immer schwieriger, die wechselseitigen Reaktionen auf die eigentlich gegen den Iran gerichteten Angriffe so zu dosieren, dass ein solcher Konflikt sich weiter vermeiden lässt.

Deutschland, wegen der Flüchtlingskrise mit dem Syrien-Problem direkt verbunden, hat nun bei der jüngsten Eskalation Position bezogen – für Israel. Mit sofortiger Wirkung wurde Mahan Air verboten, weiter in München und Düsseldorf zu landen. Denn Mahan Air ist nicht irgendeine Airline. Sie gehört den Revolutionären Garden, dem militärischen Arm des Ayatollah-Regimes. Im Syrien-Konflikt stehen sie unter dem Kommando von General Qasem Soleimani. Sie wird auch aus deutscher Sicht immer wieder zum Transport von Truppen und militärischem Material genutzt. Sowohl aus Washington wie auch aus Jerusalem kam deshalb großes Lob. „Deutschland hat festgestellt, dass Mahan Air eine Terror-Fluglinie ist und hat deshalb die richtige Entscheidung getroffen“, sagt Arye Shalicar in Jerusalem.

Anzeige