Iowa, State of the Union Address, Impeachment - Trump triumphiert, die Demokraten sind frustriert

Der technische Fehltritt von Iowa könnte für die Demokraten die schlimmstmögliche Katastrophe im Wahlkampf einleiten. Denn trotz Impeachment erscheint US-Präsident Donald Trump derzeit stark wie nie. Nancy Pelosi bleibt angesichts dessen nur eine frustriert wirkende Geste

US-Präsident Donald Trump hat zur Zeit gut lachen / dpa
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Andreas Backhaus studierte Volkswirtschaftslehre in Deutschland, Polen und Frankreich. 2018 wurde er an der LMU München promoviert. Er arbeitet in der europäischen Politikberatung

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Die Tragik unserer politisch so polarisierten Zeit ist, dass viele Entwicklungen und Ereignisse immer nur auf jeweils einer Seite des politischen Spektrums Freude, Glück und andere positive Emotionen auslösen. Die jeweils andere Seite hat nichts zu lachen. Diese Einseitigkeit ist deshalb bedauerlich, weil die Trump-Präsidentschaft in Punkto Unterhaltungswert sehr gut mit der US-amerikanischen Redewendung „the gift that keeps on giving“ umschrieben werden kann – das schier unerschöpfliche Geschenk.

Wie sonst könnte man es nennen, dass Trumps erbitterte Widersacher ausgerechnet am Start des Wahljahres 2020 über ihre eigenen Füße stolpern und vor den Augen der Öffentlichkeit in Iowa eine Bruchlandung hinlegen?

Ein „perfect storm“ für die Demokraten

Der technische Fehltritt der Demokraten wirkt dabei auf so vielen Ebenen fatal, dass er die Voraussetzungen für einen „perfect storm“, eine schlimmstmögliche Katastrophe, während des Präsidentschaftswahlkampfs schafft:

Erstens erinnert die Panne an den von Zwistigkeiten und Intrigen geplagten Vorwahlkampf der Demokraten 2015/16, als die Parteiführung manchmal mehr, manchmal weniger offensichtlich versuchte, den Zweikampf zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders zugunsten von Clinton zu beeinflussen. Nach der verlorenen Wahl hatte die Parteiführung Besserung gelobt, um insbesondere die nun extrem misstrauischen Sanders-Anhänger wieder mit ins Boot zu holen. Bei der technischen Panne in Iowa gibt es bislang keinen Hinweis auf Manipulationen der Abstimmung. Da Sanders aber als einer der Favoriten in die Abstimmung gegangen war, ist der Reflex eines Verdachts unter seinen Anhängern unvermeidbar – ob sich in der Demokratischen Partei denn gar nichts geändert habe, werden sich gewiss viele von ihnen fragen.

Nicht einmal eine simple App gelingt

Zweitens vertreten die demokratischen Kandidaten tendenziell eher staatsinterventionistische Ideen, was wirtschaftliche und soziale Probleme anbelangt. Dem Staat wird dabei relativ selbstverständlich zugetraut, die richtigen Stellschrauben in der komplizierten Maschinerie des gesellschaftlichen Glücks zu stellen. Sowohl der Staat als auch seine selbsterkorenen Lenker büßen jedoch in dem Augenblick an Vertrauen ein, in dem es der Demokratischen Partei nicht gelingt, eine vergleichsweise simple App bereitzustellen, um die erste für sie so wichtige Vorwahl störungsfrei durchzuziehen. Ob die US-Amerikaner dieser Partei die Verstaatlichung der Krankenversicherung und die Umverteilung von Milliarden an Dollar anvertrauen möchten?

Drittens war es den Demokraten nach eigener Aussage in den letzten Jahren ein Herzensanliegen, die Sicherheit und Unangreifbarkeit US-amerikanischer Wahlen zu erhöhen und zu gewährleisten, was seinen Grund einerseits in den tatsächlichen Versuchen Russlands hatte, die Wahl 2016 zu beeinflussen, andererseits aber auch Teil eines Spins für die Wahl 2020 war, denn: Trump könnte die Russen ja heimlich um Hilfe bitten. Dass die Demokraten nun ausgerechnet bei der Pflege ihres eigenen Zugpferds versagt haben, sorgt parteiübergreifend für Fassungslosigkeit – und parteilich auch für Heiterkeit: Nach Jahren der Russland-Obsession hätten die Demokraten es irgendwie geschafft, ihre eigenen Wahlen zu hacken.

Trump triumphiert

Viertens lautet eine entscheidende Frage: Wie stehen die Demokraten in diesem Augenblick im direkten Vergleich zu ihrem Gegner, den Trump-Republikanern, da? Der Kontrast ist so bitter, dass er eigentlich schon wieder amüsant erscheint: Während die Demokraten noch fieberhaft versuchen, ihre Auszählung zu retten, triumphiert Trump bereits mit einem Zustimmungsergebnis von 97%, das gleichzeitig seine wenigen innerparteilichen Herausforderer pulverisiert hat. Vergessen ist sein jüngster Patzer, als er Kansas City in Missouri mit Kansas City in Kansas verwechselt hat. Seine Gegner haben es ihm – nicht zum ersten Mal – leicht gemacht. Unabhängig davon, dass die jüngste Gallup-Umfrage die bisher höchsten Zustimmungswerte für Trump seit Amtsantritt gemessen hat - Trump muss gar kein überdurchschnittlich guter oder beliebter Präsident sein, um diese Wahl zu gewinnen. Er muss nur weniger Fehler als seine Gegner machen.

Zum Unglück der Demokraten konnte der Präsident den Kontrast unmittelbar selbst im Rahmen seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation nachzeichnen. Bescheidenheit gehört bekanntlich nicht zu Trumps Stärken, ist aber auch in einem Wahljahr kaum angemessen. Dementsprechend viel Raum nimmt die Aufzählung von Erfolgen in der Rede ein, die Trump sich zurechnet. Flankiert wird die Rede von emotionalen Momenten, in denen Kriegsveteranen, Opfer von Verbrechen, der an Krebs erkrankte Rush Limbaugh sowie Angehörige der in IS-Gefangenschaft misshandelten und verstorbenen Kayla Mueller ihre Auftritte im Kongress haben.

Unvorteilhafter Kontrast für die Demokraten

Trump und sein Kampagnenteam unter der Leitung von Brad Parscale wissen, wie Politik zu inszenieren ist. Beachtenswert ist dabei auch, was Trump nicht erwähnt: Über das Impeachment-Verfahren, das am Mittwoch höchstwahrscheinlich im Senat scheitern wird, verliert Trump kein Wort, nicht mal eine Spitze oder eine Stichelei. Dieses Schweigen könnte so gedeutet werden, dass Trump dem Verfahren zumindest auf der „erhabenen“ Ebene nationaler Politik keine unnötige Bedeutung mehr zukommen lassen möchte.

Auch hier stellt sich ein für die Demokraten unvorteilhafter Kontrast ein: Ihre Anklagen im Impeachment konnten sie nicht ausreichend substantiieren, um republikanische Senatoren auf ihre Seite zu ziehen, während ihre tagespolitischen Vorwürfe gegen den Präsidenten sich ebenfalls eher im Raum des Möglichen denn des Reellen bewegen: Trump könnte Hilfe von Russland bekommen, er könnte seine Macht missbrauchen, und dergleichen.

Eine frustriert wirkende Geste

Trump hat dagegen mit der positiven Wirtschaftslage, einer Reihe toter Terroristen und verabschiedeten Gesetzen reale Erfolge auf seiner Seite. Sogar der linke CNN-Kommentator Van Jones bewertete Trumps Rede als stark und warnte die Demokraten gleichzeitig davor, der Präsident könnte ihnen sogar die Wählerstimmen der schwarzen US-Amerikaner streitig machen.

Am Ende der Rede des Präsidenten zerreißt Nancy Pelosi ihre Kopie des Redetexts, wie um das letzte Wort zu haben. Vor dem Hintergrund eines überstürzten Impeachment-Verfahrens, das Pelosi in der Vergangenheit ohne klare überparteiliche Zustimmung nie anstoßen wollte, des Desasters ihrer Partei in Iowa und Trumps Liste an Erfolgen mag man Verständnis für diese trotzige, aber auch frustriert wirkende Geste aufbringen.
 

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