Internationale Presseschau - „Eine heikle Situation für Merkel“

Das Attentat von Berlin ruft international Bestürzung hervor. Ausländische Medien sehen eine weitere politische Krise für Angela Merkel heraufziehen, sollte sich herausstellen, dass der Täter ein Flüchtling war

Blumen und Plakate für die Opfer des Berliner Anschlags / picture alliance
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Neue Zürcher Zeitung:

„Bereits die Anschlagsserie im Sommer hat ein gewisses Umdenken im gegenüber staatlicher Überwachung und Kontrolle so äußerst skeptischen Deutschland eingeleitet. Die Bundesregierung legte schon im Sommer Pläne zur besseren Ausstattung der Sicherheitsbehörden, dem erleichterten Informationsaustausch in Europa sowie zur schnelleren Abschiebung von Gewalttätern vor. Das politische Klima für einen Ausbau der Sicherheitsvorkehrungen ist günstiger geworden, ohne dass Deutschland in Gefahr geriete, die Maßstäbe des demokratischen Rechtsstaats zu verletzen. Das ist richtig so.“

Der Standard, Wien:

„Es dürfte nur der Anfang der Geschmacksverwirrung sein. Es wird 1.000 Schuldzuweisungen geben und 1.000 Forderungen, was jetzt sofort zu tun sei. Vielleicht sind manche gar nicht schlecht – auch wenn sie von der Opposition kommen. Aber das wird die Herausforderung der kommenden Zeit für Merkel sein: abzuwägen und dann zu entscheiden und sich nicht von den Scharfmachern provozieren zu lassen. Und natürlich nicht zu vergessen, dass sich Politik in Deutschland auch in schwierigen Zeiten von Menschlichkeit leiten lässt – ganz grundsätzlich und erst recht im Bundestagswahljahr 2017, das an diesem letzten Montag im Advent wohl ein düsteres Wahlkampfthema mehr bekommen hat.“

Le Figaro, Frankreich:

„Wenn es sich bestätigt, dass es sich um einen Anschlag handelt, wie die Polizei vermutet, dann hat die Tatsache, dass ein Weihnachtsmarkt das Ziel war, eine noch Aufsehen erregendere Wirkung in Deutschland. Vor allem Angela Merkel würde es in eine heikle Situation bringen. Berlin ist im Herzen getroffen, an einem doppelt symbolträchtigen Ort. Wenn sich der Verdacht eines Anschlags bestätigt, hätten die Terroristen keinen bezeichnenderen Ort für das Deutschland auswählen können, gegen das sie kämpfen. Die Angreifer haben einen Weihnachtsmarkt in einem Land attackiert, das anders als Frankreich seine christlichen Wurzeln im Grundgesetz stehen hat.“

The Guardian, Großbritannien:

„Der Tod von mindestens 12 Menschen am Berliner Breitscheidplatz offenbart die nackte Realität, dass Weihnachtsmärkte – so lang Schauplatz festlicher Freude – zum Ziel geworden sind. Berlins Weihnachtsmäkrte sind deshalb so beliebt, weil sie kleine Utopien inmitten der Hektik zum Ende des Jahres sind.“

New York Times, USA:

„Wenn es sich herausstellen sollte, dass der Anschlag von einem Flüchtling begangen worden sein soll, könnte das eine weitere politische Krise für Kanzlerin Angela Merkel bedeuten. Merkel wurde harsch dafür kritisiert, dass sie eine Million Migranten ins Land ließ, oft ohne genaue Durchleuchtung und Prüfung. [...] Seit Merkels Entscheidung letzten Sommer, die Grenzen Deutschlands für Migranten und Flüchtlinge zu öffnen, rumort es, da sowohl Sicherheitsfragen das Land beschäftigen als auch die Integration der Zuwanderer bewältigt werden muss.“

Washington Post, USA:

„Zwei hochrangige deutsche Beamte, die über die Angelegenheit informiert wurden, sagten der Washington Post, dass der Verdächtige vermutlich ein pakistanischer Staatsangehöriger sei, der im Februar als Asylsuchender eintraf. Wenn der Mann als Täter bestätigt wird, ist es wahrscheinlich, dass sich die bereits hitzig geführte Debatte in Deutschland über die Entscheidung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Tür im vergangenen Jahr für fast eine Millionen Migranten geöffnet zu haben […], verstärkt.“

Berliner Zeitungen wie die BZ, die Morgenpost oder die Berliner Zeitung haben zum Zeichen der Trauer heute ihre Titelseiten schwarz gefärbt.

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