Internationale Konferenz zur Zukunft Afghanistans - Werden die Taliban kooperieren?

In Moskau fand eine internationale Konferenz zur Zukunft Afghanistans statt. Die Staaten, die dort fast zwei Jahrzehnte den Übergang in eine moderne liberale Gesellschaft gestalten wollten, waren nicht vertreten. Die USA blieben fern, die EU war nicht eingeladen. Die Konferenz spiegelte insofern auch die geopolitischen Verschiebungen der vergangenen Jahrzehnte.

Mitglieder der Taliban-Delegation nehmen an Gesprächen der Afghanistan-Konferenz in Russland teil / dpa
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Die russische Regierung verfolgt in Afghanistan zwei konkrete und zwei ordnungspolitische Interessen. In erster Linie geht es ihr darum zu verhindern, dass aus Afghanistan islamistischer Terror in die angrenzenden zentralasiatischen Staaten exportiert wird, von wo aus er auch den Kaukasus und Russland erreichen könnte. Deshalb führen die russischen Streitkräfte mit denjenigen aus Tadschikistan und Usbekistan Manöver im Grenzgebiet zu Afghanistan durch. Zweitens geht es Russland darum, Migration aus Afghanistan in die zentralasiatischen Staaten zu unterbinden, weshalb die Lage in Afghanistan aus russischem Interesse stabilisiert werden muss.

Präsident Putin hatte vorige Woche erklärt, dass 2.000 Kämpfer des sogenannten Islamischen Staats aus dem Norden Afghanistans als Migranten nach Zentralasien und Russland gebracht werden sollen. Dass die Forderungen nach einer inklusiven Regierung in Afghanistan und einer international breit angelegten humanitären Hilfe für die Bevölkerung im Mittelpunkt der Moskauer Konferenz standen, hängt mit diesen beiden Interessen zusammen, Sicherheit zu gewährleisten und Migration zu unterbinden. Die Europäische Union hat eine Milliarde Euro für humanitäre Hilfe zugesagt.

Die USA wollen Bilder mit den Taliban vermeiden

Ordnungspolitisch geht es Russland zum einen darum, in Zentralasien als Führungsmacht anerkannt zu werden, gerade auch in Konkurrenz zu China. Russland will verhindern, dass ein anderer Staat größeren Einfluss auf die zentralasiatischen Regierungen hat als es selbst. Deshalb waren die fünf zentralasiatischen Regierungen zur Konferenz eingeladen, an der China, Pakistan, Iran, Indien und Vertreter der Taliban-Regierung teilnahmen. Das zweite ordnungspolitische Interesse besteht darin, international als Krisenlöser wahrgenommen zu werden. Russland ist bestrebt, seinen Status als Großmacht, den es sich militärisch erarbeitet hat, den es ökonomisch in der gegenwärtigen Lage ausbaut, diplomatisch zu komplettieren. Dadurch sollen den USA die Rolle als allgegenwärtiger internationaler Krisenmanager streitig gemacht werden.

Die USA blieben der Konferenz „aus logistischen Gründen“ fern, betonten aber, an dem Format – das als Troika plus bezeichnet wird – weiterhin teilnehmen zu wollen. Allerdings kam es der Administration Biden nach dem überhasteten Abzug aus Afghanistan ungelegen, dem Thema jetzt eine große Aufmerksamkeit in der amerikanischen Öffentlichkeit zukommen zu lassen. Noch immer halten sich amerikanische Staatsbürger und Inhaber der Green Card in Afghanistan auf und wollen das Land verlassen. Sie zurückgelassen zu haben, wird dem Präsidenten vorgeworfen. Da kommt es zur Unzeit, gemeinsam mit den Taliban fotografiert zu werden. Diese Bilder galt es ebenso zu vermeiden wie ein Aufeinandertreffen mit der iranischen Delegation.

Ungewisse Zukunft

Indien war bisher von diesem Format ausgeschlossen, was durch die Teilnahme Pakistans besonders schmerzte. Umso breiter wurde in Indien berichtet, dass das Land nunmehr beteiligt wird, die Zukunft Afghanistans zu verhandeln. Die Taliban waren durch eine Delegation vertreten, die vom stellvertretenden Premierminister Abdul Salam Hanafi angeführt wurde, der in den vergangenen Tagen Gespräche mit den USA, der EU und der Türkei führte.

Das sei, so betonte der russische Außenminister Lawrow zum Auftakt der Konferenz, jedoch keine Anerkennung der Taliban. Hierzu müssten sie erst beweisen, dass sie eine Regierung bilden könnten, die alle Gruppen des Landes vertritt. Und sie müssten in der Lage sein, für Sicherheit im Land zu sorgen. Bisher führt Russland die Taliban noch offiziell als Terrororganisation. Eine inklusive Regierung und Sicherheit im Land sind die Voraussetzungen für die Durchsetzung der grundlegenden russischen Interessen, die von China und Indien geteilt werden: den Export islamistischen Terrors aus Afghanistan zu unterbinden. Das sagen die Taliban zu.

Wie viel diese Zusage wert ist, wird sich in der Zukunft erweisen.

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