Hillary Clinton - Bloß keine Schwäche zeigen

Der Schwächeanfall von Hillary Clinton hat ihr nicht so sehr geschadet wie ihr Umgang damit. Jeder weiß, dass sie gelogen hat, als sie nach ihrem Zusammenbruch beteuerte, es ginge ihr gut. Damit spielt sie nur ihrem Kontrahenten Trump in die Hände

Hillary Clintons eigentliche Krankheit ist ihr schwieriger Umgang mit der Wahrheit / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Wahlkampf ist ein mörderisches Geschäft, und New York im Spätsommer eine oft brütende Angelegenheit, wie eben erst wieder die Tennis-Elite bei den US Open in Flushing Meadows am eigenen Leib erleben musste. Keinen Hund würde man in die schwüle Hitze jagen, in der Angelique Kerber und Co. stundenlang Bällen hinterherlaufen mussten.

Ein Schwächeanfall ist keine Schande

Deshalb ist es für sich genommen nicht ehrenrührig, dass Hillary Clinton, die Präsidentschafts-Kandidatin der US-Demokraten, bei der Trauerfeier für die Opfer von 9/11 im Backofen von New York einen Schwächeanfall erlitt. Jeder Rekrut bei einem Gelöbnis weiß, was es heißt, bei 40 Grad im Schatten stundenlang regungslos stehen zu müssen. Reihenweise fallen da auch fitte junge Männer um.

Das Problem ist Clintons Umgang mit diesem Vorfall. Denn er belegt alle Vorurteile gegenüber ihrer Person und den mit ihr verbundenen Politikerclans. Der Wahlkampf ihres Herausforderers Donald Trump von den Republikanern zielt erfolgreich darauf ab, einen großen Graben zwischen denen da oben und denen da unten zu ziehen. Zu dieser Strategie gehört, immer wieder zu betonen, dass die da oben abgehoben sind und die da unten belügen. Zu ihrem eigenen Nutzen und für den Erhalt ihrer Posten. Und beim Clinton-Clan verfängt dieser Vorhalt besonders gut. Denn dort hat schon einmal einer gelogen, dass sich die Balken bogen, um eine Affäre mit einer Praktikantin zu leugnen.

Clintons wahrer Zustand für alle sichtbar

Hillary Clinton wollte nun offenbar das tun, was auch Tennisprofi Stan Wawrinka in der Schüssel von Flushing Meadows im Finale gegen Nowak Djokovic erfolgreich vormachte: bloß keine Schwäche zeigen. Er blieb in einer Zwangspause wegen Zehenproblemen seines Gegners demonstrativ stehen, obwohl ihm die Oberschenkel vor Krämpfen so schmerzten, dass er hätte schreien mögen, wie er später erzählte.

Wawrinkas Vorteil gegenüber Clinton: Man sah ihm das nicht an. Vom Zustand seiner Schenkel kündeten keine Bilder. Bei Hillary Clinton aber sah alle Welt ein Videos, in dem zu sehen war, wie sie zusammensackte und nur von einer Assistentin gestützt das Innere ihres Wagens erreichen konnte. Und noch schlimmer: Man sah ihren Zustand, als sie aus der Wohnung ihrer Tochter kam, in die sie sich zurückgezogen hatte. Es reicht an die Groteske des berühmten Statements des irakischen  „Informationsministers“ heran, der vor laufenden Kameras leugnete, dass die US-Truppen vor der Einnahme Bagdads stünden – und hinter ihm sah man schon das Mündungsfeuer der anrollenden Panzer.

„Ich fühle mich großartig, und es ist ein wunderbarer Tag in New York“, behauptete Clinton mit Sonnenbrille und wächsernem Gesicht während ihr Körper zur gleichen Zeit geradezu in die Kamera schrie: „Ich fühle mich furchtbar, und diese Affenhitze hier und meine Lungenentzündung bringen mich noch um!“

Trump eigentlich ein einfacher Gegner

Es ist im US-Präsidentschaftswahlkampf im Moment ein bisschen wie hierzulande: Wenn die SPD einen guten Kanzlerkandidaten hätte, dann wäre Angela Merkel zum ersten Mal schlagbar. Und wenn die Demokraten in den USA eine über Zweifel erhabene Kandidatin hätten, dann müsste man sich keine Gedanken darüber machen, ob das vormals für viele Unvorstellbare wahr werden könnte und Donald Trump im November ins Weiße Haus einzieht.

Hillary Clinton aber ist nicht diese Kandidatin. Ihr fliegen die Herzen nicht zu. Sie ist nicht die sympathische Gegenfigur zum Poltergeist Trump. Sie steht für nichts, außer für ihren Ehrgeiz und dafür, als erste Frau Präsidentin der Vereinigten Staaten werden zu können. Bei keinem Thema hat sie eine klare Position bezogen. Bei Donald Trump wissen möglicherweise viele Wähler, dass sie nicht seiner Meinung sind. Aber sie immerhin kennen sie die Meinung des Kandidaten.

Im Prinzip versucht Clinton, mit Merkels Satz „Sie kennen mich“ Präsidentin zu werden. Die erfahrene Ex-Außenministerin bietet sich als diejenige an, von der man im Unterschied zum Polit-Greenhorn Trump annehmen darf, dass sie Politik auf jeder Bühne kann.

Wir wissen, dass du lügst

Dieses „Sie kennen mich“ verkehrt sich aber nun gegen Clinton. „Ja, genau, wir kennen dich“, könnten sich viele Wähler denken angesichts der Groteske um ihre Lungenentzündung, oder was immer es am Ende ist. „Wir kennen dich und wissen, dass du Dinge sagst, die erkennbar nicht stimmen. Dass du uns also genauso anlügst, wie dein Kontrahent es schon immer behauptet hat. Und wie es dein Mann auch getan hat. “

Die Lage ist ernst für Hillary Clinton. Sie hatte die Wahl zu keinem Zeitpunkt schon gewonnen. Und im Moment ist sie von einem klaren Sieg weiter entfernt denn je. Ob wir das hier in Europa und anderswo auf der Welt nun mögen oder nicht: Wir müssen uns nach dieser Farce von Clinton mit dem Gedanken vertraut machen, dass der 45. Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump heißen könnte.

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