Erler über Schröder und Putin   - „Eine Männerfreundschaft ohne Rücksicht auf Verluste“

Ein Interview mit Sprengkraft: Gernot Erler, früherer Russland-Beauftragter, pocht im Deutschlandfunk auf die politische Verantwortung Moskaus im Fall Nawalny. Der Russland-Kenner kritisiert Schröders uneingeschränkte Loyalität gegenüber Putin – die Männerfreundschaft schade nicht zuletzt auch der SPD. 

„Eine Männerfreundschaft", die der SPD schadet, so Gernot Erler / dpa
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„Ein Laufbursche Putins, der Mörder beschützt“: Es sind harte Anschuldigungen, die Alexej Nawalny im Interview mit der Bild-Zeitung äußert. Die Rede ist von verdeckten Zahlungen, die Gerhard Schröder von Putin erhalten haben soll. Der Kreml-Kritiker habe keine Zweifel, aber eben auch keine Beweise. Schröder will juristisch gegen die Bild-Zeitung vorgehen – er sieht seine Persönlichkeitsrechte aufgrund der Veröffentlichung „auf das Schwerste verletzt“.

Keine gesicherten Fakten: Das Argument zieht sich wie ein roter Faden durch aktuelle Debatten über das deutsch-russische Verhältnis. Aber braucht es eine eindeutige juristische Beweislage, um Moskau im Fall Nawalny politisch zur Verantwortung zu ziehen? 

Einer, dem es wirklich um die Sache geht

Braucht es nicht, sagt Gernot Erler. Im Interview mit dem Deutschlandfunk pocht der ehemalige Russland-Beauftragte der Bundesregierung darauf, im Fall Nawalny zwischen der juristischen und politischen Verantwortung zu unterscheiden. Kritik übt Erler insbesondere an seinem Parteikollegen Schröder, in dessen „Wertesystem“ die Beziehung zu Putin „an erster Stelle stehe“ – die „Männerfreundschaft" der beiden schließe jede Kritik an Putin aus, unabhängig von der Faktenlage, und sie schade so auch der SPD. 

Erler gilt als Russland-Kenner, dem wirklich am deutsch-russischen Verhältnis gelegen ist. Er und Schröder haben viele Jahre zusammengearbeitet – umso überraschender ist dessen deutliche Kritik an der Beziehung des Altkanzlers zu Wladimir Putin. 

Streitpunkt Putin 

„Wir haben uns oft über Russland unterhalten und (…) waren eigentlich gleicher Meinung in der politischen Einschätzung der Entwicklung des Landes. Aber diese Einigkeit hörte auf, wenn es um Putin ging“, so Erler im Deutschlandfunk. Schröders Aussagen, Russlands Schuld im Fall Nawalny sei nicht bewiesen, seien zwar juristisch nicht angreifbar, änderten aber nichts an der politischen Verantwortung des Kremls. Man könne nicht akzeptieren, dass ein Mangel an Beweisen immer die einzige Antwort sei, immerhin handle es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um eine „Staatspraxis des Regimes Putin“. 

Dass Schröder jemals einer Kritik an Putin zustimmen wird, schließt Erler in dem Interview jedoch aus: Zu viel sei Schröder an der „Männerfreundschaft ohne Rücksicht auf Verluste“ gelegen. 

Auch Kritik an Nawalny

Erler beklagt zudem eine Verschiebung des Diskurses: Seit den Aussagen Nawalnys sei die Frage nach der politischen Verantwortung für den Giftanschlag in den Hintergrund gerückt. Stattdessen gehe es nun um einen persönlichen Disput zwischen dem Kreml-Kritiker und Putin, der den Dimensionen des Anschlages nicht angemessen sei.

Schuld an dieser „politisch schlechten Entwicklung“ habe auch Nawalny: Mit seinen unbelegten Aussagen stütze er das Narrativ Schröders, dass sich die politische Diskussion über den Giftanschlag bisher nur auf Spekulationen, nicht aber auf gesicherten Fakten stütze. Zudem beklagt Erler, Nawalnys Spekulationen über verdeckte Zahlungen verschöben den Schwerpunkt des Interesses, was „der Sache nicht zuträglich“ sei. 

Es scheint, als habe sich einiges angestaut bei einem, der sich stets für die deutsch-russische Beziehung einzusetzen versucht. 

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