Frankreich - Macrons Revolutiönchen

Viele Frauen, viele Nichtpolitiker – und sogar einige Gegner hat der neue französische Präsident in seine Übergangsregierung berufen. Doch die ist klassischer, als es den Anschein macht und folgt im Ansatz fast deutschem Vorbild. Die Vereinigung des gespaltenen Landes wird Macron so wohl nicht gelingen

Nach den Parlamentswahlen im Juni dürfte Macron seine Regierung dem Wahlresultat anpassen / picture alliance
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Stefan Brändle ist Frankreich-Korrespondent mit Sitz in Paris. Er berichtet regelmäßig für Cicero.

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Der „Mozart der Finanz“, wie Macron schon genannt wurde, weiß auch eine Ministerliste zu komponieren. Eine Kunst war es deshalb, weil der neue Präsident mehrere Vorgaben zu erfüllen hatte, von denen jede für sich genommen eine Herausforderung war: Als Novum in der Fünften Republik wollte Macron das Gleichgewicht zwischen Rechts und Links wahren und zugleich seine engsten Freunde aus der politischen Mitte belohnen. Dazu hatte er die Nominierung von gleich vielen Frauen und Männern versprochen. Und schließlich gelobte er, dass jeder dritte Vertreter aus der Zivilgesellschaft stammen sollte.

Macron hat Wort gehalten. Neben dem bereits am Montag ernannten Premier Edouard Philippe warb er den konservativen Republikanern weitere prominente Namen ab: Bruno Le Maire, ein Ex-Minister von Nicolas Sarkozy, wird das Wirtschaftsressort übernehmen, Gérald Darmaninder, noch vor wenigen Monaten Sarkozys Sprecher, die Finanzen.

Überläufer aus verschiedensten Lagern

Mit diesen Zuzügen schwächt und spaltet Macron das bürgerliche Lager vor den Parlamentswahlen im Juni. Aber auch an sozialistischen Überläufern fehlt es nicht: Der Verteidigungsminister von Ex-Präsident François Hollande, Jean-Yves Le Drian, wird Macrons Außenminister. Der Bürgermeister von Lyon, Gérard Collomb, der es nie in die höchsten Pariser Sphären geschafft hatte, wird Innenminister.

Von der Mittepartei „Modem“ wird François Bayrou mit dem Posten des Justizministers dafür belohnt, dass er Macron im Wahlkampf mitentscheidend unterstützt hatte. Dessen Weggefährtin Sylvie Goulard übernimmt das Verteidigungsministerium. Die wenig bekannte Liberaldemokratin wird bereits mit der deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen verglichen.

Im Stil von Sarkozy und Hollande

Abgesehen von Goulard müssen die Frauen mit zweitrangigen Posten vorlieb nehmen, auch wenn Macron die versprochene Geschlechterparität von elf Ministerinnen in der 22-köpfigen Regierung wahrt. Außerdem beruft er zur Hälfte Nichtpolitiker – eine Ärztin, eine Sportlerin, eine Verlegerin, einen Internet-Unternehmer und mehrere Spitzenbeamte. Der populäre Ökologe und Ex-TV-Journalist Nicolas Hulot wird Umweltminister, nachdem er diesen Posten sowohl unter Hollande wie Sarkozy abgelehnt hatte.

Die Regierung trägt ganz Macrons Handschrift: Scheinbar sehr neuartig, ist ihre Zusammensetzung in Wahrheit eher klassisch. Frauen und Nichtpolitiker in untere Chargen zu berufen, war schon unter Sarkozy und Hollande, ja sogar unter ihrem Vorgänger Jacques Chirac beliebt gewesen. Auch das Nebeneinander von konservativen und sozialistischen Ministern hatte Sarkozy bereits 2007 anlässlich seiner „Ouverture“ (Öffnung) praktiziert.

Ausdruck der politischen Wirklichkeit

Macron geht indes einen Schritt weiter und nähert sich den großen Koalitionen des deutschen Sprachraums an – mit einer Verteidigungsministerin, einem konservativen Finanzminister und einem sozialdemokratischen Außenminister. Das unterstreicht, dass die französische Regierung mit Macron, Philippe und Le Maire ausgesprochen deutschfreundlich ist. Ein Sprecher der sozialistischen Partei kritisierte zwar, das Wirtschafts- und Finanzministerium sei nun „fest in der Hand der liberalen Rechten“. Dabei muss es aber nicht bleiben: Nach den Parlamentswahlen im Juni dürfte Macron die Regierung bereits dem Wahlresultat anpassen.

Die nun vorgestellte Übergangsregierung zeigt vor allem auf, wie stark sich in Frankreich die gemäßigten Kräfte einander angenähert haben – stärker jedenfalls, als sie dies im stark polarisierten Frankreich selber anerkennen würden. Macron, der Mann der liberalen Mitte, passt sich damit nur an die politische Wirklichkeit an.

Gesellschaft bleibt gespalten

Hingegen unterstreicht seine Regierung eine Polarisierung, die sich schon im Präsidentschaftswahlkampf in voller Schärfe abgezeichnet hatte. Marcons liberales, proeuropäisches Regierungslager verkörpert letztlich nur die urbanen, gebildeten Wählerschichten; außen vor bleiben die europafeindlichen Globalisierungsverlierer und Landregionen, die im Wahlkampf den Rechts- und Linkspopulisten zuneigten. Die Front National-Kandidatin Marine Le Pen wie auch der Linksfrontvorsteher Jean-Luc Mélenchon werfen alle die an der Regierung beteiligten Parteien in den gleichen Topf. Und sie werden ihre Wähler wohl auch bei den Parlamentswahlen behalten. Frankreich bleibt nicht nur politisch, sondern auch soziologisch ein tief gespaltenes Land.

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