Europa und Donald Trump - Ohne die USA geht es nicht

Die Außenminister der EU haben in Brüssel beraten, wie mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump umzugehen sei. Europa strebt zwar eine Zusammenarbeit an, knüpft die aber an Bedingungen. Bei den unterschiedlichen Kräfteverhältnissen könnte das jedoch nach hinten losgehen

Die Außenminister Boris Johnson, Didier Reynders und Paolo Gentiloni beim Treffen in Brüssel / picture alliance
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Wie soll man mit einem amerikanischen Präsidenten umgehen, dessen Eignung für dieses wichtige Amt zuvor in verschiedenen Varianten abschätzig kommentiert wurde? Das ist die Frage, vor der viele deutsche Politiker stehen, deren Äußerungen über den zukünftigen amerikanischen Präsidenten despektierlich ausfielen. Denn die USA sind der wichtigste Verbündete Deutschlands, auch wenn das in der Bundesregierung anscheinend nicht mehr einhellig so gesehen wird. Für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand aber sind die USA unerlässlich.

EU kann Sicherheit nicht garantieren

Und auch die Sicherheit der Europäischen Union ist ohne die Garantiemacht USA nicht aufrechtzuerhalten. Das gilt erstens für Osteuropa. Die baltischen Staaten und Polen fühlen sich von Russland bedroht und haben von Präsident Barack Obama die Garantie der Nato versichert bekommen. Weil nun Unsicherheit darüber herrscht, ob dieser Schutz unter Präsident Trump aufrecht erhalten bleibt, steigt paradoxerweise der Wert der USA für diese Staaten. Denn die EU kann die Sicherheit ihrer Mitgliedstaaten nicht garantieren. Wohin werden sich die betroffenen Staaten wenden, wenn sie nicht in den Einflussbereich Russlands gelangen wollen? Da bleiben nur die USA.

Das gilt genauso für den Mittelmeerraum. Mit kräftigem Zutun der westlichen Staaten sind hier parastaatliche Gebiete entstanden, Territorien, die von Clans, Warlords und Bürgerkriegsparteien beherrscht werden. Sicherheit in diesem Raum zu schaffen, nicht zuletzt um die Migration steuern zu können, ist eine vorrangige europäische Aufgabe. Die EU kann die Stabilität dieser Staaten nicht herstellen und garantieren. Wohin werden sich die betroffenen Staaten wenden, wenn sie nicht zerfallen wollen? Derzeit bietet sich Russland an. Dessen Machtprojektion kann die EU allein nicht abwehren.

Europa braucht die USA umgekehrt nicht

Das sind nur zwei Gründe, warum die EU-Mitgliedstaaten dringend auf die USA angewiesen sind. Hinzu kommt, dass der Handel in Dollar für die europäischen Unternehmen unerlässlich ist. Darüber entscheiden aber die USA, wie sie es auch in der Hand haben, die Europäer an ihrem Informationsmanagement (über NSA und CIA) teilhaben zu lassen oder nicht. Kurzum: Die Europäer brauchen die USA.

Aus Washingtoner Sicht ist dies anders. Nicht erst seit Trump, auch unter Präsident Obama wird das schon lange so gesehen. Europa wird von den USA mehr und mehr abgeschrieben. Für die amerikanische Regierung spielt die Musik im Pazifik. Wenn der EU-Kommissionspräsident verkündet, Trump werde die EU schon noch kennenlernen, ruft das nicht einmal mehr Ärger hervor. Auf die Ausfälle gerade deutscher Politiker wird in den USA schon lange nicht mehr reagiert. Als Justizministerin Herta Däubler-Gmelin Präsident George Bush beleidigte, war ihre Karriere beendet. Inzwischen ist es der amerikanischen Regierung scheinbar egal, was deutsche Politiker sagen.

Was will Trump?

In dieser Lage haben sich die Außenminister der Europäischen Union getroffen, um über die transatlantischen Beziehungen nach der Wahl von Donald Trump zu beraten. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz nahm der Beratung gleich den Reiz, indem er erklärte, sinnvoll für die Beratungen wäre es, zu wissen, welche Politik der zukünftige amerikanische Präsident denn überhaupt anstrebe. Und das völlig zu Recht. Die Außenminister von Frankreich und Ungarn blieben dem Treffen gänzlich fern. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte danach, dass die EU weiter auf enge Beziehungen zu den USA setze. Die Bedingungen hierfür hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel formuliert, woran Mogherini anschloss.

Bundeskanzlerin Merkel hatte schon zuvor erklärt: „Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“

Spiel mit dem Feuer

Die USA sehen in den Beziehungen zur EU schon länger keinen „Grundstein“ mehr. Sie sind weit weniger auf die EU angewiesen als die EU-Staaten auf die USA. Schon unter Präsident Obama ist der Schwerpunkt amerikanischer Weltpolitik in den Pazifik verlagert worden. Dort wurden sicherheitspolitische Garantien formuliert und ein Freihandelsabkommen geschlossen. Die unsichere Lage um die EU blieb hingegen für die USA weniger relevant, TTIP ist schon länger auf Eis gelegt und jetzt sicher tot.

Dass die Bundesregierung den USA eine an Bedingungen geknüpfte Zusammenarbeit anbietet, ist für die deutsche Außenpolitik neu. Bisher galt es, die Beziehungen zu den USA unter allen Umständen positiv zu gestalten. Das Erschrecken wäre groß, wenn die amerikanische Regierung nun austesten würde, welche Folgen eine eingeschränkte Zusammenarbeit für die Stellung Deutschlands in der Welt und den europäischen Integrationsprozess hätte.

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