Erdogan, Putin, Trump - Eine Allianz gegen Europa

Die globale Erfolgsgeschichte der Demokratie ist schon seit Längerem ins Stocken geraten. Der Wahlsieg Donald Trumps zeigt: Sie gerät auch dort ins Hintertreffen, wo sie zu Hause ist oder sich in den vergangenen Jahrzehnten etabliert hat

Erdogan und Putin beim G20-Gipfel im November 2015 / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die Asymmetrie im Umgang mit ihren Gegnern macht seit jeher die Stärke und Größe der Demokratie aus. Eine Größe, die sie über andere Staatsformen erhaben macht, bei all ihren Schwächen, bei all ihrer Langsamkeit, bei all der Anstrengung, die sie uns abverlangt. 

Von europäischem Boden aus machte diese Staatsform, die über tausend Jahre hinweg errungen wurde, Karriere. Erst stritten auf diesem Kontinent Papst und Kaiser oder Könige darum, ob die weltliche oder die religiöse Macht die oberste Instanz in diesem Gemeinwesen sei. Vom Konkordat von Worms 1122 an klärte sich diese Machtfrage einigermaßen einvernehmlich, bis über Jahrhunderte, von der Magna Charta über die Bill of Rights bis zur Französischen Revolution, das Volk die Herrschaft sicherte und bis heute als parlamentarische oder präsidentielle Demokratie innehat.

Die Demokratie gerät ins Hintertreffen

Diese Staatsform und die mit ihr einhergehende Wirtschaftsform erweis sich als dem Konkurrenzmodell des Kommunismus überlegen. Sie wurde zu einem Exportartikel, zum Role Model, zu einem angestrebten Zustand. In Kuba warten die meisten Menschen bis heute sehnsüchtig darauf.  

Doch die globale Erfolgsgeschichte der Demokratie ist schon seit Längerem ins Stocken geraten. Große Gemeinwesen wie China und Russland haben sich nicht demokratisiert mit dem Untergang des Staatssozialismus, sondern eigene Hybride gebildet, die die Machthaber weiter gegen den Volkswillen absichern. Diese Hybride sind für vordemokratische Regionen wie weite Teile Afrikas inzwischen nicht minder interessante Vorbilder, weil sie der Demokratie in der globalisierten Welt überlegen zu sein scheinen.  

Mit dieser Konkurrenz muss die westliche Demokratie schon geraume Zeit leben. Nun kommt ein neues Phänomen hinzu: Es ist nicht mehr nur so, dass die Demokratie dort eingeschränkt wird, wo die Diktatur verschwindet.

Verachtung der westlichen Demokratie

Die Demokratie gerät auch dort ins Hintertreffen, wo sie zu Hause ist oder sich in den vergangenen Jahrzehnten mühsam etabliert hat. Sie löst sich auch dort auf, wo sie entstanden ist und von wo aus sie sich in die angrenzenden Gebiete ausgebreitet hat. Sinnbild für diesen Prozess ist einerseits eine Türkei, die sich gerade in rasantem Tempo in eine Diktatur namens Erdoganistan verwandelt. Sinnbild dafür sind aber auch die Vereinigten Staaten von Amerika, in denen nun Donald Trump Präsident wird.

Eine gefährliche Dreifaltigkeit zeichnet sich daher ab, wenn sich nun der türkische Präsident Erdogan, Russlands Präsident Putin und Amerikas Präsident Trump wechselseitig ihrer Wertschätzung versichern. In dieser Wertschätzung des jeweils anderen liegt zugleich die Verachtung der westlichen Demokratie.

Die beste unter allen schlechten Staatsformen

Die Verachtung ist so groß, das Interesse am Schulterschluss so immens, dass Putin Erdogan blitzschnell sogar den abgeschossenen Kampfjet an der syrisch-türkischen Grenze verzieh, Trump schon ankündigt, Lettland oder überhaupt das Baltikum im Stich zu lassen, falls es sich einer russischen Aggression ausgesetzt sähe und Putin in Trump einen Mann für talentiert und intelligent erklärt, den er noch nie in seinem Leben getroffen hat und für den er mutmaßlich seinen Geheimdienst im Wahlkampf die Schmutzarbeit machen lässt.

Was sich hier formt, ist nicht nur eine skurrile Männerfreundschaft dreier (Un)-Geistesbrüder. Was sich hier formt, ist eine Allianz gegen Europa. Gegen seine Stärke, seine Werte. Gegen seine in Jahrtausenden herausgebildete Staatsform, die Winston Churchill einmal die beste unter allen schlechten nannte.

Eine Version dieses Artikels erschien bereits im August auf Cicero Online. Aus aktuellem Anlass haben wir ihn ergänzt und neu veröffentlicht 

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