Emmanuel Macron und Viktor Orbán - Bestens befreundete Feinde

Europa ist dabei, sich neu zu sortieren. In diesem Zuge haben sich zwei Regierungschefs angenähert, die bislang völlig gegensätzliche Ziele verfolgten. Gelingt es Victor Orbán und Emmanuel Macron, die EU fit zu machen für die Zukunft?

Zwei, die in herzlicher Abneigung verbunden sind: Viktor Orban und Emmanuel Macron / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Was sind Frenemies? In einem interessanten Beitrag auf bloomberg.com greifen Zoltan Simon und Helene Fouquet diesen Begriff auf, um als künftige Achse der Europäischen Union eine ganz unwahrscheinliche politische Beziehung zu kennzeichnen – jene zwischen dem französischen Staatspräsidenten und dem ungarischen Ministerpräsidenten.

Ausgerechnet, mag man da ausrufen, ausgerechnet Macron und Orbán, mon Dieu! Für diesen Ausruf gibt es gute Gründe, zunächst. Orbán gefiel sich bisher in der Rolle eines inoffiziellen Chefkritikers der EU, besonders auf dem Feld der Migrationspolitik. Macron wiederum nannte sich ausdrücklich einen Gegner illiberaler Bewegungen, wie sie Salvini in Italien und Orbán in Ungarn vorantrieben. Simon/Fouquet weisen darauf hin.

Angela Merkel sitzt nur noch auf der Rückbank  

Heute jedoch trete das Verbindende in den Vordergrund, ihrer beider Wille etwa zur, wie es modisch heißt, Disruption. Die Politiker wüssten, dass die EU grundlegend reformiert werden müsse, wolle sich Europa gegenüber den Vereinigten Staaten, Russland und China behaupten. Indikator für die neue Nähe: Mehr als zwei Stunden statt der anberaumten einen Stunde redeten Macron und Orbán im Oktober im Élysée-Palast miteinander. Hinter den Kulissen hätten beide auch gemeinsam durchgesetzt, dass die Staats- und Regierungschefs und nicht das EU-Parlament über den Vorsitz der EU-Kommission entscheiden.

Macron sei von seiner harschen Rhetorik in Richtung der Visegrad-Staaten abgekehrt. Beide hätten in ihrer politischen Karriere gezeigt, dass sie über ein Gespür für die politische Situation verfügen. So könnten sie sich in Zukunft trotz unterschiedlicher Ansichten in Detailfragen verbünden, um Europa fit zu machen für das 21. Jahrhundert. Generell, schreiben Simon/Fouqet, würden die Machtverhältnisse in der EU gerade neu geordnet. Die deutsche Bundeskanzlerin spiele dabei keine Rolle. Angela Merkel sitze nur noch auf dem „Rücksitz“.

Macron und Orbán könnten also – dieser Begriff fällt freilich nicht – die entscheidenden Game Changer der EU sein, die zwei Frenemies. Was vielleicht mit „bestens befreundeten Feinden“ zu übersetzen wäre.

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