Donald Trump gegen Migranten - Mit Soldaten und Gesetz-Geschützen

In der Endphase des „Midterms“-Wahlkampfs setzt US-Präsident Donald Trump auf Stimmungsmache gegen Immigranten. An der Grenze zu Mexiko sollen Soldaten auf sie schießen dürfen und das Staatsbürgerschaftsrecht soll geändert werden. Das geht selbst vielen Republikanern zu weit

Migranten aus Honduras auf dem Weg in die USA / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Nur Tage vor den Zwischenwahlen zum Kongress, den „Midterms“, zieht US-Präsident Donald Trump alle Register, um republikanische Wähler an die Urne zu bringen. Kein Wunder, denn viele gehen davon aus, dass ein Verlust der republikanischen Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat dazu führen könnte, dass die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Trump ins Leben rufen könnten. Die vergangenen Tage haben Trumps Strategie noch einmal verdeutlicht: Er macht Stimmung gegen Immigranten, die er als bedrohlich und verbrecherisch darstellt: Das Militär soll im Zweifel auf Flüchtlinge schießen können, das Recht auf Staatsbürgerschaft für in den USA geborene Kinder von Einwanderern soll aus der Verfassung gestrichen werden, das Recht auf Asyl — das in den USA ohnehin nicht so weit geht wie in Europa — soll eingeschränkt werden, Asylbewerber werden in Zeltstädten an der Grenze interniert. Dazu zeigt ein von Trump getweetetes Video einen fröhlich grinsenden Mexikaner vor Gericht, der zwei Polizisten erschossen hat. „Ich werde noch mehr Cops töten“, sagt der Mann. 

Soldaten als Mauer

Vor allem die „Karawane“ aus Mittelamerika baut Trump als Drohkulisse auf. Rund 5000 Honduraner, meist Frauen und Kinder, wandern in diesen Wochen durch Mexiko, auf der Flucht vor Armut und den mörderischen Banden, die das mittelamerikanische Land unsicher machen. Sie wollen in die USA, noch befinden sie sich allerdings im Süden Mexikos, rund 1.300 Kilometer von der US-Grenze entfernt. Trump hat angekündigt, bis zu 15.000 Soldaten an die US-mexikanische Grenze schicken zu wollen, um den Zug abzufangen. Falls die Honduraner Steine werfen, will er auf sie schießen zu lassen. Die Soldaten sollen – so Trumps Plan – einstweilig die von ihm versprochene Mauer zu Mexiko ersetzen. Schützenhilfe erhielt er von seinem Lieblingssender Fox News, der davor warnt, dass mit den Flüchtlingen nicht nur militante Moslems kämen, sondern auch Kranke, die Lepra und Pocken brächten. 

Der Einsatz der US-Army an der Grenze wäre zwar überdimensioniert – selbst in Afghanistan oder Syrien sind derzeit nur halb so viele Gis im Einsatz –, aber doch legal. Hingegen ist die von Trump beabsichtigte Verfassungsänderung rechtlich sehr viel fragwürdiger. Insbesondere, weil Trump die Durchsetzung per Executive Order, also durch eine präsidentiale Verfügung plant. Es geht um das „Birthright Citizenship“, den 14. Verfassungszusatz, wonach jedes Kind, das in den USA geboren ist, automatisch die Staatsbürgerschaft erhält. Dieser Zusatz ist den US-Rechtspopulisten schon lange ein Dorn im Auge.

Die Geschichte des 14th Amendment

Das 14th Amendment hat allerdings eigentlich wenig mit Immigration zu tun. Es wurde im Juli 1868, kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg vom US-Kongress verabschiedet. Es ging darum, den freigelassenen schwarzen Sklaven die Staatsbürgerschaft zu geben. Das war nicht selbstverständlich; erst elf Jahre zuvor hatte der Supreme Court, das oberste Gericht der USA, geurteilt, dass die Nachkommen von Sklaven keine Amerikaner sein dürften. Das Amendment wurde gegen den erbitterten Widerstand der Südstaaten verabschiedet. Letztlich wurde dieser gebrochen, indem Staaten, deren Vertreter dagegen stimmen wollten, der neuerliche Anschluss an die Union verweigert wurde.

Ausdrücklich ausgeschlossen waren aber weiterhin Indianer, die auf Stammesland oder in Reservaten lebten. Und auch nicht-weiße Einwanderer hatten noch lange danach Probleme. Erst 1898 stellte der Supreme Court fest, dass auch in den USA geborene Kinder von chinesischen Immigranten US-Bürger waren. Aber die Masse der Immigranten aus Europa betraf das lange Zeit gar nicht. Für Europäer wurden überhaupt erst 1924 Gesetze erlassen, die die Immigration beschränkten.
Die USA sind nicht das einzige Land, das die Staatsbürgerschaft per Geburtsort anerkennt, das „Jus Soli“ gilt in 30 Ländern, darunter Kanada und Mexiko, sowie fast allen lateinamerikanischen Ländern und karibischen Inseln, also praktisch in allen ehemaligen europäischen Kolonien, sowie in Pakistan. Obwohl das Amendment ursprünglich nicht für Einwanderer gedacht war, half es in der Praxis doch, den amerikanischen Kontinent zügig mit europäischen Kolonisten zu besiedeln.

Einige Details aber waren von Anfang an umstritten. Etwa, ob das 14th Amendment auch für Kinder von Diplomaten oder Abgesandten einer ausländischen Regierung gelten sollte oder für Kinder mit einer zweiter Staatsbürgerschaft. Denn in dem Verfassungszusatz heißt es, die Staatsbürgerschaft durch Geburt gelte für „all persons born or naturalized in the United States, and subject to the jurisdiction thereof“, also alle, die den Gesetzen der USA unterworfen sind. So erklärte der Verfassungsjurist Alan Dershowitz, ein Kind, das die USA mit seinen Eltern gleich wieder verließe, sei womöglich kein Staatsbürger mehr.

Gesetzesänderung selbst bei Republikanern umstritten

Eine solche Einschränkung wäre wohl auch für Trump noch am einfachsten zu erreichen. Sie wäre aber keineswegs im Sinne des Präsidenten, denn das träfe vornehmlich den Geburtstourismus von reichen Russinnen oder Chinesinnen, eben die Klientel, an die Trump seine Wohnungen in New York und Miami verkauft. Sein Vorstoß aber richtet sich gegen illegale Immigranten aus Mexico und Südamerika, die vorhaben, in den USA zu bleiben.

Trumps Pläne sind bei den Republikanern umstritten. Während Paul Ryan, der Vorsitzende der Partei im Repräsentantenhaus, dagegenhält, will Südstaatensenator Lindsey Graham tatsächlich ein Gesetz einbringen, das 14th Amendment abzuschaffen. Selbstredend sind die Demokraten dagegen, zu ihren Stammwählern gehören viele Immigranten aus Mittelamerika zählen. Zwar gibt es durchaus eine stattliche Anzahl von Politikern, die das „Jus Soli“ zumindest für Kinder abschaffen wollen, bei denen beide Elternteile illegal im Land sind.

Nicht mehr als Wahlkampf-Getöse?

Eine ganz andere Frage ist es jedoch, es dem Präsidenten zu überlassen, die Verfassung per Federstrich zu ändern. Dem würde mit Sicherheit das Verfassungsgericht nicht zustimmen. Und auch Republikaner erkennen den Haken: Wenn das durchginge, könnte irgendwann einmal ein demokratischer Präsident den Zweiten Verfassungszusatz, das heilige Recht, Waffen zu tragen, per Federstrich einschränken. Ironie am Rande: Deutschland hat sein Staatsbürgerschaftsrecht auch auf sanften diplomatischen Druck der USA hin aufgeweicht, während Amerika in die andere Richtung marschiert.

Allerdings ist es gut möglich, dass Trumps „Executive Order“ nach den Senatswahlen wieder in der Schublade verschwindet. Denn dem Präsidenten geht es höchstwahrscheinlich hauptsächlich darum, den Schlagzeilen der vergangengen Tage – von den Paketbomben gegen CNN bis zu den Todesschüssen in der Synagoge von Pittsburgh – etwas entgegenzusetzen. So soll sich das Momentum wieder auf die Seite der Republikaner schlagen.

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