Corona in den USA - Zwischen Verschwörung und Verdrängung

In den USA wütet das Coronavirus. Die Zahlen der Infizierten und Toten steigen stetig. Im Kampf gegen die Pandemie verstricken sich die einen in Verschwörungstheorien, während andere das Virus leugnen. Ob Donald Trump sich in dieser Krise beweisen kann, steht dabei noch aus.

Die Krankenhäuser sind überfüllt – man weicht auf schwimmende Hospitäler aus / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Im French Quarter in New Orleans, Louisiana, rennen die Ratten auf den Straßen herum. Das Vergnügungsviertel ist geschlossen, denn New Orleans ist das Zentrum der Corona-Krise. Viele haben sich beim Mardi Gras angesteckt, dem Faschingsfest, wo Hunderttausende auf den Straßen tanzen, trinken, einander umarmen und die von den Wagen geworfenen Perlen auffangen.

Um die fünfzig Tote gibt es in der Stadt mit einer Viertelmillion Einwohner und einer notorisch unfähigen Stadtverwaltung. Weil nun die Touristen ausbleiben, von deren weggeworfenen Lebensmitteln sich die Ratten ernährt haben, rennen die nun verzweifelt auf der Suche nach Futter auf den Straßen herum.

New Orleans, das katholische Sündenbabel

Es gibt aber Leute in den USA, für die es göttlich gewollt ist, dass New Orleans, das katholische Sündenbabel mit seiner schwulen Subkultur und dem aus Haiti importierten Voodoo-Kult vom Zorn des Corona-Gottes getroffen wird: Die konservativ-christlichen Evangelikalen, die Basis von US-Präsident Donald Trump.

Evangelikale Führer rufen dazu auf, weiterhin Massengottesdienste abzuhalten: Gott werde die wahren Gläubigen schützen. Jerry Fallwell Jr, Leiter der christlichen Liberty University in Virginia lässt Seminare in vollbesetzten Klassen abhalten. Er glaubt, Corona sei von den liberalen Medien hochgeschrieben, um Trump schlecht aussehen zu lassen. Außerdem hätten die Studenten für das Semester bezahlt.

Späte Einsicht endet tödlich

„Der Virus ist politisch motiviert“, sagt Tony Spell, der Pastor der Life Tabernacle Church in Louisiana. „Wir treffen uns, egal wer was sagt.“ Nicht auf Dauer. Pastor Rodney Howard-Browne von der The River Church in Florida, einer dieser Mega-Kirchen, die mehr als 1000 Gläubige fassen, wurde verhaftet, nachdem er entgegen Anweisungen der Behörden zwei Gottesdienste abgehalten hatte.

Späte Einsicht übrigens – bis vor kurzem hat Florida noch die ebenfalls recht vollen Strände offen gelassen, wo Millionen von Studenten ihre Frühjahrsferien verbracht haben. Schlimmer allerdings traf es Pastor Landon Spradlin aus Virginia, der in New Orleans auf Mission war, die sündigen Eingeborenen zu bekehren; auch er glaubte, die Krise sei nur eine Medien-Massenhysterie, um Trump zu schaden: Er starb an Corona.

Die Corona-Krise und die Vielzahl an Sündenböcken

Diese Pastoren haben Million von Anhängern, von denen viele zusammenkommen, einander die Hände schütteln oder gemeinsam im Golfkarren fahren, nur um die liberalen Weicheier zu ärgern. Manche Evangelikale halten Corona auch für einen teuflischen katholischen Plan, den wahren Glauben zu unterminieren – warum sonst sei die Krise in Italien, im Land des Papstes ausgebrochen? Und selbstverständlich dürfen auch die nicht fehlen, die glauben, die Juden seien an allem schuld.

Alex Friedfeld von der Anti-Defamation League in New York stellte fest, es gebe zunehmend Postings in Sozialen Medien, wonach die Juden Corona als Bio-Waffe erfunden hätten, womöglich in einer Verschwörung mit dem „Deep State“ – so nennt Trump den Staatsapparat. Nicht alle fänden das schlecht, so Friedfeld; es gebe auch nationalistische Gruppen, die hofften, dass sie aus der Asche der Gesellschaft ihren weißen Ethno-Staat aufbauen könnten.

Trumps Corona-Experte als Teil einer Verschwörung?

Neuerliches Ziel der Rechten ist Dr. Anthony Fauci, Trumps Corona-Experte, der neben dem Präsidenten bei Pressekonferenzen steht, Trump gelegentlich widerspricht und sich einmal gar die Hand vor die Augen hielt, während Trump redete.

Auf Youtube, Facebook, Whatsapp und Twitter wird der Immunologe, der bereits Ronald Reagan beraten hat, beschuldigt, Teil der Deep-State-Verschwörung zu sein, etwa von Tom Fitton, Präsident der konservativen Judicial Watch oder von Bill Mitchell, Betreiber der Online-Talkshow „YourVoice America“. Es gibt sogar den Hashtag #FauciFraud, Fauci-Betrüger.

Halbgott oder Reality-TV-Star

Dass die rechten Christen ausgerechnet den zwei Mal geschiedenen, in zahlreiche Affären verwickelten Trump als Halbgott sehen, mag verwundern. Die Erklärung lieferte Pat Robertsons Christian Broadcasting Network schon 2016. Trump sei ein moderner König Cyrus, der persische König, den Gott ausgesucht habe, das Schiff durch das Chaos zu steuern und der, obwohl selbst kein Jude, die Israeliten aus der babylonischen Gefangenschaft befreit habe.

Ähnlich sei auch der sündige Trump ein Werkzeug Gottes. Trump selber, allerdings, sieht sich immer noch als Reality-TV-Star, als der er die Wahl gewonnen hat. Inmitten der steigenden Fallzahlen in den USA brüstete er sich damit, dass seine Corona-Reden im Fernsehen Rekord-Einschaltquoten hätten: Zuletzt hätten ihn 8,3 Millionen Zuschauer gesehen, das sei mehr als das Finale der populären Sendung „The Bachelor“.

Die New Yorker Krankenhäuser sind überfüllt

Derweil fühlen sich manche Gouverneure eher an Trumps Sendung „The Apprentice“ erinnert, wo Möchtegern-Aufsteiger konkurrieren. Letzte Folge: Wer schafft es, die meisten Beatmungsgeräte für die Krankenhäuser seines Staats zu beschaffen? Derweil ist in New York am Dienstagmorgen das Hospitalschiff USNS Comfort der U.S. Navy am Hudson-Ufer eingelaufen, mit tausend Krankenbetten.

Denn die New Yorker Krankenhäuser sind überfüllt, die Stadtverwaltung lässt im Central Park Hospitalzelte aufstellen. Vor den Notaufnahmen sind lange Schlangen. Jeden Tag sterben Menschen, darunter auch Prominente: Der Architekturkritiker Michael Sorkin, der Theaterautor Terrence McNally, der Soziologe Wilhelm Heimreich, der Country-Musiker Joe Dieffy.

In diesen harten Zeiten schlägt die Stunde von New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo, den inzwischen viele Demokraten als Hoffnung sehen, gegen Trump anzutreten. Immerhin: Beide stammen aus dem New Yorker Arbeiter- und Immigrantenstadtteil Queens, beide sind das Austeilen gewohnt. Cuomo ist übrigens, wie auch Fauci, katholischer Italo-Amerikaner. Da werden sie Evangelikalen noch viel Freude haben.

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