Ursprung von Corona - Es war die Fledermaus und nicht das Labor

Das Fachmagazin Nature hat eine WHO-Studie ausgewertet, die eine alte Theorie stützt. Demnach stammt SARS-CoV-2 wahrscheinlich von Fledermäusen. Doch die oft vorgetragene Labor-Hypothese ist damit noch nicht vom Tisch.

Die tödlichen Kräfte der Fledermaus / dpa
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Die chinesische Küche ist reichhaltig. Laut einer Auflistung sämtlicher Tiere und Tierprodukte, die im Dezember 2019 auf dem Huanan Markt in Wuhan verkauft wurden, gibt es da zum Beispiel verschiedenste Geflügelsorten, Dachse, Kaninchen, Riesensalamander und zwei Arten von Krokodilen. Manche werden lebend, manche bereits tot an den Endverbraucher verkauft. Und es gibt natürlich Fledermäuse. Fledermäuse wie jene, die die meisten Experten noch immer für die eigentlichen Überträger des SARS-CoV-2-Virus halten.

Doch was ist wirklich dran an der Zoonose-Theorie, nach der das gefährliche Corona-Virus Ende 2019 auf dem Huanan Wildtiermarkt in Wuhan von einer solchen Fledermaus auf den Menschen übergesprungen sein soll? Um diese früh zirkulierende Hypothese, die u.a. auch von dem deutschen Virologen Christian Drosten vertreten wird, genauer zu untersuchen, hat die WHO vor einigen Wochen ein Expertenteam aus 34 internationalen Wissenschaftlern nach Wuhan entsandt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und Problemen bei der Einreise liegt nun der gut 300 Seiten starke Bericht des Teams unter Leitung von Peter Ben Embarek vor. 
 

Die Ereignisse bleiben im Dunkeln

Laut einer Publikation im wöchentlich erscheinenden Fachmagazin Nature kann dieser die Fledermaus-Hypothese stützen. Denn immerhin zwei Drittel der rund 170 Personen, die bereits im Dezember Symptome von Covid-19 hatten, hätten bei Befragungen angegeben, kurz zuvor mit lebenden oder toten Tieren in Berührung gekommen zu sein. Auch hätte eine Sequenzierung des Genoms bei dieser Gruppe ergeben, dass der Ausbruch mit dem Wildtiermarkt in Wuhan in Verbindung gestanden haben muss. 

Und dennoch: die genauen Ereignisse bleiben weiterhin im Dunkeln. Laut des Berichts käme es jetzt auf Folgestudien an, ob die Vermutung wirklich belegt werden kann. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus jedenfalls sei auf das Ergebnis weiterer Untersuchungen sehr gespant. Bis dahin wolle er auch jene Hypothese, nach der das Virus aus einem Labor gekommen sein könnte, nicht gänzlich verwerfen: „Ich glaube nicht, dass die bisherige Untersuchung umfangreich genug war. Sie erfordert weitere Untersuchungen, möglicherweise mit zusätzlichen Experten, die ich zu entsenden bereit bin", so Tedros Adhanom Ghebreyesus in einer ersten Stellungnahme.

Labor-Theorie widerlegt

Der aktuelle Bericht indes scheint die Labor-Theorie eher zu widerlegen. Laut Nature hätten Befragungen im Wuhan Institute of Virology ergeben, dass dort weder jemand an Covid-19 erkrankt sei, noch überhaupt Experimente mit den infrage kommenden Viren durchgeführt worden seien: „Wir durften alle Fragen stellen, die wir wollten, und wir bekamen Antworten“, zitiert das britische Magazin einen Wissenschaftler, der an den Befragungen vor Ort beteiligt war. „Der einzige Beweis, den die Leute für ein Labor-Leck haben, ist, dass es in Wuhan ein solches Labor gibt."

Dass dieses Labor indes direkt gegenüber von dem besagten Wildtiermarkt liegt, kommt noch immer einem stochastischen Wunder gleich. Zuletzt machten daher Studien die Runde, die den Ursprung von SARS-CoV-2 tatsächlich eher im Wuhan Institute of Virology, denn auf dem Wildtiermarkt vermuteten - die eine stammte von dem Hamburger Physiker Roland Wiesendanger, eine andere von einem Forscherteam rund um die Innsbrucker Mikrobiologin Rossana Segreto. Leider geht der Nature-Artikel auf diese Studien nicht weiter ein. Dennoch weisen die Autoren am Ende ihrer Publikation darauf hin, dass es in Wissenschaftskreisen auch berechtigte Zweifel an dem Gehalt der nun vorgelegten WHO-Studie gäbe.

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