New York Times zu Attacke in Christchurch - Das düstere Zeitalter des Social-Media Terrorismus

Die Terror-Attacke auf eine Moschee in Christchurch, Neuseeland, sorgt weltweit für Bestürzung und Trauer. Die „New York Times“ analysiert, es sei nicht nur das Massaker an sich, das uns betroffen macht, sondern seine kalte Methodik. Alles war auf maximale Verbreitung im Internet ausgelegt

Standbild des Angreifers bei der Attacke auf die Moschee in Christchurch / picture alliance
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Es ist der Stoff aus düsteren Science-Fiction-Romanen. Ein Mann entscheidet sich, zu töten, und die ganze Welt soll dabei zusehen. Der Massenmörder von Christchuch filmte seine Tat mit einer Helmkamera. Das Resultat war ein 17-minütiges Video. Trotz der menschlichen und künstlich-intelligenten Zensoren, die alle Social-Media-Kanäle mittlerweile beschäftigen, um den täglichen Hass einzudämmen, verbreitete sich das Video schnell auf der ganzen Welt. „Es ist  ist eine der verstörendsten Aufzeichnungen von Massenunfällen des digitalen Zeitalters  – eine groteske Egoshooter-ähnliche Dokumentation der Unmenschlichkeit des Menschen“, schreibt die New York Times dazu. Und was sie so verstörend mache, sei vor allem die Tatsache, dass alles auf eine möglichst schnelle Verbreitung ausgerichtet schien – und dass die Strategie funktionierte. „Die neuen Tools der künstlichen Intelligenz, die geschaffen wurden, um solche Plattformen von terroristischen Inhalten rein zu halten, konnten die menschliche List und den Impuls zum Gaffen nicht überwinden“, schreibt der Kommentator Charlie Warzel. Das Video wurde in wenigen Minuten heruntergeladen und auf zusätzliche Plattformen gepostet, durch die es um den Globus herumsauste. Screenshots von Leichen wurden auf Websites wie Reddit, 4chan und Twitter hochgeladen, wo sie geteilt, geteilt und wieder geteilt wurden.

Mit den dunkelsten Ecken des Internet vertraut

Zwar hätte es schon ähnliche live übertragene Attacken gegeben. Aber der Anschlag in Christchurch habe eine neue Qualität erreicht. „Das Christchurch-Shooting fühlt sich anders an, zum Teil aufgrund der scheinbaren Vertrautheit des Täters mit den dunkelsten Ecken des Internets.“ Die Aufnahme enthalte zahlreiche Verweise auf Online- und Meme-Kultur, einschließlich eine namentlich genannte YouTube-Persönlichkeit. Ob das 87-seitige „Manifest“ des Täters, das ebenfalls viral gegangen ist, echt sei, müsse man abwarten. Doch auch dies enthalte für die Social-Media-Szene typische ironische und selbstreferenzielle Verweise. Das Fazit von Warzel:  „So schrecklich, wie die Gewalt sich, ist die Tatsache, dass die Online-Community so funktioniert hat, wie es der Schütze wollte. Dies kann unsere neue Realität sein. Verschwörerischer Hass hat sich nicht nur aus dem Internet auf das wirkliche Leben ausgeweitet, er hat sich auch mit den Waffen ausgestattet, die ihn in der Online-Welt wiederum verbreiten.“ 

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