Lei-Feng-Tag - Chinas bester Mann

Der Mustersoldat Lei Feng ist seit mehr als 50 Jahren tot, wird von Peking aber bis heute für staatliche Propaganda instrumentalisiert. Derzeit lässt man ihn besonders oft aufleben

Erschienen in Ausgabe
Am 5. März wird in China der Lei-Feng-Tag gefeiert / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Falk Hartig ist Sinologe und forscht an der Universität Frankfurt/Main zu Fragen der politischen Kommunikation.

So erreichen Sie Falk Hartig:

Anzeige

„Vom Genossen Lei Feng lernen“ – fast jeder Chinese kennt die berühmten Worte Mao Zedongs, mit denen am 5. März 1963, ein Jahr nach Leis Tod, die erste Lei-Feng-Kampagne begann. Bis heute ist der 5. März deshalb in China der „Lei-Feng-Tag“, an dem vor allem Schüler und Studenten dem Lei-Feng-Geist nacheifern, indem sie Schulhöfe oder Parks sauber machen, alten Leuten helfen oder Blut spenden.

Lei wuchs in den vierziger Jahren als Vollwaise auf, wurde von der Partei großgezogen und verbrachte sein kurzes Leben in der Volksbefreiungsarmee. Berühmt wurde er erst nach seinem Tod, weil er zuvor offenbar ständig Gutes getan hatte: Er half alten Frauen über die Straße, spendete seinen kargen Sold an Bedürftige und stopfte seinen Kameraden heimlich nachts die Socken. Diese guten Taten, die erstaunlich oft von Fotografen festgehalten wurden, zementierten seinen Ruf als bescheidener und selbstloser Mustersoldat. Zudem verschrieb er sein Leben voll und ganz der Partei und wollte nichts weiter als ein „Schräubchen der Revolution“ sein und dem Volke dienen.

Zwar ist sein Name untrennbar mit Mao Zedong verbunden, aber auch dessen Nachfolger holten den Mustersoldaten je nach Bedarf immer wieder aus der propagandistischen Mottenkiste und spannten ihn je nach politischer Großwetterlage für ihre Zwecke ein.

Mythos und Popikone

Als es in den achtziger Jahren im Zuge der marktorientierten Öffnungs- und Reformpolitik hieß: „Reich werden ist ehrenvoll“, wurde auch der Lei-Feng-Geist entsprechend angepasst. Da individueller Reichtum, so die damalige Deutung, zum Wirtschaftswachstum des gesamten Landes beitrug, dienten auch die Neureichen ganz im Sinne Lei Fengs dem Volke. Nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 wiederum musste Lei Feng die Chinesen daran erinnern, dass die Armee eigentlich Freund und Beschützer des Volkes sei – prompt wurde kurze Zeit später mit ihm eine umfassende patriotische Erziehungskampagne propagiert.

Als sich Todestag und Beginn der Kampagne 2012/2013 zum 50. Mal jährten, lancierte die chinesische Führung die jüngste groß angelegte Lei-Feng-Kampagne. Der chinesische Kapitalismus hat, so sehen es viele Chinesen, die Gesellschaft in eine moralische Krise gestürzt, die sich in der grassierenden Korruption der Parteikader genauso ausdrückt wie in einer zunehmenden sozialen Kälte und ausgeprägten Ellenbogenmentalität. Der Rückgriff auf eine selbstlose, sich ums Kollektiv kümmernde, moralisch einwandfreie Figur erscheint da nur logisch.

Parallel zu den politischen Kampagnen reüssiert Lei Feng schon lange in der Popkultur. Nicht nur sind T-Shirts mit seinem Konterfei beliebte Mitbringsel ausländischer Touristen oder Studenten, auch Sportschuhe beispielsweise schmücken sich mit ihm. Vor einigen Jahren brachte Adidas einen Basketballschuh mit seinem Namen auf den Markt. Im typischen Dunkelgrün der Volksbefreiungsarmee gehalten, waren auf der Hinterkappe die Schriftzeichen für „Lei Feng“ und „5. März“ gestickt. Lei machte im Laufe der Zeit außerdem Reklame fürs Blutspenden, für Kondome, eine Mobilfunkfirma und auch für Immobilien.

Die Propagandafigur hat an Strahlkraft verloren

Auch Chinas gegenwärtiger Staats­präsident Xi Jinping, unter dem die Moral nicht besser, die politische Lage aber angespannter wurde, bezieht sich immer wieder auf Lei und spannt ihn für seine Reideologisierung ein. 2013 etwa erklärte Xi, dass Menschen, die sich selbstlos im Geiste Lei Fengs für andere aufopfern, das Rückgrat der chinesischen Gesellschaft seien. Und 2014 hielt Xi fest, dass der Lei-Feng-Geist Ausdruck der sozialistischen Grundwerte sei.

Als schließlich im vergangenen Jahr neue Schulbücher auf den Markt kamen, war Lei neben Karl Marx und Konfuzius eine der historischen Figuren, mit denen Chinas Kinder seither kollektivistisch und sozialistisch erzogen werden. Und dieses Jahr sind etliche Symposien geplant, die den Lei-Feng-Geist mit den Errungenschaften des 19. Parteitags vom vergangenen Herbst in Einklang bringen sollen. Das Problem bei alldem: Neben vereinzelten Zweifeln, ob es Lei Feng überhaupt je gegeben hat, überzeugt der Mustersoldat viele Chinesen nicht mehr.

2013 kamen drei Filme über ihn in die Kinos und floppten allesamt. Einer wurde zurückgezogen, für die beiden anderen mussten jeweils Staatsangestellte als Zuschauer zwangsverpflichtet werden. Als Propagandafigur hat Lei offenbar deutlich an Strahlkraft verloren. Doch unabhängig davon (oder genau deswegen) werden chinesische Medien auch dieser Tage wieder ausführlich über „lebende Lei Fengs“ und deren gute Taten berichten.

Dies ist ein Text aus der März-Ausgabe des Cicero. Erhältlich am Kiosk und in unserem Onlineshop.









 

Anzeige