Aserbaidschan und die Union - 30 Millionen Euro für „Kaviar-Diplomatie“

Schamlos kauft das diktatorisch regierte Aserbaidschan mit teuren Geschenken und Bargeld europäische Politiker, um sich politische Unterstützung zu sichern. Gerald Knaus hat davor schon vor zehn Jahren gewarnt. Geändert hat sich an der Praxis kaum etwas.

Aserbaidschans Staatspräsident Ilham Alijew / dpa
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Autoreninfo

Sina Schiffer studiert an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn Politik und Gesellschaft und English Studies. Derzeit hospitiert sie bei Cicero. 

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Gerald Knaus ist österreichischer Soziologe und Migrationsforscher. Er ist Mitgründer und Vorsitzender des Think Tanks „European Stability Initiative“ (ESI) und beobachtet seit einem Jahrzehnt die Lobbyarbeit Aserbaidschans.

Herr Knaus, Sie haben für die Versuche Aserbaidschans, im Westen durch finanzielle Anreize politische Unterstützung zu gewinnen, einst das Wort „Kaviar-Diplomatie“ geprägt. Was hat politische Korruption mit Kaviar zu tun?

So nannten Vertreter aus Baku, mit denen ich vertraulich vor einem Jahrzehnt sprach, die Politik ihres Landes, Politiker zu bestechen. Kaviar war ein typisches Geschenk, und so beschrieben wir diese Politik als „Kaviardiplomatie“ in einem Bericht schon 2012. Es ging dabei um viel Geld. Teppiche im Wert von tausenden Euro wurden verschenkt – so viele, dass eine aserbaidschanische Botschaft einen eigenen Raum dafür hatte. Teure Uhren und Juwelen, Teeservices aus Silber, Geschäftsverträge, bezahlte Urlaube, Prostituierte waren Teil der Leistungen. Zusätzlich gab es Geld. Große Summen wurden bar oder per Überweisung an Firmen überwiesen. Dazu griff das Regime in Baku jeden an, der auf ihre Machenschaften aufmerksam machte. Doch als wir 2012 davor warnten, reagierte niemand. Ja, der Begriff „Kaviardiplomatie“ begann sich zu verbreiten, manche besorgte Beamte des Europarats wandten sich an uns und bestätigten die schlimme Lage dort. Doch das Regime in Aserbaidschan reagierte mit heiterer Gleichgültigkeit. „Manche von uns lachten“, so erzählte es uns ein führender Diplomat später. 

Und dann wurde 2017 einer breiteren Öffentlichkeit zum ersten Mal bekannt, wie Aserbaidschan Politiker regelrecht „kauft“, als öffentlich wurde, dass die CDU-Abgeordnete Karin Strenz mindestens 15.000 Euro von Aserbaidschan bekommen hat – und im Europarat bei Abstimmungen treu an der Seite des Kaukasus-Landes stand. Hat Aserbaidschan seitdem seine Aktivitäten zurückgefahren?

Gerald Knaus

Ich fürchte nein. Warum sollte es das tun? Die Politik hat funktioniert. Selbst als italienische Staatsanwälte in Mailand beweisen konnten, dass ein führender italienischer Politiker, der im Europarat die Menschenrechtspolitik Aserbaidschans verteidigt hatte, mehr als zwei Millionen Euro aus Baku überwiesen bekam, hatte das für das Regime bis heute keine Konsequenzen. Es wurde im Europarat weder suspendiert noch gezwungen, sich zu rechtfertigen. Ich hörte oft, „natürlich ist Aserbaidschan korrupt“, als sei das nur eine exotische Geschichte über ein fernes Land.

Nochmal zurück zu Frau Strenz. Gegen sie wird bis heute ermittelt, im Europarat hat sie „Hausverbot“. Finden Sie es richtig, dass Karin Strenz bis heute im Bundestag sitzt?

Nein. In Italien hat ein Gericht im Januar 2021 drei ehemalige Abgeordnete in erster Instanz zu je vier Jahren Gefängnis verurteilt, und im Urteil wird der modus operandi des Regimes in Baku genau beschrieben. Wer daher in den letzten Jahren Geld aus Baku erhielt, um bei Wahlbeobachtungen oder bei Abstimmungen zu politischen Gefangenen die Seite Bakus zu übernehmen, musste wissen, was er oder sie tat. Und der sollte heute nicht mehr im Bundestag sitzen.

Vom Bundestag zum Europarat: Laut einem Bericht von 2018 soll es eine ganze Reihe von Europaratsmitgliedern gegeben haben, die von Aserbaidschan bestochen wurden. Hatte das denn für diese Politiker Konsequenzen?

Für die allermeisten nicht. Immerhin gibt es jetzt ein Mailänder Urteil gegen drei der Genannten, weil Staatsanwälte ihre Arbeit getan haben. Die Emails des ehemaligen Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei im Europarat, Luca Volonte, die bei einer Hausuntersuchung auftauchten, zeigen uns im Detail, wie diese Politik funktionierte. Man wird nach Baku eingeladen, im Hotelzimmer liegen teure Geschenke. Wer sie nimmt, zeigt sein Interesse. Nach der ersten Einladung nach Baku 2012 schrieb Volonte dann an einen Abgeordneten aus Aserbaidschan: „Lieber Elkhan, Danke für alles! Dank Dir habe ich ein sehr interessantes Land kennengelernt, unsere Freundschaft wird sicher wachsen! Vielen Dank, Deine Geschenke sind sehr fein und sehr kostbar!“ Und danach begannen die Überweisungen: Hunderttausende Euros, über Briefkastenfirmen auf den Marshall-Inseln und in Großbritannien. Der Bericht von 2018 beschrieb auch Bargeld, das im Europarat verteilt wurde. Den Hinweisen konnte aber nicht weiter nachgegangen werden. Die Autoren forderten daher Staatsanwälte in ganz Europa auf, diesen Fragen nachzugehen.

Wenn Sie das so beschreiben: Was für ein Regime ist Aserbaidschan unter Ilham Alijew eigentlich? Eine Diktatur? 

Ja. Jegliche Opposition wird ausgeschaltet, Wahlen laufen ab wie in der ehemaligen DDR, kritische Journalisten kommen ins Gefängnis, es gibt Folter und Misshandlungen. Dass Aserbaidschan trotzdem noch Mitglied im Europarat ist, der ja ein Club von Demokratien sein soll, ist daher eigentlich absurd.

Nach den CDU/CSU-Abgeordneten Fischer und Strenz gerät auch der Thüringer CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann in die Kritik. Aserbaidschan schaltete im „Südthüringen Kurier“, dessen Herausgeber er ist, eine Werbeanzeige für eine Reise nach Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, und soll dafür 16.744 Euro bezahlt haben. Was genau verspricht sich Aserbaidschan davon?

Das Regime von Alijew lässt überall in Europa Geld ausgeben. Es lädt auch seit vielen Jahren jedes Jahr Dutzende Parlamentarier nach Aserbaidschan ein und investiert auch Geld in Wahlkreisen von Politikern, die dem Regime gewogen sind. Die Erwartung in Baku ist sicher immer, dass das am Ende etwas bringt. Ob das im Einzelfall dann auch so ist, muss man immer erst untersuchen.

Ist es die Anzeige überhaupt wert? Wir sprechen ja nun mal von einem doch etwas kleineren Lokalblatt. 

Es gab eine Zeit, da hat das Regime überall in der Welt, von Kanada bis Mexiko, von Serbien bis Georgien, Geld dafür ausgegeben, dass in öffentlichen Parks Statuen des Vaters und der Frau des derzeitigen Präsidenten aufgestellt wurden. An Geld fehlte es nie. Luca Volonte gab zu, dass ihm das Regime zehn Millionen Euro zusicherte. Der ehemalige Botschafter Bakus beim Europarat sprach von 30 Millionen Euro Budget im Jahr für „Kaviardiplomatie“. Wer bekam dieses ganze Geld? Wir kennen bislang nur die Spitze des Eisbergs.

Wenn wir bislang nur die Spitze des Eisbergs kennen: Weiß man denn, woher Aserbaidschan all das Geld hat? 

Es ist eine typische Petro-Diktatur, lebt vom Export von Öl und Gas aus dem Kaspischen Meer. Ansonsten exportiert das Land fast nichts.  

Nochmal zurück zu Mark Hauptmann. Der CDU-Abgeordnete gilt als Befürworter des Regimes und von Staatschef Ilham Alijew, wobei er einen Zusammenhang zwischen der Werbeanzeige und dieser Haltung bestreitet. Wie schätzen Sie dies ein?

Es sieht nicht gut aus. Allerdings hat Mark Hauptmann reagiert und sein Mandat niedergelegt. Karin Strenz und Axel Fischer haben das noch nicht getan.

Das heißt, Strenz und Fischer sollten auch zurücktreten?

Ja. Es ist eine Frage der politischen Moral.

Für welche Themen braucht Aserbaidschan die deutsche Politik? Aus reinen PR-Gründen? Oder steckt da mehr hinter?

Aserbaidschan investiert überall in Europa in Politiker, von Spanien bis Skandinavien. Die Entwicklung im Europarat in den letzten zwei Jahrzehnten zeigt uns, warum. Viele Jahre kamen dort nur Freunde Bakus nach oben. Das Regime wurde gelobt, während sich die Gefängnisse füllten. Wer einmal Geld erhielt, blieb dem Regime treu. Das hat sich zum Glück nach 2017 etwas geändert, aber das Grundproblem bleibt: Es ist viel zu leicht für Autokratien, sich Gefälligkeiten zu kaufen.  

Aber was ist genau das Besondere an Aserbaidschan? Insbesondere im Gegensatz zu den anderen postsowjetischen Republiken wie Usbekistan, Kasachstan oder Tukmenistan? Könnten die das nicht auch machen? 

Aserbaidschan hat dieses System perfektioniert. Aber es ist natürlich nicht die einzige Autokratie, die versucht, sich mit Geld politische Freundschaften zu kaufen.

Dass Aserbaidschan eine wichtige Rolle bei der Strategie der Energiesicherheit der EU spielt, ist schon seit Jahren klar. Doch wie werden die weiteren Schritte zwischen Aserbaidschan und der EU aussehen?

Die EU wird auch weiterhin Beziehungen zu Aserbaidschan unterhalten, so wie sie Beziehungen zu Russland unterhält. Doch im Europarat, wo Deutschland gerade den Vorsitz führt, sollte das Regime endlich zur Rechenschaft gezogen werden dafür, dass es seit Jahren versucht, diese Organisation zu bestechen. Das ist bis jetzt nicht geschehen.

Die Fragen stellte Sina Schiffer.

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