Russische Hacker - Wahlen in Zeiten des Cyberwar

Ob Russland die US-Wahlen manipuliert hat, ist bis jetzt nur ein Verdacht. Die Konsequenzen wären einschneidend – auch für Deutschland. Unser Autor hat sich in Washingtoner Geheimdienstkreisen umgehört

Die Anzeichen, dass Russland tatsächlich Wahlkampfhilfe für Trump geleistet hat, verdichten sich / picture alliance
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Autoreninfo

Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Gibt es bei der CIA eigentlich nur Deppen, deren Berichte doch nur stören? Und bei der NSA und den übrigen 14 US-Geheimdiensten auch? Jedenfalls scheint das ihr künftiger oberster Dienstherr Donald Trump zu glauben – oder zumindest tut er so.

Der  Präsident-in-spe scheint gelangweilt von den Briefings seiner Geheimdienste, die er nach seinem Amtsantritt jeden Tag bekommen soll. Einmal die Woche reiche doch, weil, er sei doch „a smart person“, der man nicht ständig dasselbe erzählen müsse, solange sich nichts ändere, sagte er jetzt seinem Lieblingsfernsehsender Fox News.

Vor allem aber will er nichts davon wissen, was die Geheimdienste mit nun immer größerem Nachdruck in Washington verbreiten: dass Russland mit Hackerangriffen in den amerikanischen Wahlkampf eingegriffen habe – zu seinen Gunsten.

Alles nur „albern”?

Washington ist aufgeregt. Wir treffen dort auf die leitende Mitarbeiterin eines großen Think Tanks. Sie kommt etwas zu spät und entschuldigt sich, sichtlich aufgewühlt, weil sie gerade von den Sicherheitsbehörden informiert worden ist, dass auch ihr Computer Ziel eines russischen Hackerangriffs geworden sei.

Gegenwärtig läuft die Erzählung so: Nicht nur die Computer der Demokratischen Partei, Hillary Clintons Wahlapparat also, seien angegriffen worden, auch die der Republikaner, also Trumps Unterstützer. Aber nur die bei den Demokraten erbeuteten Informationen seien an die Öffentlichkeit weitergereicht worden, um Clinton zu schaden. Bei den Republikanern hingegen sei nichts nach draußen gedrungen, was Trumps Erfolg beeinträchtigt hätte.

Der Verdacht dahinter ist ungeheuerlich; Russland hätte so die demokratische Wahl in den USA manipuliert. Klar, dass Donald Trump das nicht passt. Alles nur „albern”, sagt er, „nur eine neue Entschuldigung. Ich glaube das nicht”.

Schädigung des demokratischen Systems

In der Tat: Angesichts der Schwere des Verdachts sind kritische Fragen durchaus angebracht. Soll hier den Russen in die Schuhe geschoben werden, dass die Kandidatin des Washingtoner Establishments vom Wähler abgestraft wurde und der Außenseiter Trump nun im Weißen Haus landet?

Und muss nicht auch berücksichtigt werden, dass die CIA deutlich weiter geht als das Bundeskriminalamt FBI, das sich offenbar nicht darauf festlegen will, ob die russischen Angriffe eindeutig das Ziel hatten, den Kandidaten Trump beim Wähler über die Ziellinie zu bringen?

Anscheinend geht aber auch das FBI davon aus, dass sich die Russen tatsächlich in die amerikanischen Computersysteme eingehackt, Daten abgezweigt und in Umlauf gebracht haben, um insgesamt die Glaubwürdigkeit des demokratischen Systems zu beschädigen.

Geheimdienstbericht noch unter Obama erwartet

Wie dem auch sei: Wer müsste eigentlich ein größeres moralisches Interesse an der Aufklärung dieser unglaublichen Vorwürfe haben als der Mann, der die Nation demnächst führen soll? Der doch am 20. Januar öffentlich schwören wird: „Ich gelobe feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreulich verwalten und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften erhalten, schützen und verteidigen will.”

Gerade der gnadenlose Populist Donald Trump, der Verteidiger der kleinen Leute gegen das Washingtoner Establishment, der immer vor den manipulierten Wahlen und der betrügerischen Hillary gewarnt hatte, gerade er müsste doch alles daran setzen, dass bei seinen Anhängern auch nicht der Hauch eines Zweifels an der Legitimität seiner Wahl aufkommen darf. Er müsste als erster verlangen, dass dieser Verdacht mit allen Mitteln aufgeklärt wird, die der US-Regierung zur Verfügung stehen.

Stattdessen signalisiert er, dass er gar nicht daran denkt, sich mit dem Urteil der Sicherheitsbehörden auseinanderzusetzen. Damit wird er freilich nicht ohne Weiteres durchkommen. Der noch amtierende Präsident Barack Obama hat angeordnet, dass er noch vor dem Ende seiner Amtszeit einen Bericht der Geheimdienste dazu auf seinen Tisch bekommt. Das kann Donald Trump vielleicht gerade noch mit einem Achselzucken als Nachtreten des obersten Vertreters der beim Wähler gescheiterten Demokraten abtun.

Hacker-Angriff auf Bundestag intensiver als gedacht

Viel problematischer wird für ihn, dass nun auch seine eigenen Parteifreunde im Kongress eine nachhaltige Untersuchung fordern. Das kann er weder einfach ignorieren, noch verhindern. Während Trump sich gerade ein Kabinett aus Generalen, Milliardären und Vertretern des Big Business zusammenzimmert, sich also Lichtjahre entfernt von seiner Basis bei den sich abgehängt fühlenden Verlierern der Globalisierung, braut sich hier etwas zusammen, was er nicht wirklich kontrollieren kann. Es wird der Testfall dafür werden, ob das demokratische System der Gewaltenteilung – Regierung auf der einen, das Parlament auf der anderen Seite – tatsächlich funktioniert. Es wird die Frage nach der Glaubwürdigkeit dieses Systems überhaupt werden, auf das besonders die Gründerväter der Vereinigten Staaten so großen Wert gelegt hatten.

Denn es geht um weit mehr als um die Frage, ob ein neuer Präsident unter einem dunklen Schatten sein Amt antritt. Vielmehr hat der Vorgang eine historische Dimension, der sich nicht nur die USA stellen müssen. Der Hacker-Angriff auf den Bundestag vergangenes Jahr war weit intensiver als ursprünglich dargestellt. Was dabei aus den Abgeordnetenbüros alles abgeflossen ist, birgt möglicherweise ähnlichen Sprengstoff wie das Material gegen Hillary Clinton. Auch die deutschen Geheimdienste gehen intern seit langer Zeit von einem Angriff aus Russland aus. Und auch sie warnen jetzt vor schwerwiegenden Folgen für den bevorstehenden Wahlkampf hierzulande.

Es geht um die Frage, ob ausländische Regierungen mit den Mitteln der elektronischen Kriegführung demokratische Prozesse in anderen Ländern manipulieren und nach Möglichkeit in ihrem Sinne beeinflussen können – und ob und wie die Angegriffenen sich dagegen wehren können und dürfen. Die Analyse der bisher bekannten Fakten ist bedrückend genug: Wir sind nicht auf dem Weg dorthin, wir sind längst mitten drin im Cyberwar.

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