Nach dem G7-Gipfel - Eine Koalition der Schwachen kann nicht überleben

US-Präsident Donald Trump hat auf dem G7-Gipfel für einen Eklat gesorgt. Doch sein Auftreten ist auch eine Folge der Schwäche der EU-Staaten. Weder diplomatisch noch ökonomisch noch militärisch demonstrieren sie Einigkeit. So wird ihr internationaler Einfluss weiter schwinden

May, Trump, Merkel: Die intensive Abstimmung mit den USA bleibt unerlässlich / picture alliance
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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An den Kuriositäten des G7-Gipfels in Kanada muss weder der G7-Prozess zugrunde gehen, noch ist der Westen schon am Samstag, dem 9. Juni 2018 historisch gescheitert. Der Gipfel dokumentierte jedoch nachdrücklich, dass die westliche Vormacht gerade einen ebenso brutalen wie situativ erratischen Kurs fährt, während die anderen sechs Staaten, allen voran die vier EU-Staaten, die Quittung für ihre jahrzehntelangen Versäumnisse kassieren. Dass Donald Trump so sein kann wie Trump ist und ihn trotzdem alle ernst nehmen müssen, liegt eben auch daran, dass die EU-Staaten keine international wirksame Eigenständigkeit entwickelt haben und deshalb auf die USA angewiesen bleiben.

Die EU bleibt von der USA abhängig

Staatlich verfasste Gesellschaften streben neben der Beibehaltung ihrer politischen Ordnung Sicherheit und Wohlstand an. Aber die EU kann ohne die USA weder ihre Sicherheit noch ihren Wohlstand sichern. Die europäische Sicherheit hängt an der Nato, und die Nato sind faktisch die USA. Der europäische Wohlstand hängt an internationalem Handel, und der ist ohne die Reservewährung US-Dollar nicht so aufrechtzuerhalten, wie er gerade läuft. Beide Karten spielt Trump erbarmungslos aus und verknüpft die Zollfragen mit den Verteidigungsausgaben. Denn er weiß: Die EU kann sich nicht selbst verteidigen und ihr geografisches Umfeld nicht stabilisieren. Und die EU hat es nicht geschafft, den Euro zu einer ebenbürtigen Währung zum Dollar werden zu lassen. Im Gegenteil, die Bedenken ihrer Währung gegenüber nehmen ja gerade wieder zu. 

Dieses maßgebende Versagen, die eigene Lebensfähigkeit international nicht absichern zu können, erlaubt es Trump gegenüber den engen Verbündeten überhaupt erst so aufzutreten, wie er es tut. Man denke sich einmal folgendes:Die EU würde über ausreichend Mittel verfügen, sich zu verteidigen und den Mittelmeerraum zu stabilisieren. Die EU wäre dann in der Lage, den Euro als vertrauensstarke Währung zur Verfügung zu stellen. Die Verhandlungslage würde sich für den amerikanischen Präsidenten fundamental anders darstellen. Sein Wüten liefe ins Leere, und seine Drohungen wären hohl. So ist es aber genau andersherum.

Ohne Stärke geht es nicht

Damit geht einher, dass eine der Grundmaximen deutscher und europäischer Ordnungspolitik an Durchsetzungskraft verliert: dass die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren die internationalen Beziehungen prägen soll. Das ist sympathisch, entspricht der rechtsstaatlichen Lebensweise und liegt im europäischen Interesse. Aber wer gemeint hat, dass es keiner Stärke bedarf, den Kennsatz von der „Stärke des Rechts“ durchzusetzen und durchgesetzt zu halten, wird gerade eines Besseren belehrt. Denn das Wortspiel war immer nur halb richtig: Nur mit Stärke kann die Stärke des Rechts durchgesetzt werden, indem sich die starken Staaten an Recht halten. Das tun sie aber nicht, weder Russland noch die Türkei – und jetzt auch nicht die USA. Eine Koalition der Schwachen aber wird sich dagegen nicht behaupten können. Eine Koalition der Schwachen wird keine Garantiemacht für multilaterale Verfahren werden können.

So hat der G7-Gipfel erneut das Fehlschlagen einer Außenpolitik dokumentiert, die meint, sich ohne eigene Stärke auf die miteinander getroffenen Absprachen verlassen zu können. Der Gipfel hat zudem gezeigt, dass die europäischen Staaten keine Strategie gefunden haben, wie sie erfolgreich mit dem amerikanischen Präsidenten umgehen können. Präsident Macron lässt sich auf dessen Straßengehabe ein; Premierministerin May denkt nur an ihre Position zu Hause; Bundeskanzlerin Merkel steckt gleich in mehreren Zwickmühlen; und Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte wird von Trump gelobt und nach Washington eingeladen. Dass die EU-Regierungen keine Strategie zum Umgang mit Präsident Trump haben, liegt auch daran, dass sie über keine Fähigkeiten verfügen, sich von den USA zu lösen. Weder diplomatisch noch ökonomisch noch militärisch. Das provoziert Trump geradezu dazu, sie in die Ecke zu drücken, in der sie gerade stehen.

Der Einfluss der EU nimmt ab

Kann es noch schlimmer kommen? Ja und zwar vielleicht recht bald. Die österreichische Regierung vermittelt gerade auf Wunsch von Präsident Wladimir Putin ein Treffen zwischen ihm und Trump. So berichten es die Zeitungen in Österreich. Das Treffen soll Ende Juli in Wien stattfinden. Mit seiner Russland-Initiative vor dem G7-Gipfel hat Trump ja schon laut gesagt, mit wem er weltpolitische Fragen erörtern möchte. Vielleicht nehmen sie ja noch Chinas Präsident Xi Jinping hinzu. Dann gäbe es wirklich ein anderes Format internationaler Ordnungsabstimmung. Nur wäre es nicht das, was sich Bundesaußenminister Heiko Maas gedacht hat, als er andere Bündnisse ins Spiel brachte. Die EU-Staaten müssten dann höllisch darauf achten, dass sie in Formaten der internationalen Ordnungspolitik überhaupt noch vertreten sein werden. Die Zeit der Überrepräsentation geht dann mit einem Schlag zu Ende. Das wäre nicht das Ende des Westens, sondern das Ende des internationalen Einflusses der EU-Staaten.

Deshalb ist es dringender als jemals zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nötig, die intensive Abstimmung mit den USA zu suchen. Denn es geht um internationale Ordnungspolitik und nicht um das Kleinkarierte bestimmter Zollmargen. Hier sollte man sich rasch und unprätentiös einigen. Das gilt auch, wenn Präsident Trump im Unrecht ist. Aber er hat den längeren Hebel. Und je länger er diesen ansetzt, desto mehr Wurzelwerk der transatlantischen Beziehungen hebelt er aus. Die USA würden diesen Prozess überleben. Für die EU kann man das mit dieser Bestimmtheit nicht sagen.

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