Gipfel zwischen Trump und Putin - Harmonie in Helsinki, Dissonanzen in Washington

Beim Gipfel in Helsinki geben sich Donald Trump und Wladimir Putin offenbar alle Mühe, das russisch-amerikanische Verhältnis zu verbessern. Doch der US-Präsidenten bekommt reichlich „friendly fire“ aus der Heimat, auch von seinen Parteifreunden. Hat er den Bogen überspannt?

Treffen im harmonischen Moll: Donald Trump und Wladimir Putin / Picture alliance
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Autoreninfo

Frank Elbe war deutscher Botschafter in Polen und Indien sowie Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt. Als Rechtsanwalt betreut er heute Mandanten aus allen Teilen der Welt, auch aus Russland.

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Nun hat er stattgefunden: der mit Spannung erwartete Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Gegen alle vorhergegangenen Befürchtungen verlief das Treffen ohne Dramatik, aber auch ohne jeden Höhepunkt. Er geriet eher zu einem harmonischen Moll. Trump plädierte für einen Neuanfang in den Beziehungen zu Russland. Putin nahm dankbar auf, dass Trump Zweifel an den Vorwürfen des FBI anmeldete, Russland habe sich in den US-amerikanischen Wahlkampf eingemischt. Beide Präsidenten schnitten das strittige Pipelineprojekt Nord Stream 2 in der Pressekonferenz erst gar nicht an. Es hatte Tage zuvor noch zu einem Eklat zwischen Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel geführt. Erst auf Frage eines Journalisten stellte Trump lakonisch fest, dass die USA mit Nord Stream 2 konkurrieren würden, und Putin fügte hinzu, dass die USA und Russland als größte Gasproduzenten ein Potential zur Kooperation hätten. Das klang alles nach einem gemeinsamen Bemühen, die angeschlagenen russisch-amerikanischen Beziehungen zu verbessern. Für die Beobachter in Europa und der übrigen Welt war es beruhigend, dass die beiden „wichtigsten Männer der Welt“ ordentlich und manierlich miteinander umgegangen sind.

Ärger an der Heimatfront 

Putins verhaltene Körpersprache verriet jedoch schon, dass er Zweifel an einem tragfähigen Gipfelergebnis hegen könnte. Ihm ist klar, dass Trump diesen Gipfel keineswegs als ein gleichwertiger Partner bestreiten konnte, weil all seine guten Absichten, die Beziehungen zwischen den USA und Russland zu verbessern, mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Washingtoner Heimatfront scheitern würden. Wahrscheinlich hatte Trump den Gipfel in erster Linie nutzen wollen, um über eine internationale Anerkennung seiner Politik eine Entlastung in der Auseinandersetzung mit seinen politischen Gegnern in Washington zu erfahren.

Jedoch: Nur wenige Augenblicke nach der gemeinsamen Pressekonferenz ging bereits ein Gewitter bitterböser Kritik aus den USA auf Trump nieder. Sein Auftritt in der Pressekonferenz wurde als „beschämend“ und als „Verrat“ bezeichnet. John McCain, Senator der Republikaner  sprach von einer der „schändlichsten Aufführungen eines amerikanischen Präsidenten“. Der Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, mahnte Trump, „zu akzeptieren, dass Russland nicht unser Verbündeter sei“, denn es gebe „keine moralische Äquivalenz zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, das unseren grundlegendsten Werten und Idealen feindlich gegenübersteht".

Trumps Konflikt mit dem Establishment

Diese Wutausbrüche spiegeln den seit seinem Amtsantritt bestehenden Konflikt zwischen Trump und dem politischen Establishment in Washington wieder. Trump wird nicht verziehen, dass er seinen Wahlkampf mit Angriffen gegen eben dieses Establishment geführt hat und als Präsident keine Gelegenheit auslässt, es weiter vorzuführen. Das könnte für die übrige Welt gleichgültig sein, wenn sich dieser Machtkampf nicht auf dem Schlachtfeld der Außenpolitik, insbesondere der Beziehungen zu Russland austoben würde. Damit berührt er Schicksalsfragen anderer Länder und Kontinente.

Präsident Trump ist in seiner Politik, die Beziehungen zu Russland zu verbessern, bemerkenswert konsistent geblieben. Es war ein Wahlversprechen, das er unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses und dann als Präsident in seiner ersten Rede vor dem Kongress ausdrücklich bestätigte. Amerika werde es besser gehen, wenn es in der Welt weniger Konflikte gebe. So äußerte er sich auch auf dem Gipfel in Helsinki. 

Aus der Sicht des US-amerikanischen Establishments ist Trumps Russlandpolitik ein weiterer unverzeihlicher Sündenfall. Es schlug zurück, zunächst mit Verfahren gegen Mitglieder der Wahlkampfmannschaft wegen illegaler Zusammenarbeit mit russischen Stellen. Dann aber griffen die Gesetzgeber im Sommer 2017 zu der Keule des „Countering America's Adversaries Through Sanctions Act“. Dieses Gesetz sah einschneidende Sanktionsmaßnahmen gegen Russland, aber auch gegen deutsche und europäische Firmen vor, die sich an dem Projekt der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 beteiligen.

Die Reaktionen aus Washington auf den Gipfel verheißen nichts Gutes. Es ist fraglich, ob Trump überhaupt noch irgendwelche Ergebnisse aus seinen Gesprächen mit Putin gegenüber Senat und Repräsentantenhaus durchsetzen kann. Zu Hause steht ihm das Wasser bis zum Hals. 

Wollen die USA an der Nato festhalten? 

Für die Verbündeten der USA stellt sich die Frage, wohin die Reise der Amerikaner überhaupt gehen soll. Es deuten sich zunehmend Konflikte über Grundsatzfragen der Beziehungen zu Russland an. Offensichtlich teilt das politische Establishment Washingtons jahrzehntelang gültige Einsichten nicht mehr, dass es für Europa keine Sicherheit gegen Russland geben wird. Es befindet sich auf einem konfrontativen Kurs gegenüber Russland, der für Europa nichts Gutes verheißt. 

Die Zweifel sind berechtigt, ob die USA noch an den politischen Zielen der Nordatlantischen Allianz, der Schlussakte von Helsinki und der Charta von Paris festhalten wollen: Nämlich eine Friedensordnung in Europa zu schaffen und in einem Kooperationsraum von Vancouver bis Wladiwostok zusammen zu arbeiten. Scheinbar verfolgen sie ausschließlich geopolitische Ziele, um unter Ausgrenzung Russlands als einzige Führungsmacht der Welt zu glänzen. Damit sind europäische und amerikanische Interessen nicht mehr deckungsgleich. Wenn Europa einen politischen Stellenwert in der Welt behalten will, muss es hier Klarheit schaffen und möglicherweise seinen eigenen Weg gehen.

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